Fürstenhof, Rheinsberg, 29. August.

In der Nacht regnete und gewitterte es, am hellen, sonnig umflorten Morgen begab ich mich nach der Schleuse, fand dort die beiden Kähne von gestern. Ich bat, mitschleusen zu dürfen, und der Schiffer vom roten Kahn band das Ende sorgsam an das hünenhafte Steuer. Entschlossen verstaute ich Segel und Mast, wollte mich redlich mit meiner Hände Werk, ohne mich auf zweifelhaftes Segelweiterkommen einzulassen, beschränken. Es ging langsam, aber sicher, es war der Gegensatz zwischen einer Provinzialanleihe und Industriepapieren, zwischen einem Glücksspielsystem und festem Gehalt. Das eine ist weit unterhaltender, oft bringt das andere mehr ein.

Erstaunlich schön waren wieder die folgenden Seen, gewaltige Kiefern mit gekrümmtem Geäst traten hart an das Ufer, der berückende Klang der Waldtauben tönte hinüber. An einer kurzen Heidestrecke pflückte ich mir einen Sonntagsstrauß für das Bugloch.


Dann war ich in Preußen, wegen unserer Sonntagsordnung, so hieß es an der Schleuse, müßte ich bis zum Nachmittag liegen. Der Mann war aus, die Frau war unerbittlich, auch sei sie zu kränklich und gar nicht imstande, die schleuse zu bedienen. Da erblickte ich im Hof einen halbwüchsigen Knaben, ergriff ihn, brachte die Frau durch beredte sanfte Liebenswürdigkeit dazu, mir den Schein auszustellen. Von nun an kostete jedes Durchschleusen zwei Mark, das war bitter, allerdings mußte ich die größere Genauigkeit unserer Vorrichtungen zugeben. Auf jeder Brücke war Name und Höhe der Bogen ersichtlich, an jeder Schleuse befanden sich Stege und Stufen, statt der rautenförmigen, im Waldschatten oft schwer erkennbaren Bretter gab es hohe, über Kreuz gelegte Zeichen. Es kam die Zechliner Hütte, ein anziehender See, der jedoch durch die nüchterne Ortschaft, durch die großen Glaswerke beeinträchtigt wurde, dann folgte ein schmaler Wasserweg. Hier band ich mich an eine Weide, aß zu Mittag, erfreute mich an den Blumen, da gab es blühende Binsen, das weiße Sumpfherzblatt, die gelbe Wasserranunkel. Dazu die stets willkommenen Wiesenblumen, Weiderich, Vergißmeinnicht und stattlich, trotz seiner fahlrötlichen Färbung, die kranzartig die Ufer abschließenden Kunigundenkräuter. Merkwürdige Libellen besuchten mich, eine große hatte einen gelbgrünen und hellblauen Körper, eine kleine schwirrte mit farblosen Flügeln am blutroten Körper umher. Rote hatte ich in Java gesehen, sonst nirgends, es war ein auffallender Tonklang.

Dann begann der große Rheinsberger See, eine steife Brise wehte mir entgegen, erschwerte das Rudern. Vereinzelte Häuser lagen im Grün, sonst erstreckte sich unberührt schweigsam der Wald am Ufer. Auch die große Remusinsel, zu der so oft die bunten Barken mit den buntgekleideten Hosherren und Hofdamen, zur Zeit Friedrichs wie zur Zeit Heinrichs, hinüberfuhren. Noch ein schmaler Wasserlauf, von Kunigundenkraut dicht umstanden, dann gelangte ich in den kleinen Rheinsberger See, erblickte von Bäumen umgeben das hellgelbe Schloß. Natürlich landete ich am ,,Fürstenhof“, dem einzigen am See gelegenen Gasthaus, zu dem auch ein schlichtes, aber unberührtes, außerordentlich anschauliches Überbleibsel jener Zeit gehört - das Badehäuschen Friedrichs des Großen. Ein gefällig bescheidener Holzbau mit spitzem Dach, mit einer Galerie, auf der er, den stillen Waldsee überblickend, die Flöte spielte.

