Wolgast

Mit Wolgast, das in der Nähe der Peenemündung belegen und wohl die älteste Stadt Pommerns ist, betreten wir denjenigen besten Teil von Pommern, der früher fast zwei Jahrhunderte hindurch zu Schweden gehörte und erst 1815 an Preußen kam. Schon zu Anfange des zwölften Jahrhunderts war Wolgast als starke Festung gefürchtet. Etwa ums Jahr 1190 ward sie von den Dänen zerstört und 1191 begann der Wiederaufbau. Zur Zeit, als Pommern in drei Teile zerfiel, in das Land Stettin, das Land Wolgast und das Bistum Cammin‚ war Wolgast die Residenz der Linie dieses Namens, und wird von den Chronikenschreibern das Schloss, von dem jetzt nur noch die Keller und sehr geringe Trümmer zu sehen sind, als sehr bedeutend geschildert. 1675 ward es von den Brandenburgischen Truppen gänzlich zerstört. Außer seinen beiden Kirchen, der Petri- und der zwölfeckigen Gertraudskirche, die einfach tüchtige Gebäude sind, hat Wolgast jetzt nichts mehr von architektonischer Merkwürdigkeit aufzuweisen. Dagegen aber verdient es Ruhm und Anerkennung wegen seiner sehr bedeutenden Schifffahrt und Kornausfuhr, deren neuesten großartigen Aufschwung zunächst die Tätigkeit und Umsicht eines einzigen Mannes, des Kommerzienrats Homeyer, ins Leben gerufen hat. Was andere größere Städte und kaufmännische Korporationen erst lange in Beratung zogen, setzte er, schnell entschlossen, aus eigenen Mitteln ins Werk. Er ließ aus England ein Dampfschiff kommen, um seine zahlreichen Schiffe, selbst beim konträrsten Winde, in See bringen zu können, und ließ zum großen Teil auf eigene Kosten die Chaussee von Wolgast nach Mökow zum Anschluss an die große Berliner Chaussee ins Werk setzen. Solcher Männer nur ein Dutzend in Pommern und des alten Oberpräsidenten Sack schon oben angeführte Prophezeiung: „aus Pommern muss noch ein zweites Pommern werden!“ ginge hundert Jahre früher in Erfüllung. Durch die schönsten Weizenfelder nähern wir uns jetzt über Mökow, an Wrangelsburg*) vorüber, dem alten pommerschen Musensitze

Greifswald.



*) An diesem historisch berühmten Namen eilen wir mit Fleiß schnell und schweigend vorüber; denn von der einst hier an Wald und Wasser gewiss recht hübsch und frisch gelegenen Burg Wrangels ist nichts weiter als der Name übrig geblieben. Erst vor wenig Jahren wurden die Ruinen als schöne behauene, zum Teil mit allerlei närrischem Zeug verzierte, Steine zu Fundamenten für Kuh- und Schafställe und andere solide Bauten auf gut pommerisch verwendet.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen an der Ostsee