Zweite Fortsetzung

Herrliche breite Straßen, ansehnliche Paläste entwickeln sich, Monumente schmücken die weiten Plätze, Alles trägt das Gepräge einer eleganten, größeren Stadt, deren Lage viel an die Altstadt Dresdens erinnert, und leicht eine Brühl’sche Terrasse sich schaffen könnte, wie sie die Hauptstadt Sachsens unter ihren vielen Schönheiten zählt. Einer der großartigsten Punkte Warschaus ist wohl der zehn Morgen große sächsische Platz, mit einem Obelisk zu Ehren der 1830 treugebliebenen Polen. An denselben stößt der sächsische Garten, ein vom Könige August II. (Kurfürsten von Sachsen) angelegter Öffentlicher Spaziergang, in einem Umfange von 30 Morgen, der für eine der schönsten derartigen Anlagen in Europa gehalten wird. Nebst diesem sorgt noch der große Krassinski'sche Garten und der erst 1867 eröffnete Konstantin'sche Square für das Bedürfnis des Publikums. Alle drei Gärten sind mit Springbrunnen, die beiden älteren auch mit Mineralwasser-Anstalten versehen.

Durch den reichen Adel, welcher in Warschau viele Palais besitzt, durch die zahlreiche höhere Beamtenwelt und starke Garnison ist ein elegantes Treiben auf den Straßen wahrzunehmen, am lebhaftesten -auf und nahe dem Platze Sigismunds III., mit dem ehernen Standbilde dieses Königs geschmückt, wo man auch die schönste Aussicht auf das königliche Schloss und die großartige neue eiserne Gitterbrücke über die Weichsel hat.


Letztere wurde mit einem Kostenaufwande von sechs Millionen Rubeln erbaut, und als „Alexanderbrücke" im Jahre 1865 eröffnet.

Gleich unterhalb derselben, zwischen Schlossgarten und Weichsel, hart am Strome, gewahrt man gemauerte Baracken, eine als Soutien für die nahe Schlosswache sehr glücklich angelegte Kaserne der Kosaken.

Das Wort „Kosak" bedeutet nicht, wie vielfach irrig angenommen wird, eine nur der russischen Armee eigentümliche Spezies von Lanzenreitern, sondern ist der Kollektiv-Name für die Völker der südlichen und östlichen Gebiete, der Ukraine u. s. w.

Die zahlreichsten sind die donischen Kosaken, nach der neuen Organisation der Armee in 66 Kavallerie-Regimenter und 14 Batterien formiert.

Alle gehören zur irregulären Armee, mit Ausnahme der beiden Garde-Regimenter (das „Leibgarde-Kosaken-Regiment" und das „Leibgarde-Atamannische Regiment“).

Sie werden abwechselnd und teilweise zum Dienste einberufen, und sind dann in Polen, Finnland, um Wilna, Kiew und Odessa stationiert.

Die Kuban'schen Kosaken zählen 28 Kavallerie-Regimenter, 11 Infanterie Bataillone und 5 reitende Batterien.

Auch diese gehören zur irregulären Armee, mit Ausnahme der beiden „Kuban'schen Leibgarde-Kosakeneskadronen", welche mit der „Terskischen Leibgarde-Kosakeneskadron" den „Convoi des Kaisers" bilden.

Die übrigen Kosaken, nämlich die Astrachauschen, Orenburg'schen, Ural'schen, Sibirischen, Semirätschenschen, Transbaikal'schen , Arnur'schen, Irkutskischen, Jeneseischen, Kamschatkischen, — ausschließlich zum Grenz- und inneren Dienste bestimmt, bilden zusammen 50 Kavallerie Regimenter, 7 reitende Batterien und 23 Infanterie-Bataillone.

Die in Europa im Wechsel zusammengezogenen Kosaken-Truppen betragen nicht über 10.000 Mann.

Der Kosake ist geboren zum Campagne Reiter und Eclaireur, in welcher Verwendung er auch Ausgezeichnetes leistet und jeder Anforderung entspricht.

Wir konnten uns nicht versagen, die kleine Strecke von der Weichselbrücke nach den Baracken, wo einige Sotnien (die Bezeichnung für geschlossene Abtheilungen von hundert Pferden) kasernieren mögen, zurückzulegen. Ein Teil der Mannschaft war beschäftigt, im vorüberfließenden Strome die Pferde zu tränken und schwemmen; es war höchst unterhaltend, die Gewandtheit der Einzelnen zu verfolgen, mit welcher sie, sich auf die kleinen Rosse schwingend, in fortgesetzten Courbetten, sattel- und bügellos, nach dem Stalle zurückkehrten.

Da und dort stand im Hofe ein einzelnes Pferd angehängt, neben ihm sein Herr, Wärter und Freund zutraulich am Boden liegend, ein Bild treuer Kameradschaft. Vielleicht träumten sie sich beide nach der Steppe zurück, an die Ufer des Don, oder zu den fetten Weiden des Chersonesos, wenn nicht ihre stumm ausgetauschten Blicke vielleicht nach noch weiteren Fernen, nach Ural und den Gestaden der Kaspischen See, — Heimatsehnsucht aussprechen wollten! Es ist nicht zu leugnen, dass eine gewisse Poesie über solche kleine Gruppen ausgegossen ist, wo Mann und Ross, unterm gleichen Himmelsstriche geboren und erstarkt, im fernen Lande sich Freunde bleiben für Leben und Tod!

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen im westlichen Russland