Abschnitt. 3 - Nachdem hier nun alles besehen war, wandten die Reisenden sich weiter,...

Nachdem hier nun alles besehen war, wandten die Reisenden sich weiter, und gelangten auf dem anmuthigen Thalwege noch an mehren Eisen- und Blechhämmern vorüber, bis die Rohrschmiede und Bohrmühle erreicht war. Hier sahen sie nun die Bearbeitung der Platinen, 32 Zoll langer Eisenstücke, wie diese glühend gemacht, unter den Reckhammer gebracht, unter diesem über einen eisernen Dorn gelegt, zusammengeschweisst und gestreckt wurden, sahen, wie die vom Wasser getriebene Gewalt der mächtigen Bohrmühle diese werdenden Flintenläufe durchbohrte und wie diese auf ungeheuern Schleifsteinen trocken geschliffen wurden, wobei ein ohrenzerreissendes Getöse ihnen die Möglichkeit jeder mündlichen Mittheilung raubte und sie bald aus diesem Werk trieb, um in ein nicht minder wichtiges und nicht minder geräuschvoll lebendiges einzutreten. Hier wurden Klingen, Bajonette und Ladestöcke geschmiedet, welche nass geschliffen werden, und ganze Reihen theils noch schwarzer und unpolirter, theils fertiger und silberhell glänzender Kürasse erinnerten daran, dass auch für diesen Rest mittelalterlicher Schutzwaffen hier eine Fabrik bestehe. Alles Wissensnöthige wurde erklärt und erläutert, und befriedigt verliess die Gesellschaft diese Hammerwerke, in denen „früh und spät den Brand die Knechte mit geschäftiger Hand nähren.“

Goldlauter birgt sich recht schüchtern in die Enge eines Schneekopfthales, lang und schmal strecken sich die Häuserzeilen in dem Grund hinauf. Die Freunde ruhten auf sonnigem Rain; Wagner zeichnete einen malerischen Hammer, Lenz erfreute sich an so mancher Blume der Gebirgsflora, in der hellen Lauter und an ihrem Uferrand leuchtete das goldblüthige Chrysosplonium, auf den Waldwiesen prangte mit weissen Dolden der Bergeppich, das stolze Geschlecht der Athamanta und die schwankende Blüthenähre des Schlangenkrautes. Ueber Goldlauter, bis wohin der Spaziergang erstreckt wurde, gab es für Otto genug zu berichten von ehemaligen Bergwerken in der Nähe und deren wieder neu aufgenommenem Bau, von quillendem lautern Gold, daher Waldbach und Ort den Namen bekommen und ähnliche ßergmannssagen, deren diese Gegend voll ist.


„Wenn wir hier hinauf stiegen,“ redete Otto die Freunde an, als sie hinter dem Dorfe sich zum Umkehren wandten, und Lenz in einer alten Halde noch nach Fischabdrücken im Thonschiefer der Gegend suchte, aber nur Fragmente fand: „so würden wir auf die Schmücke gelangen, doch möchte es für heute zu spät sein, und wir wollen uns morgen in dem einsamen, 2872 Fuss hoch über der Meeresfläche gelegenen Gasthaus ein Vesperbrot erbitten.“

Auf dem Rückweg fiel dem, die organische, wie die unorganische Natur stets mit scharfblickendem Aug' überschauenden Lenz ein isolirter Porphyrfels auf, welcher im nahen Felde am Wege lag, und ging auf ihn zu, als Otto erwähnte, dass dieser Fels vorzugsweise den Namen des rothen Steines führe. Lenz untersuchte das Gestein desselben näher und äusserte, dass er aus einem festern und bessern Porphyr bestehe, als der Ottilienstein. Ein Schlag mit dem Berghammer daran bröckelte einige Stücke ab, an denen sich zarte dunkle Dendriten zeigten. „Sogar von diesem Stein,“ sprach Otto : „giebt es eine, hier allem Volk bekannte Sage, mit welcher ich euch jedoch verschonen will, um nicht abermals die gleiche Spottlust wie bei der vom Rupberg zu erwecken, da es sich abermals von einer verwünschten Jungfer handelt. Merkwürdig ist es aber, wie in diesen Gegenden die Tradition geschäftig war, Fels und Wald, Berg und Höhle, Thal und Bach mit Geistern zu bevölkern, ähnlich den alten Griechen, deren Mythos Oreaden, Najaden und Dryaden da erschuf, wo die Phantasie der Germanen auf die angedeutete, nicht minder eigenthümliche Weise sich thätig zeigte.“

Unter Gesprächen, die sich bald auf die mysteriöse Welt deutscher Volkspoesie und deutschen Volksaberglaubens, bald auf die grosse Mannichfaltigkeit der in Gebirgsgegenden vorkommenden Naturprodukte aus den Pflanzen- wie aus dem Mineralreich, darüber Lenz anziehende Vergleiche aufzustellen wusste, bald auf die malerischen Reize der Gegend Suhls bezogen, wurde bald noch ein Standpunkt erreicht und ausgewählt, den Wagner für günstig hielt, Stadt und Gegend zu zeichnen. Freundlich im Thal hingebreitet, liegt Suhl unter der steilaufragenden Wand des Dombergs, Porphyr-Felsenzacken ragen da und dort aus dem Laubholz, und das Häuschen auf dem Ottilienstein horstet dort wie eine Wächterwohnung, wie ein Lug ins Land. Weit hinauf in die Weitung des Hochgebirgs ist der Blick auf dieses frei, man gewahrt den Spitzigenberg, den Wildenkopf und die Suhlaer Laube, an welcher hoch hinauf schmal und gezackt, wie ein erstarrter Blitz, eine Strecke die Strasse sichtbar ist, die von Suhl aus zum Oberhof führt. Dann breitet der Beerberg, der Riese des Gebirgs, seinen breiten Rücken; die Abdachung des Berges, welcher die Hofleite genannt wird, setzt ihren mit Gärten und herrlichem Wiesengrün geschmückten Fuss bis in die Stadt hinein, und gewährt zur Rechten einen mannichfach belebten Vorgrund. – Dabei wehte von den Wiesen der Waldkräuter würziger Duft, die eine Seite des Dombergs glänzte im Abendstrahl, die andere überhüllte ein sanfter Schatten; einige Bergkuppen glühten goldröthlich, andere, niedrigere hoben düstergrün, fast schwarz die Häupter empor, wie eine Schaar Mönche, die zur Abendhora wallen. Um die Zinnen des Gebirgs schwamm Verklärung, mit melodischem Geläute zogen die Heerden heim.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch Thüringen