Stettin

So zogen wir nun über Altdamm, gewissermaßen ein Vorwerk und eine Vorstadt von Stettin, in die Hauptstadt Pommerns ein, und unsere Erscheinung, 14 durchnässte Reisende kümmerlich auf einem Frachtwagen zusammengeduckt, mochte einen grellen Kontrast zu dem festlichen Einzuge bilden, den der König wenige Stunden vorher bei hellem Sonnenschein durch die mit Blumen und Guirlanden geschmückten Straßen gehalten hatte. Alle Fenster waren noch von Damen und Zuschauern bunt besetzt, und mehr als ein schallendes Gelächter sagte uns, dass wir eine höchst komische Figur in diesen Festlichkeiten spielten. Mit Mühe und Not fanden wir noch in den 3 Kronen ein Unterkommen, wechselten die Kleider und schlenderten, da das Wetter sich aufklärte, nun wohlgemut durch die Straßen. Stettin gewährt vor allen preußischen Ostseestädten das erfreulichste Bild der größten Regsamkeit und des neu aufblühenden lebhaftesten Handels. Von der Natur außerordentlich durch seine Lage begünstigt, hat es seit 20 Jahren selbst Danzig überflügelt und steht im Begriff mit den Hansestädten Lübeck, Bremen und Hamburg zu konkurrieren, und, was Preußen betrifft, binnen Kurzem durch die entstehenden Eisenbahnen die ausschließliche Einfuhr aller überseeischen Bedürfnisse an sich zu ziehen. Ganz außerordentlich ist in der letzten Zeit der Wert aller Häuser und Grundstücke hier in dem Maße gestiegen, als er in allen übrigen preußischen Ostseestädten gesunken ist und noch immer sinkt. Alljährlich steigen fast in allen Straßen neben den kleinen schmalen Giebelhäusern stattliche 3- und 4stöckige Gebäude im modernen Stile empor; und es ist nur zu beklagen, dass Stettin als Festung keiner größeren, räumlichen Ausdehnung fähig ist. Die Oder, welcher Stettin hauptsächlich sein reges Leben verdankt, fließt mitten durch die Stadt, und wird der auf dem rechten Ufer belegene Stadtteil die Lastadie genannt. Dorthin, als in den Mittelpunkt alles Treibens, begeben wir uns zuerst, und sehen hier mit Staunen, so weit vom Meere entfernt, die größten Seeschiffe, deren viele wohl alle Teile der Welt gesehen und befahren haben. Hier sind von großen Gebäuden das neue Packhaus und das Seglerhaus bemerkenswert.

