Abschnitt. 2 - Herzog Moritz von Sachsen-Zeitz. - Burgruine Liebenstein. - Hohlenstein. - Gerberstein. - Schmalkalden. - Steinberg. - Inselberg. - Hohenheide. - Hohenwarte. - Seligenthal. - Wasserscheide, Weser und Elbe. - Tambach. - Große Herrmannsberg. - Schneekopf, Warberg und Herrmannsberg, Hörseelberg und Kiffhäuser. - Rupberg, Reisigestein, Beerberg, Wildekopf, Finsterberg, Domberg, Ringberg, Döllberg, Gottesfeld. - Schleusingen. - Teuschel- und Adlersberg. ...

Die Freunde stiegen nun zum Gipfel hinauf und erreichten bald die geringen Überreste eines Jagdschlösschens, das 1688 Herzog Moritz von Sachsen-Zeitz auf diese Höhe baute, welches aber 1726 vom Blitz zerstört wurde. Von Nordwesten die Hochebene umwandelnd, bald betrachtend verweilend, bald das Auge zur weitesten Fernsicht bewaffnend, liehen sie der Schilderung ihres Führers ein williges Ohr. Dieser sprach: „Jene äusserste blaue Bergkuppe ist der erste Urgebirgsgipfel des Thüringer-Waldes, den wir auf diesem Standpunkt erblicken können, doch keinesweges dessen Markstein, ihm zunächst strecken der Arensberg und der Windsberg ihre langen Rücken, und deutlich gewahren wir unter ihnen den isolirten Felsgiganten des Hohlensteins mit dem hellen Häuschen, das ihn krönt, und nahe dabei die Burgruine Liebenstein. Immer mehr vom Nordwesten nach Norden uns wendend, gewahren wir die Granitfelsenkuppe des Gerbersteins, um die in wilder Zertrümmerung des in sich zusammengestürzten Berges Riesenpfeiler stehen und lagern. Seine 2147 Fuss hohe Felsenzinne bietet ebenfalls eine der reizendsten Aussichten dar. Unser Blick überfliegt die Gegend, in welcher in einem Thalkessel, den die Gebirgsstrahlen bilden, die geschichtlich merkwürdige Stadt Schmalkalden mit ihrer schönen Kirche, ihrer hochprangenden, aber öden Wilhelmsburg, ihrer regen Betriebsamkeit und ihren Erinnerungen und ernst und einfach liegt; wir sehen dort den Stahlberg, in dessen unerschöpflichem Schoosse die Eisenmenge gewonnen wird, die in tausenderlei nützliches Geräth verwandelt, aus Schmalkalden und andern gewerbsthätigen Orten Thüringens, in alle Länder geht. Dort jener hochragende Gipfel mit der Waldblösse ist der Steinberg, 2866 Fuss, und hinter ihm, just im Punkt des Nordpols ragt der König der thüringischen Berge, der Inselberg mit seinem Häuschen, 2949 Fuss majestätisch empor, der erhabenste Punkt dieser Gebirgsgruppe. Rechts dehnt sich langhin der Rücken der Hohenheide, vor welcher der Felsgipfel der Hohenwarte malerisch aufragt. Jetzt bedecken nähere Höhen den fernem Gebirgszug. Ein mächtiger Hühne ragt der mattenreiche Hühnberg mit hohem und kahlen Felsenhaupt empor, an dessen Fuss wir neben Wiesen einen Theil des Ortes Seligenthal ruhen sehen, dann blickt das heitere duftblaue Gebirge wieder eine kleine, aber merkwürdige Strecke vor; man nennt diese den Rosengarten, und es ist dort auf thüringischer Seite die Wasserscheide zwischen Weser und Elbe. Dort herüber führte die Strasse von Tambach nach Schmalkalden, die einst auch Luther fuhr, als er dem grossen Fürstentag in Schmalkalden beigewohnt. Weiterhin erreicht der Gebirgsrücken im Sperrhügel wieder einen seiner höchsten Gipfel, von welchem sich eine überaus schöne Aussicht auf die Stadt Schmalkalden, das Werrathal, die Rhön und die wald- und felsenreichen Nachbarberge darbietet. Dort gerade vor uns, ganz waldüberdeckt, erhebt sich in massiger Höhe der kleine Dolmar, über den hinweg wir die vorhin schon angedeutete malerische Umgebung Steinbach-Hallenbergs erblicken, während den Hintergrund eine ununterbrochene Bergkette bis zum grossen Herrmannsberg bildet. Schroff und steil gipfelt sich dieser mit seinem Porphyrzackenkamm in die Höhe, und deckt noch einen Theil des hinter ihm wieder sichtbar vortretenden violetten Gebirgzuges.“

