Abschnitt 1

Rheinsberg


Rheinsberg


2. Die Rheinsberger Kirche


Wir hatten bald guten Grund, uns bei dem Mittagsschlafe des alten Kastellans zu bedanken, denn sehr wahrscheinlich, daß wir ohne denselben an der Rheinsberger Kirche vorübergegangen wären. Und doch ist es ein alter und in mehr als einer Beziehung interessanter Bau. Die erste Anlage desselben datiert weit zurück, und erst 1568 war es, daß er durch Achim von Bredow um zwei Drittel vergrößert wurde. Man kann den Anbau noch jetzt von dem älteren Teile deutlich unterscheiden.

Diese Kirche ist der einzige Punkt in Rheinsberg, wo man auf Schritt und Tritt den Bildern zweier völlig entgegengesetzter Epochen, der Bredow- und der Prinz-Heinrich-Zeit, begegnet und diesen Gegensatz als solchen empfindet. In Schloß und Park stören die französischen Inschriften nicht, wohl aber hier in der Kirche, darin deutsche Kunst und deutsche Sprache längst vorher Hausrecht geübt hatten.

Wir treten durch einen Vorbau von der Seite her ein. Gleich dieser Vorbau, der sein spärliches Licht nur mittelst der offenstehenden Tür empfängt, zeichnet sich durch den angedeuteten Gegensatz aus. Zur Linken, fast ein Viertel des ganzen Raumes einnehmend, erhebt sich hier ein grau getünchtes Monument, das genau die Form eines aus Backstein aufgemauerten Kachelofens hat. Es ist dies das Grabmal, das Prinz Heinrich dem Andenken seines Violinisten Ludwig Christoph Pitschner, geboren 5. März 1743, gestorben 3. Dezember 1765, errichten ließ, und trägt folgende Inschrift:

Un prince, ami des arts, secondant mon génie –
Déjà l'école d'Italie
A l'Allemagne mon berceau
Promet un Amphion nouveau:
Mais comme j'avançois dans ma carrière illustre
J'ai vu de mes beaux jours s'éteindre le flambeau
Sans passer le milieu de mon cinquième lustre;
Muses! pleurez sur mon tombeau.

Also etwa in freier Übersetzung:

Gepflegt, getragen durch fürstliche Gunst,
Versprach ich, ausübend italische Kunst,
Meiner Heimat zwischen Rhin und Rhein
Demnächst ein neuer Amphion zu sein.
Doch während ich leuchtend wuchs und stieg,
Stieg die Sonne meines Lebens herab.
Dem Tode gehört der letzte Sieg,
Und die Muse weint an meinem Grab.

So reimte man damals in Rheinsberg. Dem Pitschnerschen Monument gegenüber aber stehen an der Wand entlang sechs aufgerichtete Grabsteine der Bredowschen Familie, drei Männlein und drei Fräulein, die bis vor kurzem im Schiff der Kirche lagen, und blicken ernst verwundert zu dem Kachelofen hinüber, an dem sie mit Mühe den Namen Pitschner entziffern. Zum Glück verstehen sie nicht Französisch, sie würden sonst noch ernsthafter dreinschauen.

Wir treten nun in die freundliche, vor kurzem erst restaurierte Kirche. Die Hauptsehenswürdigkeit derselben ist das große, kunstvoll gearbeitete Grabmonument Achims von Bredow, desselben Achim von Bredow, der im Jahre 1568 die Kirche erneute und erweiterte. Es ist ein Denkmal von ganz ungewöhnlichen Dimensionen, das bei wenigstens zehn Fuß Breite gewiß die doppelte Höhe hat. Es beginnt über der Holzeinfassung des Chorstuhls, reicht bis fast an die Decke hinauf und besteht aus vier klar gegliederten Teilen. Oben das Bredowsche Wappen, zu beiden Seiten von allegorischen Figuren eingefaßt; darunter zwei Basreliefs, von denen das eine, nach links hin, die Auswerfung des Jonas aus dem Walfischbauche, das andere, nach rechts hin, die Auferstehung Christi darstellt; darunter in Lebensgröße die Figuren Achim von Bredows und seiner Gemahlin, einer gebornen Anna von Arnim; und endlich viertens unter diesen beiden Bildnissen folgende Inschrift:

O frommer Christ, urteile mild,
Der du anschauest dieses Bild.
Fragst du, wer ich sei im Grab?
Gewesen bin ich und itzt ab;
Verfolgung, Sorge, Kreuz ohn' Zahl,
Die mir begegnet überall,
Ich ritterlich obwunden hab
Und ruhe nun in meinem Grab.
Auch mit Geduld der Welt Bosheit
Hab ich ertragen allezeit
Nach Gottes Willen, welcher ist
Der allerbest zu jeder Frist –
Gelobet seist du, Jesu Christ.

Welch einfach schöne Worte. Die ganze Kernigkeit jener großen Zeit tritt einem daraus entgegen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 1. Teil