Die Peter-Pauls-Kirche

An Rhin und Dosse


Wusterhausen a. D.


Die Kirche Sankt Petri und Pauli ist ein gotischer Bau aus dem Jahre 1474; so dürfen wir aus einer Zahlenangabe schließen, die sich, links über dem Altar, an der Decke des hohen Chores befindet. Sehr wahrscheinlich, daß lange vor 1474 ein romanischer oder frühgotischer Bau an ebendieser Stelle stand. Wie die Kirche gegenwärtig sich präsentiert, überrascht sie – nach Art aller ähnlichen Bauten, die wir in kleinen märkischen Städten finden – durch ihre vergleichsweise Bedeutung. Es geziemt sich, der Phrase vom »finsteren Mittelalter« gegenüber, dies immer wieder hervorzuheben. Während wir jetzt beispielsweise Berliner Gemeinden von 40 000 Seelen haben, die's nur mühevoll zu einer Kapelle bringen, schufen damals allerkleinste Städte Kirchen wie diese, Kirchen, die uns auch heute noch, aller Verstümmelungen und Beraubungen unerachtet durch ein gewisses Maß von Schönheit und Reichtum imponieren. Kirchen bauen und Kirchen schmücken lag eben in der Zeit, und auch unsre Peter-Pauls-Kirche zu Wusterhausen durfte Nutzen aus der allgemeinen Stimmung ziehen. Freilich, wie schon angedeutet, sind nur Reste früheren Glanzes auf uns gekommen. Statt an zwölf Altären (von denen noch die Namen existieren) wird nur noch an einem gebetet, die Holzskulpturen sind zerstört, die Grabsteine zu Türschwellen geworden; der hohe Turm ist niedergebrannt und eine einfache Ziegelkappe wächst nur wenig über das Kirchendach hinaus. Aber wie kümmerlich diese Rudera sein mögen, sie sind ausreichend, uns erkennen oder ahnen zu lassen, was hier einstens war.

Die Holzskulpturen. An jeder Seite des hohen Chors befinden sich acht eichenholzgeschnitzte Chorstühle, die früher, ganz ersichtlich, ebenso viele kleine Baldachine getragen haben müssen oder aber schmale, dicht aneinandergefügte Holzfelder, deren Gesamtheit einen gotischen Schirm herstellte. Dieser gotische Schirm fehlt jetzt bis auf vier Seitenfelder, die hüben und drüben die Reihe der Chorstühle flankieren, und zwar derart, daß der jedesmal zuoberst und zuunterst Sitzende seinen Kopf seitwärts an ein solches Holzfeld anlehnen kann. Alle vier Holzfelder sind gotisch umrahmt und zeigen in ihrer Mitte bemalte Relieffiguren: 1. eine Maria mit dem Christkinde, 2. einen Bischof, 3. einen Abt und 4. einen Mönch. Ob die Bezeichnung unter 2 und 3 richtig ist, stehe dahin. Der »Bischof«, oder der, den ich dafür halte, trägt ein purpurfarbenes, mit Edelsteinen besetztes Gewand; der »Abt« den Schlüssel. Die Figur des Letztern ist die weitaus beste und erscheint mir nicht ganz ohne Kunstwert. Abt und Mönch interessieren auch dadurch, daß beide große, mit Buchklammern versehene und in ein eigentümliches Futteral gesteckte Meßbücher tragen. Die Lederbekleidung dieses Futterals hört nämlich nach oben zu mit dem Bucheinbande nicht auf, sondern wächst noch einen Fuß hoch über die festen Deckel hinaus. Dadurch ist Gelegenheit gegeben, das schwere, ziemlich unhandliche Meßbuch bequem zu tragen, indem man es reisetaschenartig an diesem Lederüberschuß festhält. Ich habe geglaubt, dies so ausführlich beschreiben zu sollen, weil ich weder hierzulande noch sonstwo einer derartigen Einbandform, die Futteral und Tragbeutel zugleich ist, begegnet bin.

Bilder. Die Wusterhausener Kirche weist auch viele Bilder auf. Einundzwanzig davon bedecken die quadratischen Felder der Empore, die sich an der Nordseite der Kirche hinzieht, und stellen, nach Art der »Stationen«, aber über diese hinausgehend, die Leidensgeschichte Christi dar, vom Abendmahl und dem Gebet am Ölberge bis zur Himmelfahrt und dem Jüngsten Gericht. Diese einundzwanzig Bilder, wenn ich recht gesehen habe, rühren nicht von derselben Hand her, obschon sie derselben Zeit zu entstammen scheinen. Das Jahr 1575, wie aus verschiedenen Inschriften hervorgeht, ist ein großes Restaurationsjahr für die wusterhausensche Kirche gewesen, und in ebendiese Zeit möcht ich auch diese Bilder setzen. Lucas Cranachsche Schule, der wir ja überall in den Marken begegnen. Einige, namentlich die sechs oder acht Blätter, die die eigentliche Leidensgeschichte darstellen, sind außerordentlich gut konserviert, frisch im Kolorit und nicht ganz ohne Wert. – Dagegen sind die dem siebzehnten Jahrhundert entstammenden Pastorenportraits in der Taufkapelle völlig bedeutungslos. 1)
Zwei alte Kelche und eine noch viel ältere Patene befinden sich in der Sakristei. Die beiden Kelche sind aus der Renaissancezeit; der größere, minder schöne trägt die Jahreszahl 1609, der etwas kleinere gehört wahrscheinlich dem schon oben genannten Restaurationsjahre 1575 an. Dieser kleinere Kelch, in der damals üblichen Form, ist sehr schön und mit Medaillonportraits reich geschmückt. Die Patene, noch aus der gotischen Zeit, geht mindestens bis auf das Erbauungsjahr der Kirche, 1474, zurück. Christus, von zwei Engeln umschwebt thront als Weltrichter; zur Rechten seines Hauptes ein Kreuz, links ein Schwert; vor dem Munde des Heilands aber berühren sie sich, und zwar so, daß die Spitze des Schwertes die Verlängerung des Kreuzes trifft.




1) Das Altarblatt der Wusterhausener Kirche ist ein Bild aus verhältnismäßig neuerer Zeit (etwa 1770) und rührt von Bernhard Rode her, den man in so vielen unserer märkischen Kirchen, namentlich in der Berliner Marien- und noch besser in der Garnisonkirche, studieren kann. Dies große Wusterhausener Blatt stellt die Begegnung Christi mit Thomas dar, der, nachdem er seine Finger in die Nägelmale gelegt, in die Worte ausbricht: »Mein Herr und mein Gott.« – Bernhard Rode war ein sogenannter Schnellmacher, und die Mängel aller seiner Arbeiten sind evident; in einem aber grenzt er an die wirklichen Meister: er besaß eine völlig selbständige Vortragsweise, so charakteristisch, daß es selbst dem Laien leicht wird, seine Bilder auf zwanzig Schritt als Rodesche Bilder zu erkennen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 1. Teil