Abschnitt. 3 - ...die Veste Coburg, Schloss Hohnstein, einen Theil der Stadt Hildburghausen, die Klosterkirche von Vierzehnheiligen, den hohen Staffelberg, ...

„Sein kolorirtes Dolmar-Panorama gewährt ein solches Bild,“ nahm Otto zu den Freunden das Wort: „Wir sehen darauf, ohne dass uns Höhenrauch, Nebel- und Wettergewölk die Aussicht jemals trübt und dunkelt, die Veste Coburg, Schloss Hohnstein, einen Theil der Stadt Hildburghausen, die Klosterkirche von Vierzehnheiligen, den hohen Staffelberg, die Ruine Straufhain und die Veste Heldburg, die fränkische Leuchte, die verwaiste Schöpfung des unglücklichsten Sachsenfürsten, Friedrich des Mittlern, – lauter Punkte, die wir jetzt zum Theil mit dem Fernrohr mit einiger Mühe suchen müssen.“

„Zu unsern Füssen erblicken wir Kühndorf,“ sprach Schaubach weiter: „mit seinem alten hennebergischen Grafenschloss, und dort drüben das ehemalige Kloster Rohr, darüber ein Berg mit malerischen Felswänden sich lang und grün hinstreckt. Über diesen, aber in weitem Zwischenraum von Feldern und Wäldern stehen, wie die Säulen des Herkules die Basaltkegel der Gleichberge bei Römhild, der kleinere ohnstreitig ein ausgebrannter Vulkan, ein Wunder der Gegend, von Sagen umklungen, mit dreifachem Basaltwall umgürtet, in jeder Hinsicht merkwürdig und sehenswerth. Weit hinter diesen Bergen dehnt sich das Frankenland mit Städten, Dörfern, Klöstern und Warten, während wir die niedrigem Höhen des Werrathales mit dem Blick leicht überfliegen. Dort trennt die Schanze ohnweit Henneberg Baiern und Meiningen, Franken und Thüringen, Rhein- und Wesergebiet, das katholische und das protestantische Deutschland. Wir wenden uns jetzt vom Südpunkt westwärts und kehren in die Gegend, aus der wir kamen. Ein Theil von Meiningen, sein schönster, ist uns sichtbar, das übrige deckt der weit in das Thal vorspringende Drachenberg. Dort liegt einsam die Ruine Henneberg, dort Dreissigacker, dort in der Ferne die Lichtenburg bei Ostheim, und der Gebirgszug der Rhön beginnt. Der Kreuzberg überragt hoch diese kahle und rauhe Bergkette, über welche sich westlich auch der Gangolf aufgipfelt. Dort neben dem burgruinengekrönten Hutsberg beginnt die Geba, des Dolmars Nachbarberg, die Vorwarte der Rhön, wie der Dolmar die des Thüringer-Waldes, noch um etwas höher wie dieser, an deren Fuss wir die Dörfer Bettenhausen, Melkers, Stepfers- und Rippershausen liegen sehen. Hinter der Geba blickt die Disburg hervor, der Leichelsberg und die Hart.– „Das ist jene Disburg,“ nahm Otto das Wort: „welcher hennebergische und auch ausländische Geschichtsforscher die Ehre zueignen, das alte Dispargum gewesen zu sein, das Chlodio, der Frankenkönig erbaute, als er die Thüringer besiegt hatte. Vieles fabeln von ihr die Hypothetiker, möchten gern aus ihr eine Disen-(Göttinnen)burg, aus ihrem Nachbarberg, der Hart, einen Herthasitz machen, und aus den Ortsnamen Katz am Fuss dieser Berge Katten als Urbewohner der Gegend mit Gewissheit annehmen, welches Letztere noch mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat, als nordischer Götterkult in unserm Lande; da sich in jenem ganzen Gebiet viele altgermanische Gräber finden.“ – „Die Etymologie,“ warf Lenz ein: „ist die leichteste Weise, Beweise für alles beizubringen, und bei ihrer hohen Wichtigkeit zum Behuf historischer Forschung dennoch der allergefährlichste Pfad, für den, der es liebt, im Irrgarten seiner vorgefassten Lieblingsmeinungen zu wandeln.“ „Mit Worten,“ sprach Wagner: „lässt sich, nach Göthe's Ausspruch, trefflich streiten, mit Worten ein System bereiten. Diess glückt unsern etymologisirenden Altertumsforschern oft überraschend.“ – Die Freunde waren nun nicht mehr fern von dem Punkt, von welchem sie ihre Rundsicht begonnen hatten, sie erblickten immer noch die langgedehnte Kette des Rhöngebirgs, das mit einer Gruppe mächtiger Basaltkuppen zu schliessen scheint, unter denen Baier, Dietrich und Ochsenberg die höchsten sind. Stopfelskuppe, Bless und die Hunkuppen blicken als Zwischengebirgszug mit dunkelgrünen Waldgewändern umkleidet in das Werrathal, aus welchem das Kammergut Maienluft bei Wasungen mit hochragendem Ruinenthurm aufsteigt. Noch zeigt sich ein reizendes Landschaftsbild, in dessen Mittelgrund der Breitunger See, der Kreimerteich und die mäandrisch durch eine üppige Wiesenflur hinströmende Werra silberblitzend leuchten, während zahllose Ortschaften: darunter Herren-, Frauen-und Altenbreitungen, Salzungen, Barchfeld u. a. sichtbar sind, über denen der lange Rücken des Meissner sich streckt, und in der weitesten Ferne die Höhen bei Göttingen verdämmern.


