Abschnitt 2

An Rhin und Dosse


Neustadt a. D.


Eberhard von Danckelmann


1695 zum Premierminister und Oberpräsidenten ernannt stand er auf seiner Höhe. Mehr und mehr jedoch begann sein Leben jener Schilderung zu gleichen, die von Besser, in seinem mehrerwähnten Lobgedicht, schon das Jahr zuvor davon entworfen hatte:

Es liegt die ganze Last und aller Ämter Bürde
Nach deinem Herrn auf dir, der dich damit beschwert;
Man neide nicht zu sehr die dir vertraute Würde,
Du bist, wer es bedenkt, mehr des Bedauerns wert.

Ihn selbst begleitete dies Gefühl beständig. Allezeit bemüht, durch Zurückweisung erneuter Ehren, sich dem Haß der Höflinge zu entziehen, geschah schließlich doch, was ihm eine Vorahnung von Anfang an gesagt hatte: Neid und Intrigue gewannen die Oberhand. Dem drohenden Sturze wenigstens nach Möglichkeit auszuweichen, bat er selbst um seinen Abschied, der ihm auch unterm 22. November 1697 gegeben wurde.

Er zog sich nach Neustadt a. D., zu dessen Amtshauptmann er 1694 oder nach anderen Angaben erst 1696 ernannt worden war, zurück, woselbst er nunmehr Tage der Ruhe zu finden hoffte. Die Bosheit seiner Feinde jedoch war nicht erschöpft. In Sorge, daß er aus seiner selbstgewählten Verbannung jeden Augenblick wieder in ihrer Mitte erscheinen könne, gab man ihm schuld, mit fremden Potentaten eine nicht zulässige Korrespondenz geführt zu haben, und auf diese Beschuldigung hin ward er am 10. Dezember 1697 in Neustadt festgenommen. Die später gegen ihn ausgearbeitete Prozeßschrift bestand aus 109, nach anderer Angabe sogar aus 290 Anklagepunkten. Man führte den Beklagten von Neustadt nach Spandau, dann zwei Monate später nach Peitz. »Dabei« – so heißt es in unserem mehrzitierten Flugblatte – »blieb es übrigens nicht, man nahm ihm auch alle seine Güter. Endlich, gegen Ausgang des Jahres 1707, als dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm der erste Sohn geboren worden war, ward er in Freiheit gesetzet, mit der Ehre oder vielmehr mit der Schande, unter den Delinquenten, denen die Solennität dieser Geburt (eines Prinzen) die Gefängnisse geöffnet hatte, voranzustehen. Dabei war seine Freiheit so eingeschränket, daß er weniger einem freien Menschen als einem Gefangenen glich, der seine Ketten mit sich schleppet und nicht aus dem Gesicht gelassen wird. Nur in dem kleinen Bezirke von Cottbus durft er sich sehen lassen und spazierengehen.«

So gingen die Dinge bis 1713. Unmittelbar nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms I. wurde Danckelmann freigegeben und durch den König nach Berlin berufen. Dieser benutzte vielfach seinen Rat, gab ihm aber sein Vermögen nicht zurück. Danckelmann starb 1722 im achtzigsten Lebensjahre.

Erscheinung und Charakter Danckelmanns finden wir in der bei Peter Marteau erschienenen Broschüre wie folgt beschrieben: »Danckelmann war von einer großen Taille, etwas korpulent, aber allezeit von gutem Ansehen. Sein Geist hatte den Stempel des Bedeutenden; er war gediegen, zuverlässig, scharfsinnig, mit einem guten Judicio begabt, dabei durch gute Studia sowie durch vieljährige Erfahrung bei Hofe, große Affairen und unermüdlichen Fleiß ausgebildet. Hervorragend wie seine Klugheit war seine Redlichkeit, die ihn jederzeit nur auf das allgemeine Beste und das Interesse seines Herrn bedacht machte. Er trennte das eine nicht von dem andern. Solche allzu aufrichtige Sitten, ein etwas allzu ernsthafter Humeur (er soll nie gelacht haben) und allzu strenge Formen waren nicht bequem, einen guten Hofmann zu machen. Er wollte lieber dem Fürsten Instruktion geben, indem er ihm die Wahrheit sagte, als ihm schmeicheln, indem er ihm die Wahrheit verhehlte; er wollte lieber den Kalumnien seiner Neider sich unterwerfen und dabei seine Schuldigkeit tun, als dem Fürsten gefallen und ihn danach verraten.«

So die P. Marteausche Broschüre. Damit stimmen durchaus die von Besserschen Verse:

Was fordert man von dir? Verlanget man Geblüte?
Du hast ein alt Geblüt; verlanget man Gestalt?
Du hast sie, und noch mehr, du hast auch ein Gemüte,
Das mehr zu schätzen ist als Ansehn und Gewalt.
Verlangt man Wissenschaft? In dir sind alle Künste;
Verlangt man Tugenden? Wer kennt nicht deine Treu,
Wer nicht dein edles Herz, entfernet vom Gewinste,
Wie groß, wie unverzagt, wie standhaft solches sei? 4)

Nach diesem Versuch einer kurzen Charakteristik erübrigt uns nur noch, unter Hinzufügung einiger Züge, zu rekapitulieren, inwieweit Danckelmann in Beziehung zu Neustadt trat.

Es ergibt sich dabei das Folgende:

1694 wurde Neustadt wie weiter oben erzählt seitens des Kurfürsten erworben und Danckelmann zum Amtshauptmann bestellt. Es scheint daß der Ankauf überhaupt nur geschah, um eine neue, einträgliche Stellung für ihn zu kreieren. Wir finden nämlich in der dieser Skizze vorzugsweise zugrunde gelegten Schrift von 1712 die nachstehende Stelle: »Den Ankauf der Grafschaft Spiegelberg, womit der Kurfürst ihn begnadigen wollte, suchte D. zu hintertreiben.«

Da es eine »Grafschaft« Spiegelberg nirgends gibt, so ist hier selbstverständlich jene Neustädter Fabrik- und Spiegelmanufaktur-Vorstadt gemeint, die bis diesen Tag den Namen »Spiegelberg« führt.




4) An solchen Stellen ist das Bessersche Gedicht reich, indem es den biographisch-erzählenden Teil beständig mit Urteilen begleitet die, wenn auch panegyrisch und höfisch, nichtsdestoweniger den Eindruck des Überzeugungsvollen machen. Einige dieser Sentenzen, wie ich nur wiederholen kann, sind nicht ohne Feinheit. So beispielsweise:

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 1. Teil