Abschnitt 1

An Rhin und Dosse


Neustadt a. D.


Eberhard von Danckelmann


            Zu spät, zu spät, liebe Lady mein,
            Es ist nicht mehr, wie sonst es war,
            Meine Feinde gelten bei Hofe jetzt.
                                              Alte Ballade

1694 war Neustadt wieder ein kurfürstliches Amt geworden, und Eberhard von Danckelmann wurde zum Amtshauptmann bestellt.

Ein volles Lebensbild dieses hervorragenden Mannes zu geben kann an dieser Stelle nicht meine Aufgabe sein. Nur eine Skizze.

Christoph Balthasar Eberhard von Danckelmann wurde den 23. November 1643 zu Lingen geboren. Er war der in der Mitte stehende (vierte) von sieben Brüdern, die sich sämtlich im Staatsdienst auszeichneten, weshalb einem etwa um 1690 angefertigten Bildnis des Vaters dieser sieben die lateinische Unterschrift gegeben wurde:

Integra miretur sapientes Graecia septem,
Hie uni videas tot bona rara patri.

Der bekannte Oberzeremonienmeister und Hofpoet von Besser beglückwünschte später (1694) in einem Lob- und Huldigungsgedicht 3) auf Eberhard von Danckelmann ebenfalls den Vater desselben und wußte bei dieser Gelegenheit den Inhalt obigen lateinischen Verses geschickt in seine Dichtung hineinzuverweben.

Dein Vater hatte mehr, als viel verlangen könnten,
Er hatte sieben Söhn' und alle bei dem Staat,
Drei sind Geheime Rät', und drei sind Präsidenten,
Des allerjüngsten Amt ist Kanzler sein und Rat.
Gewiß, wer dieses sieht, kann sicher von ihm preisen,
Was jener von ihm schrieb in kräftigem Latein:
»Das ganze Griechenland hat seine Sieben Weisen,
In seinen Söhnen hat sie Danckelmann allein.«

Soviel, vorgreifend, über das »Siebengestirn«. Wir kehren zu unsrem Eberhard von Danckelmann und unsrer biographischen Skizze zurück.

Von frühauf war er ausgezeichnet. In seinem zwölften Jahre doktorierte er in Utrecht und sprach über das schwierige Thema »De Jure Emphyteusis«, was ein solches Aufsehen in der wissenschaftlichen Welt machte, daß Beglückwünschungsschreiben von andern gelehrten Schulen eintrafen. Später reiste er und machte sich die wichtigsten Sprachen, Französisch, Englisch, Spanisch und Italienisch, zu eigen. Von Besser drückt sich über diese Tatsache, der zunächst (1663) die Ernennung Danckelmanns zum Director studiorum oder Ephorus beim Markgrafen, späteren Kurprinzen Friedrich gefolgt war, in nachstehenden Alexandrinern aus:

Du sahest und durchzogst die witzigsten Provinzen,
Und so, daß dein Verstand das Beste mit sich nahm –
Mit diesem Zubehör kamst du zu deinem Prinzen,
Bevor er aus der Hand des Frauenzimmers kam.

Das »Frauenzimmer« war natürlich die Gouvernante. Danckelmann bewährte sich in seiner Stellung als Prinzenerzieher. Er zeigte nicht nur Wissen, sondern auch besondere Feinheit des Geistes, was von Besser zu der selbst feinen Bemerkung veranlaßte:

Wer Prinzen Lehren gibt, polieret zarte Spiegel,
Drin, wer den Spiegel schleift, sein eigen Bildnis sieht.

1665 erfolgte seine Ernennung zum Titular-, 1669 zum halberstädtischen, 1676 zum kleveschen Geheimen Regierungsrat, Stellungen, die ihn wenigstens zeitweilig vom Berliner Hofe entfernen mußten. Aber nicht auf lange. 1679, inzwischen zum Geheimen Kammer- und Lehnsrat aufgestiegen, sehen wir ihn bereits wieder an der Seite des späteren Kurprinzen, dem er, um ebendiese Zeit, einen Beweis besonderer Anhänglichkeit und Treue zu geben in der Lage war. Er rettete nämlich den Prinzen aus einer tödlichen Krankheit, welche den letzteren im Winterfeldzuge 1679 in Preußen befiel. In einem interessanten Flugblatte, das den Titel führt: »Fall und Ungnade zweier Ersten-Staatsminister des königlich preußischen Hofes (Danckelmann und Wartenberg), Köln, bei Peter Marteau, 1712«, finde ich darüber folgendes: »Als des Kurprinzen Leben, wegen eines schweren Stickflusses, in höchster Gefahr war und während die Leibmedici sich nicht vergleichen konnten über die Arzenei, die dem Patienten gegeben werden sollte, hat Danckelmann ihm dasselbe durch ein gewagtes Aderlassen erhalten, wie schon alle Sinne verloren waren, und hat sich also, aus Liebe für seinen Prinzen, in eine große Verantwortung gesetzt.« So jenes Flugblatt. Danckelmann bewährte sich auch anderweitig: er opferte dem Kurprinzen sein Vermögen, und zwar »zu solcher Zeit, da sein Herr noch nicht auf dem kurfürstlichen Throne war, vielmehr, durch allerhand Intrigues von dem Hofe ferngehalten, eines solchen Vorschubes höchst benötigt war«.

1688, als der Kurprinz seinem Vater, dem Großen Kurfürsten, in der Regierung folgte, wurde Danckelmann zum Geheimen Staats- und Kriegsrat ernannt und ihm fast unumschränkt das Steuer der Regierung überlassen. Er schlug eine kluge, feste, von Erfolg gekrönte Politik ein, und wenigstens zu Lebzeiten Friedrichs I. ist seine Stelle nicht wieder ausgefüllt worden. Daß er dem Kurfürsten abgeraten habe, sich zum Könige zu erheben, ist längst widerlegt; er arbeitete vielmehr mit aller Kraft zu diesem Ziele hin.




3) Dies Gedicht, aus dem wir auch noch weiterhin einige Strophen zitieren werden, ist bei allem Steifen und Prosaischen, das dem Alexandriner und speziell den Alexandrinern eines Hofpoeten anhaftet, doch merkwürdig gut und hat Stellen – wenn auch nicht gerade die im Text zunächst folgende –, um die mancher moderne Poet den Herrn von Besser beneiden könnte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 1. Teil