Am Bollwerke entlang kommen wir dann auf den weißen Paradeplatz, allwo die vortreffliche Marmor-Statue Friedrich des Großen, durch Schadows Meisterhand aus den alleinigen Mitteln der Provinz, als ein Zeichen der Dankbarkeit, errichtet steht. Erwähnt zu werden verdient, dass selbst die Franzosen während der Belagerung von 1813, als ein Bombardement zu befürchten war, vor dieser Statue so viel Achtung hatten, dass sie dieselbe mit einer schützenden Wölbung überdeckten. Von hier begeben wir uns die Louisenstraße hinab, die fast durchweg nur stattliche Gebäude aufzuweisen hat, nach dem Rossmarkte, wo eine im Verfall begriffene Wasserkunst zugleich Aufmerksamkeit und Bedauern erregen möchte. Wenden wir uns jetzt zum Schlosse, so haben wir ein altes großes Gebäude vor uns, von welchem uns zwar Chroniken berichten, dass dasselbe 1575 von einem italienischen Baumeister aufgeführt worden sei, von dem aber jetzt Niemand weiß, in welchem Stile es eigentlich erbaut wurde; denn so unzählige Veränderungen hat man nach den Bedürfnissen der späteren Zeit damit vorgenommen. Die großen inneren Räume desselben werden teils durch die Königliche Regierung und das Oberlandesgericht, teils durch Kapellen für den französisch-reformierten und katholischen Gottesdienst, teils durch Exerziersäle und in neuerer Zeit durch die Wohnung des Ober-Präsidenten benutzt und ausgefüllt. Augenblicklich ist das alte Gebäude abermals neuen Reformen unterworfen. In einer der Kapellen befindet sich vor dem Altare die fürstliche Gruft, in welcher die Gebeine mehrerer Pommerschen Herzoge und Herzoginnen ruhen. Fremden wird, als etwas Ausgezeichnetes, ein Gemälde gezeigt, welches den feierlichen Einzug Herzog Bogislaws in Venedig darstellt, als er von seiner Wallfahrt nach Jerusalem zurückkehrte, und als eine Kuriosität ist im großen Schlosshofe die Uhr bemerkenswert, welche im Zifferblatt ein kolossales Gesicht darstellt, das mit jedem Perpendikelschlage die Augen verdreht. Nicht weit von hier befindet sich die Jacobikirche, die zwar mitten in der Stadt, aber dennoch sehr versteckt gelegen, ein höchst düsteres Ansehen und unschönes Äußere hat. Das Innere ist jedoch großartig und imponiert durch die schöne Wölbung des Schiffes. Sehenswert ist das schöne Altarbild, die Kreuzesabnahme darstellend, als ein Werk eines hiesigen Malers, des Herrn Längerich; auch eine schöne Orgel gereicht der Kirche zur Zierde. Wer die Mühe nicht scheut, den Turm zu ersteigen, wird sich durch eine herrliche Aussicht über das weite Odertal und alle die belebten Gewässer und angebauten Ufer belohnt finden. Von hier begeben wir uns in das neue Börsengebäude, welches von dem Reichtum und dem Geschmack der hiesigen Kaufmannschaft ein gleich ehrenvolles Zeugniss gibt. Obgleich wir bisher unserm Vorsatz: von den Festlichkeiten der Huldigung, die wir fast in allen diesen Städten mit erlebten, wenig zu berichten, ziemlich treu geblieben sind, so können wir doch nicht umhin, die sinnige Art und Weise zu rühmen, mit welcher Stettin alle seine Empfangsfeierlichkeiten und ganz besonders hier im Börsenhause, wo die Kaufmannschaft dem König ein Fest gab, angeordnet hatte. Zwischen großen Transparenten, welche am Eingänge der Börse den Flor des Handels und der Schifffahrt andeuteten, standen für den König die Begrüßungsworte: „Dein Geist belebt, was vorwärts strebt!“ und der König, der schon als Kronprinz immer eine besondere Vorliebe für Stettin hatte, soll diesen Lobspruch sehr freundlich aufgenommen haben. Nächst der Börse ist noch das neue Gymnasium sehenswert, welches die Inschrift führt: Juventuti bonis artibus erudiendae 1832. Machen wir nun einen Spaziergang um die Wälle, wozu eine Erlaubnisskarte des Kommandanten nötig ist, so genießen wir freundliche Überblicke über die Stadt und den schiffreichen Strom, und kommen an zwei Toren vorüber, welche durch ihre eigentümliche, mit kriegerischen Emblemen reich geschmückte Bauart unsere Aufmerksamkeit mit Recht auf längere Zeit in Anspruch nehmen. Franz Kugler sagt in seiner pommerschen Kunstgeschichte: „König Friedrich Wilhelm von Preußen ließ diese beiden prächtigen Tore, das Berliner und das Anklamer Tor genannt, bauen, deren reiche und kräftig gehaltene Dekoration zu den schönsten Zierden der Stadt gehört, wie ihnen denn auch nur wenige Festungstore, selbst nicht die sehr berühmten von Verona, an Schönheit voranstehen dürften.“ — Durch die vor dem Anklamer Tore liegende freundliche Plantage gelangen wir in den Logengarten, von dessen Balkon sich der freundlichste Totalanblick der Stadt darbietet. Von hier aus ist das diesem Werke beiliegende Bild von Stettin gezeichnet worden. Das Gebäude rechter Hand, das mit seinem stumpfen Turme die Stadt weit überragt, ist die oben erwähnte Jacobikirche, und das fast damit zusammenhängend scheinende turmreiche weite Gemäuer ist das ebenfalls schon beschriebene alte Schloss. Indem ich dies schreibe, kommt mir zu meinem wahren Schrecken die durch Robert Binders Kunstverlag in Leipzig gestochene Zeichnung von Stettin zu Gesicht, und ich ersehe daraus, dass der Stecher, um es sich bequem zu machen, nicht weniger als 3 Türme am Schloss und an der Kirche völlig unberücksichtigt gelassen hat. Dies im Werke selbst öffentlich zu rügen, bin ich meinem Reisegefährten, dem Landschaftsmaler Bernhard Peters, zu seiner Rechtfertigung schuldig und verbunden. Stettin hat in seinem Logengarten einen sehr hübschen Vereinigungspunkt der eleganten Welt, und wer Freund von weiteren Spaziergängen ist, darf nicht versäumen, die sehr schön gelegenen Orte Grabow und Frauendorf zu besuchen. Der Weg dorthin führt durch die Vorstadt Unterwik und an den Schiffsbauplätzen vorüber, und hat aus diesem Grunde allein schon für den Reisenden, der noch keine im Bau begriffenen Schiffe sah, viel Interessantes. Grabow selbst aber enthält viele freundliche Landhäuser und ist noch besonders merkwürdig dadurch, dass hier, in dem nun verschwundenen herzoglichen Lustschlosse‚ der Aberglaube sein letztes trauriges Opfer fand. Im Jahre 1620 nämlich wurde hier die schöne Sidonia von Bork der Hexerei wegen angeklagt und nach grässlichen Foltern öffentlich verbrannt. Frauendorf bietet Gelegenheit zu einer weiteren hübschen Wasserpartie, die an lieblichen, oft höchst malerisch bebauten Ufern vorüber führt und nicht genug empfohlen werden kann. Den Chroniken zufolge waren die Ufer der Oder auch hier ununterbrochen mit Wein bepflanzt, und Cosmus von Simmern will im Jahre 1616 an der Tafel des Herzogs Philipp zu Stettin sowohl alten als neuen Wein getrunken haben, welcher bei der Stadt in solcher Menge gewachsen sei, dass nach der Aussage des herzoglichen Marschalls über 100 Ohm gepresst worden wären. — Auch ein Spaziergang nach dem nahe gelegenen Fort Preußen ist zu empfehlen. Werfen wir nun noch einen historisch-statistischen Rückblick auf Stettin, so stand vor kaum 1.000 Jahren hier, wo jetzt das regste Leben herrscht, ein Fischerdorf und eine wendische Burg, in der den heidnischen Göttern, dem Triglaf und Swantevit, blutige Opfer gebracht wurden. Bereits im 13ten Jahrhundert scheint Stettin stark befestigt gewesen zu sein, und Gustav Adolph legte 1630 den Grund zu der jetzigen Ausdehnung der Festung; 1677 wurde sie dennoch vom großen Churfürsten erobert, und nach 2 Jahren den Schweden wieder zurückgegeben. 1713 wurde sie von den Russen belagert und heftig beschossen, und 1720 kam sie an Preußen. Leider aber gehört auch Stettin zu jenen in der Geschichte gebrandmarkten Festungen, die sich 1806 ohne Widerstand und Schwertstreich den Franzosen ergaben. Stettin zählt jetzt über 30.000 Einwohner und treibt mit etwa 150 eigenen Seeschiffen einen jährlich bedeutend zunehmenden Handel. Zu den hier jetzt lebenden interessanten Männern gehören: der Dichter Ludwig Giesebrecht, der Componist Löwe und der Genremaler Most, deren Bekanntschaft zu machen wir so glücklich waren. Rühmenswert ist noch anzuerkennen, dass der hiesige Kunstverein sich die Unterstützung junger talentvoller Maler nach Kräften angelegen sein lässt. Wer wie wir ein Freund von gutem bayrischen Bier und durch das Auf- und Absteigen der bergigen Straßen Stettins müde und durstig geworden ist, der versäume nicht an der Grapengießer- und Breiten-Straßenecke bei dem dort wohnenden Uhrmacher ein Glas echt bayrisches Bier zu trinken; man findet hier stets gute und heitere Gesellschaft.


