Abschnitt 1

An Rhin und Dosse


Das Dosse-Bruch


Friedrichs II. Besuch im Rhin- und Dosse-Bruch


Um acht Uhr morgens kamen Ihro Majestät auf Seelenhorst an und hatten den Herrn General Grafen von Görtz im Wagen bei sich. Ihro Majestät sprachen bei der Umspannung mit den Zietenschen Husarenoffiziers, die auf den umliegenden Dörfern auf Grasung standen, und bemerkten mich nicht. Weil die Dämme zu schmal sind, konnt ich neben dem Wagen nicht reiten. (Fromme ritt also vorauf oder hinterher.) In Dechtow bekamen Ihro Majestät den Herrn Rittmeister von Zieten, dem Dechtow gehört, zu sehen und behielten ihn – der Weg war hier breiter – neben sich, bis dahin, wo die Dechtowsche Feldmark zu Ende geht. Hier wurde wieder umgespannt und Hauptmann von Rathenow auf Karwesee, ein alter Liebling des Königs, trat an den Wagen heran.

Hauptmann von Rathenow: »Untertänigster Knecht, Ihro Majestät!«

König: »Wer seid Ihr?«

Hauptmann: »Ich bin der Hauptmann von Rathenow 1)
aus Karwesee.«

König: (die Hände faltend): »Mein Gott! lieber Rathenow, lebt Er noch? Ich dacht, Er wäre längst tot. Wie geht es Ihm? Ist Er gesund?«

Hauptmann: »O ja, Ihro Majestät.«

König: »Aber, mein Gott! wie dick ist Er geworden.«

Hauptmann: »Ja, Ihro Majestät, Essen und Trinken schmeckt immer noch; nur die Füße wollen nicht fort.«

König: »Ja! das geht mir auch so. Ist Er verheiratet?«

Hauptmann: Ja, Ihro Majestät!«

König: »Ist Seine Frau mit unter den Damen dort?«

Hauptmann: »Ja, Ihro Majestät!«

König: »Laß Er sie doch herkommen!« (Sogleich den Hut ab.) »Ich find an Ihrem Herrn Gemahl einen guten alten Freund.«

Frau von Rathenow: »Sehr viel Gnade für meinen Mann.«

König: »Was sind Sie für eine geborene?«

Frau von Rathenow: »Ein Fräulein von Kröcher!«

König: »Haha! eine Tochter vom General von Kröcher!«

Frau von Rathenow: »Ja, Ihro Majestät.«

König: »Oh, den hab ich recht gut gekannt. – Hat Er auch Kinder, Rathenow?«

Hauptmann: »Ja, Ihro Majestät! Meine Söhne sind in Diensten, und dies sind meine Töchter!«

König: »Na! das freut mich. Leb Er wohl, mein lieber Rathenow! Leb Er wohl!«

Nun ging der Weg nach Fehrbellin, und Förster Brand ritt als Forstbedienter mit. Als wir an einen Fleck von Sandschellen kamen, die vor Fehrbellin liegen, sagten Ihro Majestät: »Förster, warum sind die Sandschellen nicht besäet?«

Förster: »Ihro Majestät sie gehören nicht zur königlichen Forst; sie gehören mit zum Acker. Zum Teil besäen die Leute sie mit allerlei Getreide. Hier, rechter Hand, haben sie Kienäpfel gesäet!«

König: »Wer hat die gesäet?«

Förster: »Hier der Oberamtmann!«

König: (zu mir): »Na! sagt es meinem Geheimden Rat Michaelis, daß die Sandschellen besäet werden sollen.« – (Zum Förster:) »Wißt Ihr aber auch, wie Kienäpfel gesäet werden müssen?«

Förster: »O ja, Ihro Majestät!«

König: »Na! wie werden sie gesäet? von Morgen gegen Abend oder von Abend gegen Morgen?«

Förster: »Von Abend gegen Morgen.«




1) Von Rathenow stand 1732 und die folgenden Jahre als Lieutenant beim kronprinzlichen Regiment in Neuruppin und war einer aus dem näheren Umgangskreise des Prinzen. Überhaupt werden wir im Verlauf des Aufsatzes sehen, daß der König überall alte Bekanntschaften erneuert und die fast ein halbes Jahrhundert zurückliegenden Ruppiner Tage wieder lebendig werden fühlt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 1. Teil