„Der grosse Herrmannsberg,“ nahm Otto zu den Freunden das Wort: „gehört auch mit zu den gewichtigen Trägern der thüringischen Volkssage, die mit ganz besondrer Vorliebe ihre Wunderblumenkränze um diese hohen Bergsäulen des Vaterlandes hängt, auf deren einsamen Felsgipfeln sie unverwelklich fortgrünen.*) Diese Berggipfel sind vornehmlich Inselberg und Schneekopf, Warberg und Herrmannsberg, Hörseelberg und Kiffhäuser; an den Sagen, die sich an ihre Gipfel knüpfen, ist eine ganz wunderbare Verwandtschaft wahrzunehmen; das Vorhandensein grosser Schätze im tiefen Schoosse, ausblühende Wunderblumen, die jene anzeigen, unterirdischer Hofhalt voll unheimlichen Glanzes, und Heraustreten von Zeit zu Zeit oder doch Sichtbarwerden der gebannten Mächte, wird allen diesen Bergen mehr oder minder poetisch ausgeschmückt von der Sage beigelegt. Ein Schloss soll auf jenem Berge gestanden haben, das mit seinen ruchlosen Besitzern verwünscht ward. Nur zu Zeiten sind sie sichtbar. Ein Hirtenknabe, der einer verlaufenen Kuh nachging, fand eine Gesellschaft, die auf dem Berg Kegel spielte, er musste aufsetzen, zum Dank wurden ihm die Kegel geschenkt; er schleppte sie nach Hause, wo er sie in Gold verwandelt fand. Musikanten brachten den verzauberten Rittern Ständchen, und wurden reich belohnt, andere, die habsüchtig und neidisch auf jener Glück, das Gleiche thaten, empfingen empfindliche Strafe.“ – Otto schwieg, Schaubach sprach weiter: „Wenden wir uns rechts vom Felsgrat des Herrmannsberges, so fällt uns zunächst in die Augen der vorhin schon bezeichnete Hundstein, neben dem der weit sichtbare, durch die kegelförmige Gestalt seiner Spitze sich auszeichnende Rupberg aufragt, welcher seinen weiten, mit Matten und Holzung bedeckten Rücken bis nach Mehlis erstreckt, wo der Reisigestein schroff in das romantische Thal hinabfällt, aus welchem wir einige Häuser von Mehlis hervorblicken sehen; den fernern Hintergrund bilden hier der Gipfel des Gebranntensteins, die Zellaerläube und die Brandleite, zusammen eine malerische Berg- und Felsengruppe. Hoch über Mehlis überragt hinter dem Rupberg beginnend der Spitzigeberg das Gebirge, auf welchem nicht weit davon, wo dieses hinter ihm vortritt, unser Blick auf das Pürschhaus auf der Suhlaer Laube fällt. In gleicher Höhe zeigt sich das Signal auf dem Schneekopf, an welchem wir den noch höhern Nachbar dieses thüringischen Berggiganten, den Beerberg mit seinem Signalthurm emporsteigen sehen. Dort hinauf, an der kahlen Wand des Wildekopfs vorbei, windet sich in einer wildromantischen Schlucht die Strasse von Suhl nach Oberhof, und der Wanderer erblickt dort oben einen Kontrast von rauhen Höhen, grotesken Felsen, tiefen Thälern und rauschenden Tannenwäldern; im fernen Thalgrunde die Stadt Suhl und eine unendliche Fernsicht nach Westen. Der Beerberg, an dem wir den Rennsteig eine Strecke hinziehen sehen, ist der höchste Berg des Thüringer-Waldes, 3064 Fuss über der Meeresfläche.“ –


Immer mehr zum Ostpunkt hingewandt, schritten die Freunde auf der Bergebene weiter, und ihre Blicke hafteten auf dem hoch emporragenden Finsterberge, der sich isolirt über das Gebirge erhebt. „Der Gipfel des Finsterbergs,“ nahm Schaubach wieder das Wort: „ist mit einem Felsenkranz umgeben und mit einem Hain hoher Tannen überwachsen. Zwischen diesem, dem Hochgebirge und unserm Standpunkt setzt ein niederer Gebirgszug durch, welchem dort der Domberg bei Suhl und der konische Ringberg angehören. Dort, wo wir den Domberg schroff in das Thal hinabfallen sehen, liegt die genannte Stadt, und wir sehen die Strasse nach Ilmenau sich zum Gipfel des hohen Gebirgs zu einer Stelle empor winden, welche die Kalteherberge heisst. Dort liegen in fast gleicher Höhe, der Döllberg und das Gottesfeld, von welchem letztern Otto ohnstreitig eine Sage zu erzählen wissen wird.“

„„Es ist nur die bekannte und sich häufig wiederholende von einer versunkenen und durch Gottes Zorn verfluchten Stadt,“„ stimmte der Genannte bei: „von welcher ein Wildschwein eine Glocke auswühlte, die, nach Schleusingen gebracht, beim ersten Läuten furchtbar schauervollen Klang gab und zersprang. Wiederholt umgegossen, blieb ihr Klang derselbe und lautete höhnend wie eine Dämonenstimme. Sau aus, Sau aus! Die Schwere des Fluches liess nicht ab von dem Metall und machte es unbrauchbar zu frommen Kirchendienst.“ –

„Dort blicken freundlich Thurm und Kirche von Heinrichs aus dem Thal der Hasel herauf,“ fuhr der Führer fort: „und darüber erheben sich die kahlen berasten Gipfel des Teuschels- und Adlersbergs. Ein äusserst flacher, bewaldeter Rücken schliesst sich an diese an, und es zeigt sich der sanftgewölbte Gipfel des Blessbergs bei Schalkau, welcher das Berggebiet des Meiningischen Oberlandes beherrscht. Unter ihm im Mittelgrund ist der Schneeberg bei Grub sichtbar, und weit dort hinten in blauer Ferne grüssen wir die Höhen des Fichtelgebirges, Schneeberg und Ochsenkopf. Mit dem Thüringerwald sind wir zu Ende. Aber nun thut sich, indem wir uns immer südlicher wenden, eine unermesslich weite und reizend mannichfaltige Aussicht in das gesegnete Frankenland auf. Könnten wir nur, was so fern liegt, uns durch optische Hülfsmittel näher zaubern und es in ein kleines Totalbild zusammenfassen!“



*) Leser, die sich näher für thüringische Volkssagen interessiren, darf der Verfasser hier auf sein Werk: Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes u.s.w. verweisen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch Thüringen