Wir trafen es so glücklich, dass am andern Morgen in der Frühe ein Dampfschiff nach Swinemünde abging, und versäumten nicht, zur rechten Zeit uns am Bord der eleganten Kronprinzessin einzufinden. Die Glocke läutete, die Taue wurden gelöst und unter dem Aufwirbeln des Rauches und dem Rauschen der Räder begann die Fahrt, erst langsam, dann immer brausender und schneller. Die schönen Punkte Grabow, Bredow, Züllchow, das liebliche Frauendorf, welches stufenartig unter dichten Baumgruppen am Abhange hinaufsteigend liegt, Gotzlow, Cavelwiese, Stolzenhagen u. A. treten uns nun nochmals vors Auge, und die Fahrt hat, bis wo die Ufer flacher und endlich ganz flach werden, in der Tat etwas Reizendes. Interessant ist es, wie am frühen Morgen aus den Uferdörfern die Landbewohner mit Bedürfnissen aller Art in kleinen Kähnen nach Stettin eilen und nun ihre liebe Not haben, an dem Dampfschiff, welches das schmale Fahrwasser fürchterlich in Bewegung bringt, glücklich vorbeizukommen. Die Glocke des Schiffes gibt dann das warnende Zeichen und die Kühne suchen das schützende Ufer zu gewinnen. Nachdem wir links an der Stadt Pölitz, rechts an den Dörfern Camelshorst, Langenberg u. A. vorbeigesegelt, wird endlich am Oderkruge, der als einzelnes Haus auf dem linken Ufer liegt, der Strom so enge, dass das Dampfschiff kaum Raum für seine Bewegung gewinnt; bald aber erweitert sich das Fahrwasser, wir gelangen durch den sogenannten Dammansch in das Papenwasser, an welchem die Stadt Stepnitz sichtbar wird, und fahren dann in die große weite Fläche des Haffs, welches sich in einer Ausdehnung von 14 bis 15 Quadratmeilen vor uns ausbreitet. Aus diesem Bassin strömt die Oder durch drei Mündungen, welche die Inseln Usedom und Wollin bilden, ins Meer, durch die Peene, an Wolgast vorüber, bei Peenemünde, durch die Swine bei Swinemünde, und endlich durch die Diwenow bei Cammin. Da wir nach Swinemünde wollen, müssen wir den mittleren der drei Ströme befahren, und das Fahrwasser ist hier so bedeutend, die Fahrt oft so stürmisch und schwankend, dass man wähnt, sich auf offener See zu befinden, während hier doch überall der Tod nur im süßen Wasser zu finden ist. Am linken Ufer des Haffs, dort wo das Papenwasser aufhört, erblicken wir Ziegenort, weiterhin Neuwarp und rechts in bedeutender Entfernung ragen die Türme des alten Wollins hervor. Ist der Einfluss der Swine erreicht, so ist links Caseburg, rechts, weiter hinauf, Pritter bemerkbar, und es währt nun nicht lange mehr, so erscheint uns Swinemünde, als eine bescheidene Häuserreihe mit zahllosen Masten voll flatternder Wimpel festlich geschmückt.

