Dritte Fortsetzung

Nur ein blindes Vertrauen auf das Glück, welches sich ein und ein halbes Dezennium dem französischen Imperator treu gezeigt hatte, lässt es erklären, wie Napoleon trotz der ungünstigen Auspizien, unter denen er die Westgrenze Russlands überschreiten musste, den Gedanken festzuhalten vermochte, seine siegreichen Adler in das Herz des feindlichen Reiches, das ,,heilige Moskau" tragen zu wollen!

Wog man die beiderseitigen Steitkräfte gegen einander, mit welchen sich in furchtbaren Rüstungen die Hälften Europas gegenüber traten, so fiel damals schon die Waagschale auf Seite Russlands, weil bei gleich starken Armeen, welche das strategische Schachbrett betraten, dem Verteidiger seiner Grenzen die Kenntnis des eigenen Landes, sowie die Natur desselben zu Hilfe kam, indem breite, offene Flüsse, Moräste, undurchdringliche Wälder und unbewohnte Sandstrecken, die einzigen verwundbaren Gebiete des russischen Westens deckten.


Einerseits lieferten Österreich, Preußen, Spanien, Portugal, Neapel, das Königreich Italien, Illyrien, Polen, der Rheinbund, die Schweiz, endlich Frankreich, welches damals auch Rom, Toskana, Hamburg und Holland umfasste, ihre Kontingente, so dass noch niemals Völker so verschiedener Klimate und Sprachen unter einerlei Fahne vereinigt waren.

Nach Abzug der Reserven, welche an der Weichsel, Oder und Elbe echelloniert waren, hatte Napoleon, am Niemen angelangt, 370.000 Mann zur Verfügung, welche nebst der Garde, in dreizehn Armee-Corps geteilt waren.

Andererseits berechneten sich die disponiblen Kräfte Russlands, wie sie in erster Linie aufgestellt waren, auf 360.000 Mann, indem die erste Armee unter Barklay de Tolly mit 160.000 — die Besatzungen der Festungen der Grenze 40.000, — die zweite Armee unter Bagration 50.000 mit Zurechnung der Schwärme unregelmäßiger Kosaken und der sogenannten Reserve-Armee unter Tormassow, die obige Summe ergeben.

Welche Masse von Lebensmitteln verlangen täglich siebenmalhunderttausendMann und etwa hundertfünfzigtausend Pferde, welche auf einer, im Verhältnis nicht tiefen Landstrecke, wenn auch viele Meilen lang, zusammengedrängt sind ? Wie war die Beischaffung derselben bei den damaligen Verkehrsmitteln überhaupt möglich? Solche Fragen drängen sich beim Anblicke der Kriegsschauplätze von 1812 wohl auf, aber sie bleiben die Antwort darauf schuldig!

Nachdem wir voraussichtlich auf mehrere Stunden durch die Außenwelt und verlockende Blicke auf die Umgegend nicht abgezogen werden, uns auch das Glück des Schlafes im Wagen versagt ist, haben wir Zeit, dem Inneren unseres Coupe's etwas Aufmerksamkeit zu schenken.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen im westlichen Russland