Lenzen, Plauer See, 23. August

Morgens ging ich umher und besah mir Plau. Wenig wirklich Altes hat sich erhalten, aber viel angenehm Altfränkisches aus den letzten Generationen.
Die hochgelegene, weithin sichtbare Kirche war natürlich verneut, aber das altehrwürdige Steinportal hatte noch seine zerbröckelnden Nippen und Hohlkehlen, die sich unten zu Sitzen erweiterten. Geschlechter auf Geschlechter haben auf ihnen gesessen. Auch ist einiges von der Burg noch zu sehen, ein heißumstrittener Stützpunkt, wurde sie achtmal erobert. Von hier aus überblickte ich die Lage, den Ausfluß der Elde mit seinen jetzt trägen, nutzlosen Kähnen. Hell flimmerte der See, lang dehnte er sich aus, und gegenüber von der Burg konnte ich am andern Ufer, als weißen Punkt glänzend, mein heutiges Ziel erkennen. Die Wasserfläche wirkte friedlich, es wehte ein raumer Wind, der mir förderlich wäre, weshalb in aller Welt sollte ich mich in jämmerlicher Hilflosigkeit hinüherschleppen lassen. So begab ich mich zur Schleuse, um die Ansichten der Erfahrenen zu hören. Der Schleusenmeister sowie die umherstehenden Fischer hielten die Windverhältnisse für günstig, ohne einen Augenblick zu verlieren, ließ ich meine Sachen herbringen und ruderte davon. Es dauerte nicht lange, und ich war nicht mehr auf der Elde, sondern im Freien, auf dem See, und hielt auf den hellen Punkt am fernen Ufer. Vor mir der kühn aus den Dächern aufsteigende Kirchturm von Plau. Bald kam ich gehörig in den Wind, er wurde recht frisch und das Wasser ziemlich bewegt. Ringsumher auf der einsamen, von keinem Fahrzeug unterbrochenen Fläche ertönte ein Brausen und Rauschen, in langen Reihen rollten die Wellen auf mich zu. Es war sehr interessant, noch nie hatte ich bei solchem Seegang gerudert. Es ging aber gut, der Wind trieb mich vor sich her, ich mußte nur darauf achten, den Bug straff in See zu halten, die Riemen gut in die Wellen tauchen. Immer blasser wurde das Städtchen Plau, jetzt war ich in der Mitte, jetzt waren die Waldufer deutlich zu erkennen. Der Wind blies mir um die Ohren, fremdartig tönte das Raunen des unruhigen Sees. Dann sah ich Weißes, Wellen zerschlugen sich schäumend an der niedrigen Mole, noch einige Schläge und ich war in ruhigem Wasser. Neugierig erwartete mich der Wirt des Gasthauses, von der Brücke aus hatte er das Nahen des Bootes verfolgt.
Ein stillfriedlicher Waldseeort, nicht ungern würde ich einige Zeit hier verbringen. Leider hat das einfach nette Gasthaus den Fehlgriff begangen, sich ,,Kurhaus“ zu nennen, „Blauer Hecht“ oder ,,Goldene Kugel“ entspräche der Tonart. Die Sommergäste widmeten sich anscheinend vor allem dem Angelsport, sie mißbilligten meine Überfahrt bei diesem Wind, es wäre der gefährlichste mecklenburgische See. (Genau dasselbe wurde mir von den Bewohnern des Kälpiner Sees wie der Müritz gesagt, anscheinend liebt man es, den eigenen See als aufregend und unheimlich darzustellen.)

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch Deutschland