Bevor wir uns nun zur näheren Beschreibung von Swinemünde und dem davon unzertrennlichen Heringsdorf wenden, müssen wir einen allgemeinen Blick auf das Land, auf die Inseln Wollin und Usedom werfen; denn hier ist der Boden der romantischen Sagen von Julin, Wineta und der Jomsburg.

Die uns rechts gelegene Insel Wollin wird durch die Swine von Usedom und durch die Diwenow von Hinterpommern getrennt und ist etwa 472 Quadratmeilen groß. Der Boden ist hauptsächlich sandig, zum Teil lehmig und fast durchweg bergig. Die Berge hier haben aber das Eigentümliche, dass sie wandern. Der Wind weht oft nach Gutdünken einen Sandberg hierhin, den andern dorthin. Dennoch sieht man auch hier, namentlich entfernter von der Meeresküste, Wiesen, Wälder und Felder recht üppig gedeihen, und die Heuwerbung ist hier sehr bedeutend. Die einzige Stadt der Insel ist die uralte Wendenburg Wollin, mit etwa 3.000 Einwohnern, die sich von Fischerei, Seefahrt und Schiffbau nähren. Einige wollen in dieser Stadt die geringen Überreste der berühmten, einst so volkreichen und mächtigen Handelsstadt Julin erkennen, und jedenfalls ist diese Annahme von allen den schönen romantischen Sagen, die wir, unserer Pflicht gemäß, gleich näher in Erwägung ziehen werden, am richtigsten. Die uns links gelegene Insel Usedom, die wir mit Swinemünde betreten, ist bei weitem schöner, größer, bebauter und volkreicher als Wollin. Sie ist vom Wasser höchst abenteuerlich zerkerbt und läuft an einigen bereits sehr schmalen Erdzungen Gefahr, zerrissen zu werden. Die Insel zerfällt dadurch in sich wieder in unendlich viele Halbinseln, welche Winkel genannt werden, von denen der Wolgaster, der Lieper und der Zechiner Winkel die hauptsächlichsten sind. Der Wolgaster Winkel mit der waldreichen Halbinsel Gnitz hat schöne frischkräftige Partien und ist ein Paradies für Freunde der Jagd. Da wir nur die romantischen Küstenpunkte der Insel in Augenschein zu nehmen Willens sind, so sei hier nur bemerkt, dass außer Swinemünde, das wir bereits erreicht haben und bald näher betrachten werden, noch ein Städtchen Usedom existiert, das sehr alt ist, und ehemals, bevor es im Jahre 1473 ganz niederbrannte, groß und volkreich war. Wenden wir uns nun zu den romantischen Sagen von Wineta, Julin und der Jomsburg, so ist dies ein Punkt, der den Gelehrten schon sehr viel Kopfbrechens verursacht hat. Die älteren pommerschen Geschichtsschreiber erzählen nämlich einstimmig, dass auf der Nordküste von Usedom eine Stadt Namens Wineta‚ etwa am Fuße des Strekelberges, gelegen habe, die eine der größten und volkreichsten in Europa gewesen und endlich durch Uneinigkeit der Bürger und Ergießung des Meeres zu Grunde gegangen sei. Helmoldus und Crantzius, und nach ihnen Micrälius, wissen unendlich viel von ihrem großen Handel und Reichtum zu erzählen. Die Tore der Stadt sollen von Erz und Glockengut‚ und Silber soll so gemein gewesen sein, dass man die gewöhnlichsten Gerätschaften daraus verfertigt habe. Ja, Micrälius sagt: „und siehet man noch heutiges Tages bei stillem Wetter im Meere, Damerow gegenüber, eine halbe Meilweges vom Ufer, wie die Gassen in einer schönen Ordnung liegen; und das Teil alleine dieser Stadt, so man unter dem Wasser sehen kann, ist größer als der Begriff der Stadt Lübeck anzusehen.“ Bei aller Vorliebe für das Romantische, zumal in Pommern, müssen wir uns doch auf die Seite derer schlagen, die da behaupten, dass Wineta nie existiert habe und der Name nur aus einer Verwechslung mit Jumne, welches Jomsburg bedeutet, entstanden sei. Steine liegen da, wo Wineta gestanden haben soll, allerdings in Masse und der beste Beweis dafür ist, dass die prächtige Swinemünder Mole größtenteils aus Steinen, die von hier geholt wurden, erbaut worden ist. Aber diese Steine sind ursprünglich nicht von Menschenhand als Fundamentsteine zu Kirchen und Rathäusern‚ wie die Chronikenschreiber und nach ihnen Konsistorialrat Zöllner und Pastor Meinhold behauptet haben, gelegt worden, sondern die Allmacht Gottes, die das Fundament des Meeres nach keinem Zöllner’schen Grundriss zu legen beliebte, hat sie wie eine Handvoll Sand dahin geworfen, damit dereinst nach Jahrtausenden die segensreiche Swinemünder Mole mit leichterer Mühe daraus erbaut werden könne. Friedrich Furchau, der zu wenig bekannte Sänger des Heldengedichtes Arkona, sagt sehr treffend:

