Die Grafschaft Ruppin von 1630 bis 1638

Auf dem Plateau


Gottberg


Im August des Jahres 1630 trafen die Schweden mit 2000 Mann Kavallerie und einem ansehnlichen Corps Infanterie in der Grafschaft ein und besetzten Neuruppin. Im Dezember erschienen zwar die zum Kaiser haltenden Brandenburger vor der Stadt, waren aber viel zu ohnmächtig, um den Schweden den Besitz derselben streitig machen zu können. Endlich rückten die letzteren freiwillig ab.

Kaum hatten die Schweden sich entfernt, als Tilly im Februar 1631 mit einer Armee aus dem Magdeburgischen eintraf. In jeder Stadt unserer Grafschaft, wo Tilly lag, erhielt der Capitain monatlich 54 Taler, der Lieutenant 20, der Fahnenjunker 16 Taler, damals sehr große Summen. In demselben Jahre brach auch die Pest aus. In Neuruppin starben 1600, in Lindow 400 Menschen. Jeremias Ludwig, nachheriger Prediger zu Banzendorf, war damals auf der Ruppiner Schule und hat im genannten Jahre 800 an der Pest Gestorbene öffentlich zu Grabe gesungen. 1632 war das Land so unsicher, daß die Ruppiner, als sie ihren neuen Rektor von Pritzwalk abholen ließen, zuvor um eine Sauvegarde von kurfürstlichen Reutern baten.

1634 kam das kursächsische Kavallerieregiment des Obristlieutenants von Rochow, auf kurfürstlichen Befehl, nach Ruppin in Garnison; im Dezember 1635 aber rückte Feldmarschall Banér mit seinen Schweden in Stadt und Grafschaft ein, nachdem er die Sachsen und Kaiserlichen bei Dömitz geschlagen hatte. Zwei Generalstäbe, die hohen Offiziers der ganzen Armee, das Zabeltitzsche Infanterieregiment und vier Brigaden zu Fuß, jede Brigade zwei Compagnien stark, erhielten ihre Quartiere in Neuruppin. Die Not war bei dem zügellosen Verhalten der Soldaten so groß, daß es zuletzt an allem fehlte. Sogar Abendmahlswein war nicht mehr in Ruppin zu haben. Man mußte einen Boten deshalb nach Wittstock schicken; aber geplündert kam er zurück.

Im September folgenden Jahres (1636) erschien der kaiserliche Generalfeldzeugmeister Marazin im Ruppinschen und behandelte die Stadt ziemlich milde. Nach ihm kamen die Sachsen unter Generalmajor von Wolframsdorf und »raubten und plünderten wie gewöhnlich«. Den Sachsen folgte der kaiserliche General Graf Hans von Götz.

Dann kam wieder ein Pestjahr. Im Juli und August 1638 griff sie am weitesten um sich. Ganze Familien, ganze Straßen, ganze Dörfer starben weg. In dem bereits entvölkerten Ruppin, das vielleicht kein Drittel seiner Einwohner mehr hatte, wurden abermals 600 Menschen begraben. Sehr viele wanderten aus. Die Zurückgebliebenen rissen die ledig stehenden Häuser ein, um Holz zu erhalten. Alles verwilderte. In Gransee starben 551 Menschen, nach der Angabe des Totengräbers aber wenigstens 1000, da viele heimlich eingescharrt wurden. Die Adligen und die Prediger flüchteten nach den Städten und fanden auch dort ihren Tod.

So war die Lage des Landes beschaffen, als der kaiserliche General Graf Gallas mit seiner 60 000 Mann starken Armee von Malchin, aus dem Mecklenburgischen, heranrückte, um die Schweden von der Elbe und Havel zu vertreiben. Plünderung, Brand und Mord bezeichneten jeden seiner Schritte. Nun wetteiferten Pest und unmenschliche Barbarei, das Land Ruppin in eine der ödesten Wüsteneien umzuwandeln. 1) Alles floh nach Ruppin und Wusterhausen, wohin sich Gallas wegen der noch nicht ganz gedämpften Pest nicht getraute, und haufenweise starben die unglücklichen Schlachtopfer vor den Städten an der Mauer. Am 5. Oktober rückte er endlich in die Stadt Ruppin ein und erpreßte von den armen Bewohnern, was die verödeten und rauchenden Hütten der Landleute nicht mehr leisten konnten. Arme Leute mußten Eichelbrot essen, und Kaspar von Zieten erzählt, daß man sich auf dem Markte in Neuruppin um eine tote Katze gezankt habe. Bei ihrem Abzuge setzten die Kaiserlichen unter Gallas ihren Schandtaten die Krone auf: sie verließen Ruppin und steckten an einem Tage das Städtchen Wildberg und achtundzwanzig Dörfer in Brand.




1) Prediger Schinkel zu Barsikow, der den »Dreißigjährigen Krieg«, soweit er die Grafschaft berührte, zum Gegenstand eingehender Studien gemacht hat, schreibt über das Elend jener Tage sehr richtig: »Die Verwüstungen waren nicht so sehr eine Folge der blutigen Schlachten, die geschlagen wurden, als vielmehr das Resultat einerseits der Pest, andrerseits der Armeeverpflegungsweise, die Wallenstein eingeführt hatte. Von diesem rührte bekanntlich der Grundsatz her, daß der Krieg den Krieg ernähren müsse. Wallenstein selbst war klug genug, um in Anwendung dieses Satzes nicht weiter zu gehn als nötig; er trug vielmehr Sorge, daß der Baum nicht abgehauen würde, von dessen Früchten seine Heere leben sollten; nur das Notwendige wurde genommen. So wenigstens war sein Wille. War es aber schon ihm schwer, diesen Willen durchzusetzen, so scheiterten seine Nachfolger vollends damit, Personen, die zum Teil zuwenig einsichtig waren, um auch nur diesen Willen ernstlich hegen zu können. Wo ein Heer sich lagerte, fiel es nieder wie ein Heuschreckenschwarm, und ob Freund oder Feind, war gleichgültig.«

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 1. Teil