Den 16. August 1915. Herzog Adolf Friedrich, Herzog Heinrich, Knappe Martin Bleyer, Ritter von Plessen, Panzerhemd, Luise von Voß.

Im Motorboot des zum Besuch angekommenen Herzogs Adolf Friedrich machten wir einen Ausflug nach dem fernsten Ende des Sees. Von Hohen-Viecheln führte ein Wasserweg nach Wismar, ehemals war dies eine wichtige Verbindung, der Ort diente als Stapelplatz, er hat eine noch immer stattliche, weithin sichtbare Kirche. Vor langer Zeit, Ende des dreizehnten Jahrhunderts, fand hier eine die Phantasie erregende Begegnung statt. Es kehrte der nach dem Heiligen Land gepilgerte Herzog Heinrich von seinem treuen Knappen Martin Bleyer begleitet zurück, sechsundzwanzig Jahre war er vom Sultan in Syrien und in Kairo gefangen gehalten worden. Endlich freigelassen, traf er im Hochsommer 1298 hier in Hohen-Viecheln mit seiner Gemahlin Anastasta, der Regentin des Landes, zusammen. Ein anderer Mann und eine andere Frau, ein Menschenalter mit seinen Erfahrungen und Entwicklungen trennte die beiden. Haben sie sich nachsichtig verstehend wieder zusummengefunden? Gab es nach dem heißersehnten, aber doch vielleicht allzu lange hinausgeschobenen Augenblick innere Verwicklungen. Nur Gutes ist von beiden überliefert worden.
Die Kirche ist die hierzulande typische, einfache Architektur aus rotem Backstein. Innen war sie ehemals mit Schnitzaltären und großen Kruzifixen der Lübecker Schule des vierzehnten und sechzehnten Jahrhunderts geschmückt worden, mit Renaissance- und Barockgestühl, wurde dann, während der in Mecklenburg architektonisch verhängnisvollen sechziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts gründlich vorgenommen, ästhetisch verwüstet. interessant war die Holzstatue eines Ritters von Plessen aus dem dreizehnten Jahrhundert, gut erhalten, bildnismäßig realistisch, ein jugendliches Gesicht, das Panzerhemd um die schlanke, steifstarre Gestalt. Außen hatte der Restaurationssatan der Kirche glück-licherweise nicht die Haut abgezogen, in den feinsten Tönen ragte der hohe Bau empor, graugelblich verschimmelt, lilagrau verblaßt stand er zwischen dem Tiefgrün der Bäume, an der niederen Kirchmauer blühte goldgelber Rainfarren.
Der Pastor führte uns umher, wir lernten auch seine Familie und sein Haus kennen. Eine harmonische, musikliebende Welt, das alte, den weiten See beherrschende Pastorhaus lag im obstreichen Terrassengarten, den Blumenrabatten erhellten. Die Luise von Voß hätte sich hier abspielen können.
Unten am Ufer erhoben sich stattliche Gebäude, der Besitzer, der ,,Erbfischer“, stand dort, um die Herzöge zu begrüßen. Ihren Vorfahren hatte vor zwei Jahrhunderten im Unwetter sein Vorfahre das Leben gerettet, so war dieser Familie auf ewige Zeiten das Fischereirecht über den Schweriner See verliehen worden. Als Wetterfahne prangte auf dem Wohnhaus ein weithin sichtbarer Hecht.
Wir fuhren über das glatte, silberbesonnte Wasser, der Herzog Adolf Friedrich - er ist Gouverneur von Togo, nur dem Urlaubszufall verdankt er es, der englischen Gefangenschaft entronnen zu sein - erzählte vom Sultan, von Enver Pascha, er kam eben aus Konstantinopel.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch Deutschland