„Es ist wohl als ausgemacht anzusehen, dass Wineta nur aus einer Verwechslung des Namens Jumne bei Adam von Bremen (welches mit Jomsburg gleichbedeutend) entstanden ist, dass also nur ein arger Irrtum den Glauben an die wunderbare Stadt so lange und ernstlich hat fortpflanzen können. Auch haben Lokaluntersuchungen schon vor mehr als dreißig Jahren dargetan, dass nicht versunkene Straßentrümmer, sondern Züge eines Felsenriffes im Grunde des Meeres an jener Stelle sich befinden, die man für die Stätte des versunkenen Wineta hat ausgeben wollen. Wenn sonst die Poesie gern das Reich der dunklen Sagen zu beleben sucht, so schien es doch in diesem Falle an der Zeit, einem so eigensinnigen Märchen, das sich in das Gebiet der Geschichte trotzig hat eindrängen wollen, auch einmal einen poetischen Tod zuzufügen. — Und Furchau singt im 4ten Gesange S. 74:

„Wineta ist ein lockend irrer Traum,“
Spricht Rugebold, „und falsch die süße Kunde,
Denn keine Stadt stand je auf diesem Raum,
Doch Steine liegen dort im Meeresgrunde,
Wohin ich oft die reichen Schiffe locke:
Sie folgen gern dem glänzend bunten Schein,
Sie scheitern dann am scharfen Felsenblocke,
Und ohne Müh’ sind ihre Schätze mein.
Jetzt sollst du selbst das Spiel der Kräfte schauen,
Die täuschend dort Winetas Türme bauen.“

Rugebold ist nämlich in diesem Epos ein Zauberer, der mit seinem Reisegefährten Granza von Arkona nach der Jomsburg segelt. Granza glaubt an der Küste von Usedom Wineta zu sehen und ruft aus: Wineta!

Ich sehe dort die erzerbaute Mauer,
Der Türme Dach‚ das hochgewölbte Tor:
O hält’ ich schon die edle Stadt erreichet,
Der keine sonst an Lust und Schätzen gleichet.

Diesen Wahn nun zu zerstören und seinen obigen Worten Gewicht zu geben, öffnet Rugebold mehrere mit Dampf gefüllte Schläuche:

— — es steigen
Die Dünste auf und ab, geschäftig hebt
Sich Turm an Turm, die hohen Mauern zeigen
Der Tore viel, im langen Zuge dehnet
Sieh, schiffereich‚ des Hafens grader Bau,
An den sich breit des Marktes Halle lehnet;
Es scheint, als stehn die Waren dort zur Schau,
Es ist, als ob der Menschen bunte Haufen
Für reiches Geld Gerät und Früchte kaufen.

Als Granza hoch erstaunt das Wunder schaut
Und Glaub’ und Blick im heißen Zweifel streiten,
Ruft Rugebold und lachet höhnend laut:
„So werden einst die Weisen später Zeiten
Die reiche Stadt, die niemals war, beschreiben.“

In Ansehung Julins aber dürfen wir mit Gewissheit annehmen, dass das jetzige Wollin zur Zeit seiner Blüte diesen Namen trug. Micrälius, der treuherzige, mehr gläubige als glaubwürdige Pommer, meldet über Julins Flor und Untergang:

„Von Julino haben wir schon etwas Nachricht im vorigen Buche gegeben, und ist dieselbe insonderheit nach Winetä Untergang eine berühmte, ja die größeste Stadt in ganz Europa geworden, wie Adamus Bremensis saget. Denn aller Handel, der zuvor bei Wineta war, ward teils nach Wissby in Gothland, teils nach Julin geleget. Und ist Julin so mächtig geworden, dass sie große Kriege geführt, und Suenottonem, den König aus Dänmark, wohl dreimal gefangen davon gebracht hat. Wie volkreich sie gewesen, erhellet daraus, dass, da Bischoff Otto sie endlich zum christlichen Glauben beredete, sich bei 22.000 Menschen zur Taufe angegeben haben. Aber kurz nach Bischoff Ottos Abschied sind die Julinischen wiederum vom christlichen Glauben abgefallen, und da sie im Anfang des Sommers alter Gewohnheit nach ein heidnisch Fest mit Fressen und Saufen feierten, und einen alten verlegenen Götzen wiederum hervor suchten, und denselben mit großem Frohlocken in der Stadt herum trugen , und dabei Christum aufs heftigste verlästerten, ist, wie die pommerschen Chroniken vermelden, Feuer aus der Luft in die Stadt gefallen, hat sie angezündet, und in Grund verbrannt, dass sie ganz zu nichte geworden ist. Und ob sie wohl wieder daran baueten, ist sie doch nie zu vorigen Kräften gekommen, sondern Gottes Hand ist schwer über sie immerfort geblieben, bis auch endlich im Jahr 1170 Waldemar, König von Dänemark, durch die Divenow mit einer ansehnlichen Schiffarmee auf sie zuging, sie unversehens überfiel, plünderte, und aufs neue verbrannte. Und ist nachmals eine geringe Stadt Wollin, da kaum zwei oder drei hundert Bürger anjetzo wohnen mögen, nicht weit von dem vorigen berühmten Julin erbaut worden.“