Meine Sachen wurden untergebracht, ich erhielt ein nettes Zimmer mit gedecktem Balkon, saß bald im grünen Baumschatten vor der Konditorei und bewunderte die vielleicht gelungenste Stadtanlage der Mark. Dies ist der Platz, der Mittelpunkt des Städtchens, ein alter Kastanienhain füllt ihn aus, ringsumher ziehen sich niedrige, einheitlich altmodische Bürgerhäuser mit dunklen Ziegeldächern, vor den Gasthäusern stehen weiße Tische unter den Kastanien. Alles einfach, selbstverständlich, aber durchaus geschmackvoll. Nun betrat ich das Schloßgebiet, durch das friderizianische Portal mit seinem leichtgeschnörkelten Gitter. Eine Brücke führt über den Schloßgraben, hier befand sich ja ehemals die feudale Burg der Bredows und Lochows, sieht man näher zu, läßt sich die Anlage noch erkennen. Über dem Portal las ich die Inschrift: Friderico tranquilliatem colanti, es zeigte sich die Kolonnade mit dem durchschimmernden See. Der Bau unseres begabten Dilettanten Knobelsdorfs ist ansprechend, wenn auch der vom ehemaligen Schlößchen übernommene Burgturm, dem nun ein zweiter entgegengesetzt wurde, ein wenig aus dem Ton fällt. Das einfach Klassizistische mit maßvollem Geschnörkel wiegt vor. Gut ist die dekorative Plastik jener Jahre, so die Göttinnen und die flotten nackten Kinder, gut die Gitterbalkone und die Treppenstufen, unter den Kolonnaden liegen noch die verwitterten alten Platten. Noch betreten wir die Steine, welche so oft der Fuß des großen Friedrich, seiner interessanten Brüder, vieler fesselnden Frauen und berühmten Männer betrat.

Besucher hatten sich eingestellt, eine Schloßführung begann. Sicher, aber mit verblüffender Unwissenheit erklärte der Kastellan, ungestraft. Bekanntlich sind wir außerordentlich gebildet, doch ist die übliche Kenntnis unseres Achtzehnten, seiner bemerkenswerten Menschen, seiner Kunst und seiner Stile erstaunlich gering. Für diese Ausflügler und Sommerfrischler reichte die Kaftellanweisheit vollauf. Eine Prinzeffin der friderizianischen Zeit in der damaligen Tracht bezeichnete er als Gemahlin des Großen Kurfürsten, die späte pompejanische Ludwigs des sechzehnten Ausmalung, die der alte Prinz Heinrich vornehmen ließ, schrieb er dem Kronprinzen Friedrich zu. Glücklicherweise ist noch überall altes Parkett erhalten, auch die Türklinken und Vorhanghalter, auch noch einiges Mobiliar, da der ursprüngliche Stoff zerfetzt wurde, hat die Schloßverwaltung es mit neuer Seide in offenkundig falschen stumpfen Tönen neu bezogen! Soll man noch das Schlimmste erwähnen? Mehrere Möbelwagen haben während dieser Regierung Sessel und Tische und Kommoden nach Berlin-Potsdam überführt. Als hätte die Mark einen Überfluß an historisch geweihten, künstlerisch guten Stätten vergangener Zeit. Einiges ist noch vorhanden, die guten hellen Deckengemälde von Pesne ließen sich nicht entfernen, es verblieben Kronleuchter aus der von Friedrich gegründeten Zechliner Hütte, an der ich vormittags vorbeigerudert war, es verblieb auch die flotte, holzgeschnitzte, vergoldete Dekoration der Wände, der Spiegel und der Türen. Auch noch verblaßte seidene und handgemalte Tapeten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch Deutschland