Abschnitt 3

Auf dem Plateau


Gentzrode


2. Vom Tode des alten Johann Christian Gentz (1867) bis zum Bau des Gentzroder Herrenhauses 1877


Alexander Gentz


Soviel über die Waldkulturen, denen unausgesetzt ein großes Interesse gewidmet blieb. Indessen, so groß dasselbe war, so stellte sich doch in einer Art Gegensatz zu dem ursprünglichen Plan mehr und mehr heraus, daß, um das Ganze prosperieren zu lassen, auch das Landwirtschaftliche betont und mit Hülfe eines durch die Brennereiabgänge großzuziehenden Viehstandes der Acker verbessert werden müsse. Dies durchzuführen, war es nötig, immer neue Menschen heranzuziehen, die, nachdem sie mal da waren, auch untergebracht werden mußten. Und so entstand in kürzester Frist eine ganze Straße von Arbeiterwohnungen: einundzwanzig Familienhäuser, jedes einzelne zu vier Familien.

Es konnte nicht ausbleiben, daß bei diesem beständigen Wachsen von Gentzrode das Interesse der Familie ganz in dieser Lieblingsschöpfung aufging und schließlich dahin führte, wenigstens den Aufenthalt in Sommertagen »draußen« zur Hauptsache, den drinnen in der Stadt zur Nebensache zu machen. Es war dies eine sehr glückliche Zeit, die zuletzt allseitig den Wunsch entstehen ließ, Gentzrode nicht bloß als Villeggiatur der Familie, sondern als Wohnsitz überhaupt anzusehen. Dazu war aber ein Hausbau ganz unerläßlich.

Alexander Gentz selbst hat sehr anschaulich über diesen Zeitabschnitt, und wie sich schließlich die Notwendigkeit eines Wohnhauses herausstellte, berichtet:

»Durch eine Reihe von Jahren hin«, so schreibt er, »hatten wir uns mit der Stube des Inspektors begnügt und darin ein gelegentlich mehr als gemütliches Dasein geführt. Versuchte beispielsweise der Inspektor mit seiner schreienden Stimme Wirtschaftsangelegenheiten zu behandeln, so war gewiß auch ein Torfmeister da, der mit seinen Berichten aus dem Luch dazwischenfuhr. Und damit nicht genug. Das Mädchen kam klappernd mit den Tassen in die Stube, während meine Frau den Kaffeetisch arrangierte. Mäntel und Fußsäcke hingen zwischen Jagdgewehren und Tabakspfeifen, und die Wirtschaftsmamsell kam mit einem Häckselkasten, darin eben gelegte Eier lagen, oder mit ein paar Stücken Butter, die mit nach Ruppin wandern sollten. Und nun setzten wir uns an den Kaffeetisch, an dem alles herrschte, nur nicht Ruhe, denn entweder kamen Tagelöhner und Arbeiter, um die Schlüssel vom Schlüsselbrett zu holen, oder ein Polier oder Zimmergeselle trat ein, um Nägel zu fordern oder irgendwas andres. Alles so primitiv wie möglich. Soviel Tassen, soviel Größen und Muster, und kamen dann mehrere von unsren Beamten und Angestellten und setzten sich mit an denselben Tisch, so wurde der Aufgußkaffee immer dünner, und der Kümmel, den wir in der Brennerei leidlich zu mischen verstanden, mußte aushelfen. Aber demungeachtet waren dies glückliche Stunden, und wenn Fremde mit uns herausgekommen waren, so wählten wir draußen einen Platz im Freien und nahmen abends unsre saure Milch unter einem Holunderbaum an windgeschützter Stelle. Die Kinder waren glücklich, und der Hang, dies Idyll zu ändern und mit einem prächtigen Bau zu vertauschen, war, vielleicht grade weil wir Gentzrode so liebten, anfänglich höchst gering. Nach und nach stellte sich aber doch, und zwar nach aller Meinung, die Notwendigkeit heraus, diesen primitiven Zuständen ein Ende zu machen, und als ich in die Lage kam, einen großen, an der Landstraße sich hinziehenden Speicher bauen zu müssen, entschloß ich mich, diesem Speicher einen turmartigen Anbau zu geben, teils um das Straßenbild zu verbessern, teils um endlich einige präsentable Wohnräume zu gewinnen. Und nach diesem Entschlusse wurde denn auch verfahren. Der turmartige Anbau, mit einem mächtigen Turmknopf oben, empfing ein großes Zimmer im Erdgeschoß und ein ebenso großes im ersten Stock, woran sich dann, im zweiten Stock, einige kleinere Räume: Schlaf- und Logierzimmer, anschlossen.«

So berichtet A. Gentz über die Verhältnisse, die diesen turmartigen Speicheranbau mit einem Goldknopf darauf entstehen ließen. Uns erübrigt nur noch, die Räume selbst zu schildern, von denen das Turmzimmer im Erdgeschoß, soviel ich weiß, bis diesen Tag unverändert geblieben ist.

Dies untere Turmzimmer kann als ein in seiner Art interessanter Raum gelten. Man hat hier alles in Bild und Schrift beisammen, die Personen und die Gedanken, die Gentzrode seinerzeit entstehen ließen. Es ist eine dunkelgrüne runde Halle, oben mit goldnen Sternen bemalt. Als Wandbilder (von Wilhelm Gentz herrührend) erst der alte Johann Christian, dann Alexander Gentz, dann der erste Torfmeister, der erste Förster, der erste Brenner, der erste Inspektor. Dazu Versinschriften. Zwischen den beiden Gentz, Vater und Sohn, stehn folgende Reime:

Wer Großes schafft, muß viele Plagen
Mit zähem Mute fest ertragen.
Auch dem, der hier den wüsten Sand
Der Kahlenberg' in urbar Land
Verwandelt hat mit Müh und Fleiß,
Ihm machte man sein Streben heiß.
Philisterrede, Spott und Hohn
War anfangs seiner Mühe Lohn,
Alsdann des Waldbrands grimme Not
Hat Untergang ihm fast gedroht.
Doch hat er all die Müh' und Plagen
Mit zähem Mute fest ertragen.
Er dacht: wem Großes soll gedeihn,
Darf keine Müh und Arbeit scheun,
Muß rüstig brauchen Kopf und Hände,
Dann führt er's doch zum guten Ende.

Dieser längeren Reiminschrift gegenüber stehen folgende kurze Sprüche:

Was verkürzt die Zeit? Tätigkeit.

Was bringt in Schulden? Harren und Dulden.

Was macht gewinnen? Nicht lange besinnen.

Was bringt zu Ehren? Sich wehren.





2) »Daß ich«, so schreibt A. Gentz an anderer Stelle, »den Versuch mit diesen holländischen Eichen machen konnte, verdanke ich dem Grafen von Königsmarck auf Netzeband und Plaue, vordem preußischem Gesandten im Haag. Als ich ihn auf seinem Schloß Plaue besuchte, zeigte er mir auf schlechtem Boden Eichenanpflanzungen, die mit vortrefflichem Erfolge gemacht waren, und ich erfuhr nun, daß es aus Holland bezogene Pflänzlinge seien. Mit großer Liebenswürdigkeit übernahm er es, mir dergleichen in Holland zu bestellen, sogar die Zahlung dafür zu leisten, so daß ich die bald danach eintreffenden Pflänzlinge nur vom Neustädter Bahnhof abzuholen hatte, und zwar in drei Transporten, erst 20 000, dann 40 000, dann 50 000 Stück. Alles gedieh vortrefflich.«

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 1. Teil