Die Entstehung des Namens Julin erklärt Micrälius nach älteren Chroniken daher, dass die Römer bis hierher vorgedrungen seien und eine Säule zu Ehren und zum Gedächtnis des Julius Cäsars aufgerichtet hätten. Dadurch sei dann viel Zulauf der Leute, gleichsam ein öffentlicher Markt und endlich gar eine feine ansehnliche Stadt entstanden, die sich auch wohl Königen hätte widersetzen dürfen. Cramerus aber, ein anderer Chronikenschreiber, will wissen, dass Wollin, oder Volinum auf Polnisch, von den Ochsen den Namen habe — schließt Micrälius.

Ganz anders aber verhält es sich mit Jomsburg, welches eine uralte, von den Dänen unter Anführung des Palnatoke angelegte Seeräuber-Kolonie war, die von Waldemar dem Großen zerstört wurde. Diese lag aber weder auf Usedom, noch auf Wollin, sondern an der Preußischen Küste. Genau aber die Stelle zu bezeichnen, ist schwer. Die Heimskringla-Sage und andere alt-nordische Sagen tun der Jomsburg ausführlich Erwähnung. Alle neueren Geschichtsforscher aber schlüpfen leicht darüber hinweg und meist findet man sie nur allgemein, als an der wendischen oder preußischen Küste belegen, bezeichnet. Furchau, dem wir auch hier den gesündesten Blick zutrauen wollen, sagt in dem obenerwähnten Gedicht Arkona:

Vor langer Zeit an Preußens Küste war
Von Palnatokes starkem Arm gegründet
Die Heldenstadt, wo tapfrer Kämpfer Schaar
Zum ew’gen Krieg durch Schwüre sich verbündet.
Noch immer kam aus vielen fremden Landen
Gen Jomsburgs Schloss der jungen Krieger Zahl,
Die dort des Mutes heil’ge Muster fanden,
Die streng geübt im hohen Waffensaal
Und fest bewährt in edlen Kriegessitten,
So hohen Ruhm als reichen Schatz erstritten.

Ein fest Gesetz verband die Krieger dort;
Kein Jüngling ward zum mächt’gen Bund gezählet,
Den makellos nicht jedes Kämpfers Wort
Nach harter Waffenprüfung frei erwählet;
Nie durft’ ein Weib zur Heldenstadt sich wagen;
Gemeinsam war der Beute reiches Gut;
Der Helden Tod, die wilder Kampf erschlagen,
Versöhnte nur der Rache heißes Blut.
So stand der Bund in hohem Kriegesruhme,
Doch schwur er ew’gen Krieg dem Christentume.

