Abschnitt 2

An Rhin und Dosse


Garz


Albrecht Christoph von Quast


Diese tapfre Verteidigung, für die Pfalzgraf Karl Gustav (der spätere König), der inzwischen das Kommando übernommen, unseren Quast zum Obersten aufsteigen ließ, war die letzte größere Aktion, an der dieser während des Dreißigjährigen Krieges teilnahm. Achtzehn Jahr lang hatte er mitgestritten und unwandelbar (wie Königsmarck, der sein besonderes Vorbild gewesen zu sein scheint) auf schwedischer Seite gestanden. Der siebzehnjährige Musketier im Regiment King war mit fünfunddreißig Jahren Reiteroberst und Chef eines Regiments. Von 1648 an stand er mit demselben im Münsterschen, aber schon zwei Jahre später erfolgte die Auflösung der Armee. Quast nahm den Abschied.

Er nahm den Abschied, aber keineswegs von der Absicht geleitet, ein für allemal aus dem schwedischen Dienste zu scheiden. Wir schließen dies daraus, daß er sich, bald nach Auflösung seines Regiments, nach Schweden begab, um sich der Königin Christine vorzustellen. Von dieser mit Auszeichnung empfangen (sie ließ ihm ihr mit Diamanten besetztes, an einer güldenen Kette zu tragendes Bildnis überreichen), muß es auf den ersten Blick überraschen, daß er die Anerbietungen, die ihm gleichzeitig gemacht wurden, ablehnte und nach verhältnismäßig kurzem Aufenthalt in Stockholm in die märkische Heimat zurückkehrte. Wir treffen aber wohl das Richtige, wenn wir annehmen, daß er sich bald überzeugte, wie drüben am schwedischen Hof eine Gegenpartei mächtig zu werden begann, die das aus dem Kriege verbliebene deutsche Element nach Möglichkeit beseitigen und die einflußreichen Stellungen innerhalb der Armee wieder ausschließlich mit Nationalschweden besetzen wollte. Gleichviel indes, welche Motive maßgebend waren, unser Albrecht Christoph erschien wieder in seiner heimischen Grafschaft Ruppin, wo ihm sein Vetter Otto von Quast die Quastschen Güter Garz und Küdow käuflich abtrat, »damit er seinen in Kriegsläuften erworbenen Reichtum nicht zum Ankauf im Auslande verwende«. Sein Eintritt in die kurfürstliche Armee geschah nicht unmittelbar.

Dieser erfolgte nicht vor 1655. In diesem Jahre, kurz also vor Ausbruch des Krieges mit Polen, erhielt Quast ein Reiterregiment, dem er bis 1658, wie die biographischen Notizen mit großer Ruhe melden, »zur Zufriedenheit des Kurfürsten vorstand«. Diese nüchterne Bemerkung deutet am wenigsten darauf hin, daß Quast all die Zeit über im Felde war und mit seinem Regiment an der berühmten dreitägigen Schlacht von Warschau teilnahm. 2)

Daß er sich während dieser Schlacht, oder während des polnischen Feldzuges überhaupt, vor andern Reiterführern ausgezeichnet habe, wird freilich nirgends erwähnt.

Die Gelegenheit zu solcher Auszeichnung bot erst der nächste Feldzug, der nicht demselben Gegner, den Polen, sondern umgekehrt dem bisherigen Verbündeten, den Schweden, galt. Zur Beleuchtung der Situation nur wenige Worte. Brandenburg war durch den Vertrag von Labiau (1656) allerdings »für ewige Zeit« an Schweden gekettet, die Fortschritte dieses damals auf seiner Höhe stehenden Staates aber erweckten ihm überall in Europa so viele Neider und so mächtige Feinde, daß es der Kurfürst als durch die »Staatsraison« geboten erachtete, Schweden aufzugeben, um nicht mit ihm oder, was wahrscheinlicher war, statt seiner zugrunde zu gehn. Die Staatsraison präponderierte damals in allen solchen Fragen. Eine große antischwedische Liga, ein Fünf-Mächte-Bund kam zustande, der darauf aus war, den ehrgeizigen Plänen des Schwedenkönigs Karl Gustav (der die Gustav-Adolf-Idee eines großen »baltischen Reiches« verwirklichen wollte) ein Ziel zu setzen. Jeder einzelne Staat verfolgte dabei seine Sonderinteressen. Die fünf verbündeten Mächte waren: Östreich, Polen, Dänemark, Holland, Brandenburg. Der Kriegsschauplatz war ein doppelter: ein östlicher (Preußen und Polen) und ein westlicher (Pommern und Holstein). Nur das holsteinsche Kriegstheater interessiert uns an dieser Stelle.

Karl Gustav, im Vertrauen auf sein Geschick und seine Armee, die damals als die kriegstüchtigste in Europa galt, wartete die Vereinigung so vieler Gegner nicht erst ab, sondern ging rasch zum Angriff über, vielleicht in der Hoffnung, sie einzeln zu schlagen. Der Anfang sprach auch dafür, daß es ihm glücken werde. Von der Unterelbe her in Holstein und Schleswig eindringend, besetzte er Alsen und Jütland und ging dann in dem bitterkalten Winter von 1657 auf 1658 über die gefrornen Belte. So bracht er Fünen und Seeland in seine Gewalt. Der Dänenkönig hatte nichts mehr als seine Hauptstadt. Auch diese (das sei vorweg bemerkt) hoffte Karl Gustav in folgendem Winter durch Überrumpelung in seine Gewalt zu bringen. Er ließ einzelne seiner besten Regimenter weiße Hemden über die Uniformen ziehen, um auf der weißen Schneefläche weniger bemerkt zu werden, und ging nun zum Sturme gegen die Festungswerke vor. Die Dänen aber waren wachsam, und, wie ein alter Geschichtsschreiber sagt, »die weißen Hemden wurden manchen zum Leichenhemd«.




2) Die Reiterregimenter, die in dieser Schlacht brandenburgischerseits mitfochten, waren folgende: 1. Die Trabantengarde unter Oberstlieutenant Wilmersdorf, 2. Leibregiment unter dem Obersten von Canitz, 3. Regiment des Feldmarschalls Grafen Waldeck, 4. Fürst von Croys Regiment, 5. Regiment des Generals Derfflinger, 6. Regiment des Oberst von Pfuel, 7. Regiment des Generals von Kannenberg, 8. Regiment des Generalmajors von Görtzke, 9. Regiment des Oberst von Sparr, 10. Regiment des Oberst Goseff, 11. Oberst Wallenrodts Regiment und 12. Regiment des Oberst von Quast. Jedes Regiment war sechs Compagnien zu 110 Pferde stark.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 1. Teil