Auf die grüne Bergmatte lagerten sich die vier Wandergesellen und überschauten heitern Sinnes und Geistes das herrliche Thüringerwaldgebirge, das nun in mehr als einer Richtung von ihnen durchwandert und näher betrachtet werden sollte. Während dem Rest der mitgebrachten Erfrischungen sein Recht geschah, nahm Otto das Wort: „Noch einer besondern Merkwürdigkeit in archäologischer Beziehung muss ich hier gedenken, es fanden sich nämlich auch am Dolmar Hünengräber, deren Fundergebnisse im Allgemeinen mit denen übereinstimmend waren, welche die Gräber in der Nähe der Geba und Disburg lieferten – was aber weit wichtiger: am Dolmar fand sich im Herbst 1816 eine Goldmünze, über einen Dukaten schwer, vom feinsten Gold, in der Form der sich im Hennebergischen nicht selten findenden sogenannten Regenbogenschüsselchen; es ist nämlich Volksglaube, dass da, wo ein Regenbogen sichtbar aufsteht, eine solche Münze vom Himmel falle. Diese kam in die Hände des Vicekanzler Geheimerath Freiherrn von Donop in Meiningen und rief ein gelehrtes Werk voll geistreicher und scharfsinniger Combinationen: Das magusanische Europa, ins Leben. Die Münze wurde für eine der interessantesten Heracleen erkannt, die als ein unicumgelten kann, und die Begeisterung des Besitzers bildete aus historisch-etymologischer, mythologischer, numismatischer und antiker Weltsagen-Forschung die in dem magusanischen Europa niedergelegte grandiose Hypothese aus, dass Phönikier unter Anführung des Herkules magusanus das Innere Germaniens betreten, und diese Gegend unter andern einer ihrer Colonien Wohnsitze bot, während sich phönikischer Götterkult mit keltischen und scandinavischen weniger verschmolz, als vielmehr jenen erst bilden half.“

„Ich bin kein Alterthumsforscher,“ nahm Lenz das Wort: aber einen Einwurf wollte ich sogleich der Hypothese machen, der wohl Erwägung verdienen möchte: Wenn nicht durch Handelsverkehr die Münze in diese Gegend kam, kann sie nicht Siegesbeute der durch Karl den Grossen gegen die Sarazenen in Spanien – wohin die Münze weit eher und leichter als mitten in die deutschen Urwälder, gelangen konnte – gesandten germanischen Hülfstruppen, darunter auch Thüringer, gewesen sein? Du erwähntest Hünengräber am Dolmarberge, kann sie nicht mit in ein Grab gegeben, später ausgeackert und so in die Hände des gelehrten Besitzers gelangt sein? Und klingt diese Annahme nicht wahrscheinlicher und natürlicher, als um eines Einzelfundes willen dieser Gegend die Anwesenheit eines Volkes zu vindiciren, von dem, hätte es Deutschlands Inneres betreten, Nachrichten und Spuren wohl mehr als fast gar keine noch vorhanden sein würden,“ – Diese Frage, auf Möglichkeitsfälle gestellt, konnte nicht geradezu verneint werden. –

Am Basaltsteinbruch des Dolmar vorbei, schritten die Wanderer nach Kühndorf hinunter und gelangten bald in das Thal der muntern Schwarza und in den Flecken gleichen Namens selbst, der durch seine Bierbrauerei berühmt ist. Bis dorthin begleitete der gefällige Freund aus Meiningen die drei Wandergefährten, um nach einem gemeinschaftlichen Valettrunk zu scheiden. Bei diesem konnte sich Otto nicht enthalten, eine lokale Sage – scherzhaft zu erzählen, indem er begann: „Es muss nicht zu allen Zeiten so goldhelles, kräftiges und schmackhaftes Bier in dem Gräflich Stollbergischen, unter Preussischer Hoheit stehenden Flecken Schwarza von 190 Häusern und 1174 Einwohnern, gegeben haben, wie jetzt, denn einst geschah es, dass zwei Knaben in einem Nachbardorf Bier holen mussten. Als sie zurückkehrten, war es Abend, und es zog gerade Frau Holle mit ihrem ganzen wilden Heer durch den Ort, der treue Eckart mit dem Stabe voran, der hiess warnend Alles aus dem Wege gehen, auch die Knaben. Allein obgleich diese sich furchtsam in eine Ecke drückten, kamen doch der durstigen gespenstigen Weiber einige und tranken alles Bier aus, was in den Kannen der Knaben war. Wie nun der Zug vorüber, trat den Erschrockenen und Bangenden der alte Eckart wieder nah, lobte sie, dass sie geschwiegen, und legte ihnen ferneres Schweigen auf. Als sie nun nach Hause kamen, waren die erst leeren Kannen voll guten Bieres und flossen drei Tage lang unerschöpflich, bis die Knaben das Schweigen brachen. Seitdem aber soll es Schwarza nie an gutem Bier gebrochen haben.“ –

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch Thüringen