Kehren wir nun aus der dunklen Zeit der Sage zur hellen Gegenwart zurück, so erblicken wir in Swinemünde eine blühende Hafenstadt, in der noch kein Haus ein hundertjähriges Alter nachweisen kann. Die Stadt liegt in großer Ausdehnung, jedoch sehr geringer Breite an dem weiten Bassin des Swinestroms, den man an seiner Mündung durch zwei mächtige Steindämme eingeengt hat, damit er an Kraft gewinne und dem ewig andrängenden Sande den Eingang in den Hafen verwehre. Die Straßen Swinemündes sind gerade und breit, jedoch ungepflastert; die Häuser sauber, freundlich, einstöckig und meist mit Erkern versehen. Die Bäume, so hier fast vor allen Türen stehen, sind gewöhnlich in steifem holländischen Geschmack kasten- oder kugelförmig beschnitten, doch soll ganz kürzlich ihr Coiffeur in seinem Berufe gestorben sein, indem er von der Leiter gestürzt, als er just wiedereinmal gotteslästerlicher Weise die Werke Gottes verbessern wollte. An Gebäuden ist eigentlich nichts Merkwürdiges vorhanden. Eine eigene, höchst ärmliche, Kirche hat Swinemünde erst seit dem Jahre 1792. Bis dahin mussten die Einwohner nach dem benachbarten Dorfe Westswine zur Kirche gehen. Das Rathaus ist mit einem Türmchen geschmückt, dem einzigen, welches Swinemünde aufzuweisen hat, und von diesem herab werden jeden Sonntagmorgen drei Verse irgend eines bekannten Liedes zur Erbauung der Einheimischen und Fremden geblasen. Als recht geschmackvoll ist der etwa 80 Fuß lange und 40 Fuß breite Kursaal in dem 1826 erbauten Gesellschaftshause zu nennen. Unmittelbar vor diesem Gesellschaftshause ist der Anlandeplatz für die von Stettin und Kopenhagen kommenden Dampfschiffe. An diesem Teile des Bollwerks, an dem sich das meiste Leben der Stadt konzentriert, liegen auch gewöhnlich die russischen mit kaiserlicher Pracht ausgestatteten Dampf- und Kriegsschiffe, die hier oft Monate lang bleiben und den Swinemündern zwar viel Geld, aber auch viel Ungeziefer und viele Betrunkene bringen. Die Sprachen aller handeltreibenden europäischen Nationen hört man an diesem Bollwerke reden, und im Frühjahr hat das Leben hier in der Tat etwas Großartiges. Von der See wird die Stadt durch einen frischen Erlenwald, die Plantage genannt, getrennt, durch welchen Fahr- und Fußwege nach allen Richtungen, meist nach der Küste zu den Badeplätzen hinabführen, die, wie schon angedeutet, sehr rühmenswert sind, obgleich mitunter der Einwand gemacht worden ist, dass wegen der nahen Ausströmung der Swine das Wasser oft noch von den wenigen Salzteilen verliere, welche die Ostsee ohnehin nur mit sich führt. Die ganze Einwohnerschaft, Doktor und Apotheker an der Spitze, sträubt sich jedoch hiergegen ganz gewaltig und der Einwand ist und bleibt auch sehr nichtig. Zum Gedeihen der neuen Badeanstalt aber, um die sich Männer, wie Sack, Kölpin und Böhlendorf so verdient gemacht haben, wäre zu wünschen, dass in den Preisen für Miete und andere Bedürfnisse eine Ermäßigung eintreten möchte. Die Industrie der Einwohner dieses kleinen Ortes spekuliert gegenwärtig zu sehr auf die kurze Badezeit, sucht die Gäste oft gar zu sehr zu schröpfen und ist es daher kein Wunder, dass sich die Badegäste mehr und mehr nach dem ohnehin viel schöner und zum Baden bequemer gelegenen Heringsdorf begeben.

Swinemünde hat keine öffentliche Spielbank und deshalb allein schon halte ich es einer warmen Empfehlung wert. Gesellige Vereinigungspunkte, die sich fast auf den Balkon des Gesellschaftshauses und den Spaziergang am Bollwerk beschränken, könnten dagegen mehr vorhanden sein. An hübschen Punkten in der Umgebung ist Swinemünde reich. Das nahe gelegene Hafendorf Ostswine gewährt eine herrlich weite Sicht in die See und die verschiedenen Warttürme, Baaken und Flaggenstangen, von welchen herab und durch welche die Lotsen alle in Sicht kommende Schiffe signalisieren, und alsbald darauf in See stechen, um die Ankommenden sicher in den Hafen zu geleiten, führen dem Fremden höchst interessante und originelle Bilder vors Auge. Unter den Landpartien, die von Swinemünde ausgemacht werden müssen, ist der nächste schöne Punkt der Golm, ein mit herrlichen Buchen bestandener Hügel. Auf seiner Höhe trägt er eine Art von Halle, aus der man eine entzückende Aussicht über Land, Meer und Binnenwasser, über Wiesen, Felder und Wälder hat. Dieser Berg beschließt den Bergrücken, der sich durch das Innere der Insel zieht, oder, wenn wir weiter nach Südost eine Fortsetzung finden, so ist doch hier ein weites Tal, das fast nur Wiesen und Torfland umschließt. Hart bis an die Küste erstreckt sich gegen Norden der Wald über Berg und Tal, und darüber hinaus zeigt sich das Meer in seiner Majestät. Deutlich sieht man hier die roten Dächer von Swinemünde und alle die Masten und Segel der eiligen Schiffe. Den krummen Lauf der Swine kann man aus dem Haff bis ins Meer verfolgen und bei klarem Wetter sind auch die Türme des uralten Wollins sichtbar. Unstreitig ist der Golm der schönste Sichtpunkt der Insel; hier ist der Wechsel in Land und Meer am buntesten und kecksten. Alles trägt den ernsten nordischen Charakter der Ruhe und Tiefe. Es ist keine lachende Landschaft; man sieht keine Hirten gelagert oder auf der Weide ihr Vieh treiben; hört keine Schalmeien, sieht keine muntern Landmädchen und Buben, die nach der Fidel springen und sich des Lebens freuen, nein, hier sind nur dunkle Wälder, die hin und wieder durch lichtgrüne Wiesen durchbrochen werden, auf denen nicht etwa stattliches Vieh frei in Herden weidet, sondern auf denen man hin und wieder ein Pferd oder einen Ochsen, oder auch ein Paar, mittelst eines Strickes mit einem Hinterfuß an einen Pfahl gebunden findet, auf dass sie nicht mehr fressen, als ihnen gut ist. Tiefblaue Landseen und alte ehrwürdige Eichen aber gibt es in Menge, die dem Wanderer ins Ohr rauschen, dass es hier zuweilen sehr ernst zugegangen sei, wenn der kalte Sturm aus Norden oder Nord-Ost über die Ostseefläche brauset.

