Friedrich Wilhelm III. und andere königliche Hohenzollern

Die Särge seiner Ahnen
Standen die Hall' entlang.
Es stand an kühler Stätte
Ein Sarg noch ungefüllt,
Den nahm er zum Ruhebette,
Zum Pfühle nahm er den Schild.
Uhland

Friedrich Wilhelm III., wenn er im Auslande reiste, liebte es, unter dem Namen eines »Grafen von Ruppin« sein Inkognito zu wahren. Auch andere königliche Hohenzollern haben ein Gleiches getan, Friedrich der Große zum Beispiel, als er kurz nach seiner Thronbesteigung eine Reise nach Bayreuth und in die westfälischen Landesteile machte. Diese Tatsache mag es rechtfertigen, wenn wir uns auch heute noch, wo der Letzte jenes alten Grafengeschlechtes längst zu seinen Vätern versammelt wurde, die Frage vorlegen: Wer waren die Grafen von Ruppin?


Mit den erobernden Anhaltinern kamen auch die thüringisch-mansfeldischen Grafen von Arnstein in die Marken und wurden früher oder später mit Lindow 1) und Ruppin belehnt. Bis ins dreizehnte Jahrhundert hinein nannten sich die so neubelehnten Grafen immer nur bei ihrem alten Geschlechtsnamen: Grafen von Arnstein, und nahmen später erst den Titel der »Grafen zu Lindow« an. Grafen zu Ruppin wurden sie jederzeit nur irrtümlich und ausnahmsweise genannt, da das Ruppiner Land eine Herrschaft und keine Grafschaft war. Wir aber, ohne historisch-genealogische Skrupel, folgen der später allgemein gewordenen Sitte und sprechen in nachstehendem von den »Grafen zu Ruppin«.

Die Grafen zu Ruppin waren die mächtigsten Vasallen der brandenburgischen Markgrafen und auch die treusten wohl. In einem Zeitraume von drei Jahrhunderten schwankten sie nur einmal, und zwar in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts, als die Verwirrungen der bayrisch-luxemburgischen Periode durch das Auftreten des Falschen Waldemar ihren Gipfelpunkt erreicht hatten.

Die Ruppiner Grafen waren anders wie andere im Lande. War es nun der Umstand, daß sie, als mächtigste Lehnsträger, ebensooft fast neben den Markgrafen als unter ihnen standen, oder waren es in Kraft erhaltene Traditionen aus dem alten Kulturlande Thüringen her, gleichviel, ihr Auftreten hatte wenig gemein mit der Haltung des halb rauflustigen, halb bäurischen Landadels um sie her, und die Künste des Friedens standen ihnen höher als jenes Waffenhandwerk, das sich selber Zweck ist oder gar einem fremden Interesse dient.

»Streitbare Grafen«, comites bellicosissimi, werden sie zwar gelegentlich in alten Urkunden genannt, und die Geschichte, wie nicht verschwiegen werden soll, erzählt sogar von einzelnen, die südlich im Mailändischen und nördlich auf der Heide von Schleswig als Krieger geglänzt, aber das Glück war ihnen selten hold und schien sie durch Nichterfolge belehren zu wollen, daß ihr Schlachtfeld ein anderes sei. Sie waren mit am Kremmer Damm (1331) und wurden geschlagen, sie zogen in ihren vielfachen Fehden mit den Pommerherzögen regelmäßig den kürzeren, und Graf Otto – der tapferste, der bei Falköping an der Seite des Schwedenkönigs Albrecht gegen die »schwarze Margarete« stritt – teilte das Schicksal seines königlichen Freundes und wurde mit ihm geschlagen und gefangen. Und wie die Schicksale des Hauses, so schien auch die Natur selber die Ruppiner Grafen auf ein anderes Feld als das des Krieges verweisen zu wollen, denn während es von den Grafen zu Pappenheim heißt, daß sich auf ihrer Stirn zwei blutrote Schwerter gekreuzt hätten, erzählt der Chronist von den Ruppiner Grafen nur, »daß sie mit einem Loch im Ohrläppchen geboren worden seien«. Welch entschiedener Hinweis auf das zartere Geschlecht!

Sie waren nicht comites bellicosissimi, aber sie waren sicherlich, wie sie in anderen Urkunden genannt werden, viri nobiles et generosi. Feine Sitte und wahre Frömmigkeit zeichneten sie aus; sie standen fest zur Kirche, und »Mitleid und Guttätigkeit« waren erbliche Züge. Graf Ulrichs Sprüchwort hieß:

Hew ick Geld, so mütt ick gewen,
Andre Stände mütten ock lewen;

und als vorher oder nachher ein anderer Graf Ulrich hinausgetragen wurde, sang man im ganzen Lande Ruppin:

Ulrich, det was en gode Herr;
Schade, dat he lewt nich mehr.

Aber die Ruppiner Grafen begnügten sich nicht mit »Frömmigkeit und Guttätigkeit«, sondern verfügten auch über apartere Züge. Graf Waldemar war ein passionierter Tourist, wenn man ein so modernes Wort will gelten lassen, und Graf Burchard, ein Freund des dichterischen Markgrafen Otto mit dem Pfeil, dichtete selbst und turnierte mit Versen so gut wie mit Lanzen. Das war damals nicht Landesbrauch in den Marken, und nur die Grafen von Ruppin, in deren Adern noch thüringisches Blut floß, konnten derlei Dinge wagen. Spärliche Zeilen aus Burchards Dichtertum sind auf uns gekommen, Worte, die er an Elisabeth, sein »geliebt Gemahl«, gerichtet hat. Sie lauten:

Fulget Elisabeth et floret inter uxores,
Quas Rupina fovet clarissimas inter sorores,
Haec mea lux, mea spes per omnes inter nitores.

Also etwa:

Es leuchtet Elisabeth unter den Frauen,
Wie Ruppin unter seinen Schwestern zu schauen,
Mein Trost, meine Hoffnung, um drauf zu bauen.

Die Ruppiner Grafen waren von ihrem ersten Auftreten an Männer von Welt, von Wissen, von Voraussicht und Klugheit, und da sich derartige Elemente, wie durchaus wiederholt werden muß, in damaliger Zeit hierlandes schwer betreffen ließen, so war ihre vorzüglichste Wirksamkeit in aller Bestimmtheit vorgezeichnet: es waren ritterliche Herren, aber vor allem Hofleute, Diplomaten. Sie kannten und übten die schwere Kunst der Nachgiebigkeit und wußten zwischen Festigkeit und Eigensinn zu unterscheiden. Daher begegnen wir ihnen oft auf den Reichstagen in Kostnitz und Worms, als Begleiter und Berater ihrer markgräflichen Herren, und wo es einen Streit zu schlichten gab, da waren die Ruppiner Grafen die Vertrauensmänner beider Parteien, und das Schiedsrichteramt lag, wie erblich, in ihren Händen.




1) Dies Lindow ist nicht das märkische Städtchen gleichen Namens, zwei Meilen östlich von Ruppin, dessen Klosterruinen bis diesen Tag höchst malerisch zwischen dem Wutz- und dem Gudelack-See liegen, sondern die Grafschaft Lindow in der Nähe von Zerbst.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 1. Teil