Dritte Fortsetzung

Als eine der vollendetsten Imitationen Versailles zeigt sich das kaiserliche Lustschloss Peterhof.

An Ausdehnung des eigentlichen Hauptgebäudes wird es nach unserer Erinnerung allerdings das Schloss von Versailles nicht erreichen, obgleich der ursprüngliche Bau Peters des Großen durch Kaiserin Elisabeth erweitert und unter Katharina II. abermals vergrößert worden. In einer Beziehung jedoch steht es zweifelsohne über der Schöpfung Ludwigs des Vierzehnten, indem durch seine erhöhte Lage am Strande des Meeres die Anwendung kräftiger Terrassierungen im vollsten Maße gestattet wurde, und der unvergleichliche Blick auf die zu seinen Füssen liegende offene See ihm einen Vorzug einräumt, welcher von wenig andern ihm streitig gemacht werden kann.


Wir hatten einen Sonntag-Nachmittag gewählt, an welchem alle Wasser springen. Indem wir Umgang nehmen von den einzelnen Fontainen, Nymphen, Tritonen und Delphinen, welche da und dort an schon anderwärts Gesehenes erinnern, halten wir uns nur eine kurze Zeit an der großen Schlossterrasse auf, wo, — sobald die sämtlichen Objekte einmal in voller Tätigkeit sind, — sich ein Bild, welches nicht wohl mehr übertroffen werden kann, entfaltet.

Eine mächtige, rauschende Kaskade fällt über sechs breite, vergoldete Stufen in ein weites Bassin, in dessen Mitte ein aus vergoldetem Erze gefertigter Simson steht, dem Löwen den Kinnbacken aufreißend, aus dessen Rachen ein reicher Wasserstrahl hoch emporsteigt. Vergoldete Statuen stehen auf den Absätzen der herabführenden, mehrmals gebrochenen Treppen, die reichsten Boskets in Teppichmanier füllen die Zwischenräume aus, so dass im Gesamteindrucke der herabstürzende goldene Strom mit dem Diamantregen der zurückfallenden vertikalen Wassersäule einen feenhaften Anblick bildet. Der dunkelgrüne Hintergrund des üppigsten Baumwuchses (Peterhof hat viele Eichen und Linden, welche Peter der Große eigenhändig gepflanzt) lässt die Anwendung des Goldschmuckes auf einzelne Figuren erst recht ins Licht treten. Jedenfalls ist diese letztere neu, und eine bis jetzt unsers Wissens nirgends wiederholte Verfeinerung höherer Gartenkunst.

Peterhof ist berühmt durch die glänzenden Feste, welche der kaiserliche Hof hier zu geben pflegt. Der rückwärts weit in das Hügelland der sogenannten Duderhofschen Berge hineinreichende Park ist eine unregelmäßige Anlage (nur die Meerseite ist im artfranzösischen Style gehalten), welche erstere im Wagen zu durchfahren, wir fast zwei Stunden brauchten. Verschiedene kleine Schlösser sind darin zwischen Seen. Wiesen und dunkeln Waldkomplexen zerstreut. An der Kaiserin-Insel warten zwei elegante Fährmänner, welche mittelst einer sehr einfach konstruierten fliegenden Brücke uns über den Teich spedieren. wo ein kleines Lustschlösschen, mit reizenden Boudoirs und Kabinetten, sich öffnet.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen im westlichen Russland