Fahren wir nun am Strande weiter entlang, so gelangen wir nach einer halbstündigen Fahrt nach Heringsdorf, das gar lachend und einladend in malerischer Unordnung mit seinen weißen Häusern das bergige Ufer bedeckt. Freundlicher, als hier, kann der Ruhe und Heilung Suchende nirgends aufgenommen werden. Näher ans Meer kann der Mensch seine Schlafstelle nicht aufschlagen, als es hier der Fall ist. Auf dem höchsten der Hügel, auf welchen Heringsdorf zerstreut liegt, steht in junger grüner Anpflanzung das Traiteurhaus, von welchem man wieder durch zwei weite Schluchten nach Nord-Ost und Nord-West eine herrliche Fernsicht über das Meer genießt. Gegen Norden liegt das Traiteurhaus durch einen waldbewachsenen Hügel geschützt, von dessen Höhe man bei klarem Wetter die steilen Ufer Mönchguts erblickt. Alljährlich entstehen auf dieser Hügelgruppe mehr und mehr Häuser in höchst buntem Geschmack, die teils von Swinemündern, teils Auswärtigen aus Spekulation und Liebhaberei hier erbaut werden. Der kürzlich verstorbene Professor Klenze, der Dichter Wilibald Alexis und der Schauspieler Devrient waren und sind noch jetzt Besitzer solcher reizend gelegenen Häuser. Seinen Namen trägt dies neue Seebad von dem Umstande, dass die Bewohner des ehemals sehr ärmlichen Fischerdörfchens auf der Höhe, wo jetzt das Traiteurhaus steht, den letztverstorbenen König von Preußen und die Fürstin von Liegnitz zum Frühstück mit frischen in Salz und Wasser gekochten Heringen regalierten. In Folge dieses Frühstücks gab der König dem D?rfchen den Namen Heringsdorf. Die Lebensweise ist im Ganzen hier sehr billig. Für 20 bis 30 Thaler kann man für die ganze Badezeit eine ländlich hübsche Wohnung mit zwei Betten haben. Wer ungestört nur der Natur, seiner Gesundheit und einem engeren gebildeten Kreise von Badegästen leben will, muss nach Heringsdorf gehen.

Weiter nordwestlich an der Küste hinauf ist nun noch der bei Coserow hart an der See belegene, etwa 120 Fuß hohe Strekelberg bemerkenswert, welcher den höchsten Punkt der Insel Usedom bildet. Sein Scheitel trägt nur mühsam angepflanztes Weidengestrüpp, spärlich wachsenden Strandhaber und eine dreieckige, etwa 30 Fuß hohe Baake, als Signal und Warnungszeichen für fern ansegelnde Schiffe. Früher soll der Berg ganz mit Wald bestanden gewesen sein und ein für ferne Sichten über Land und Meer begeistert gewesener Oberförster hat ihn, wie die Sage geht, unbarmherzig niederstrecken lassen. Die Aussicht ist nun freilich nach allen Seiten unermesslich und mancher Fremde, der von hier das weite Meer und alle die Küsten- und Inselgruppen überschaut, mag dies dem seligen Oberförster schon im Stillen gedankt haben. Nicht aber so das landeinwärts am Fuß des ewig umstürmten Berges gelegene Kirchdorf Coserow. Dieses arme Dorf, das früher einen vortrefflichen Lehmboden gehabt haben soll, liegt gegenwärtig ganz im Sande, und so oft der frische Nord-Ost dem an Sand unerschöpflichen Strekelberg über das kahle Haupt fährt, wird es auf's Neue damit überschüttet. Vom Strekelberge aus erblicken wir auch die Eilande Ruden und die patriarchalische Greifswalder Oie. Auf dem Ruden, und nicht, wie es gewöhnlich heißt, auf Rügen, betrat Gustav Adolph zuerst den deutschen Boden, kniete er nieder und bat Gott um Beistand, als er es für seine Pflicht hielt, der Glaubensfreiheit und dem Lichte der Reformation mit dem Schwerte zu Hilfe zu kommen. Der Ruden wie die Oie sind traurige kahle Sandinseln, die kaum ein paar Kühe ernähren können. Die hier bei den Signalen und Leuchtbaaken wohnenden Lotsen müssen ihre Lebensmittel fast sämtlich vom Festlande beziehen. Vom Strekelberge nun noch weiter nordwestlich die gänzlich öde Küste Usedoms zu besuchen, wäre Tollheit, und wir schlagen daher über Damerow, Zinnovitz und Bannemin den nächsten Weg nach der Wolgaster Fähre ein.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen an der Ostsee