Rostock

Diese Stadt macht auf den Fremden einen äußerst wohltuenden Eindruck. Teils an Danzig, mehr noch an Lübeck erinnernd, hat sie doch auch manches von der modernen Art Stettins und es ist ein gewisses Bewusstsein von Würde und Wohlhabenheit, das sich in diesen hohen hellfenstrigen Giebelhäusern ausspricht. Die Straßen sind nicht zu enge, sind reinlich, sind belebt, Handel und Wandel gibt sich darin kund. Wein, Tabak und alle überseeischen Produkte sind steuerfrei, gut und billig, und wo der Deutsche gut trinken und rauchen kann, da erträgt er manches mit heiterem Gesichte. Die Verfassung der Stadt ist fast dieselbe , die wir in Stralsund kennen gelernt, und ihre Privilegien werden, dem Großherzoge gegenüber, mit vielem Freimut vertreten und festgehalten. Als Universität ist Rostock mehr eine Kuriosität als ein Ding von Bedeutung, und mancher Rostocker stirbt, ohne in seinem Leben einen Studenten gesehen zu haben. Begeben wir uns auf den Markt, so sehen wir ein bedeutendes, von recht mannigfaltig verzierten hohen Giebelhäusern eingeschlossenes Viereck, unter denen sich der „Gasthof zur Sonne“ und der „Schleudersche Gasthof“, die beide zur Einkehr zu empfehlen sind, und beide überraschend schöne große Tanzsäle enthalten, bemerkbar machen. Das bedeutende, mit sieben Türmchen und sieben Eingängen geschmückte Rathaus nimmt fast eine ganze Seite des Marktes ein, und sieben Straßen führen von hier teils zum Hafen, zum Ufer der Warnow, teils durch stattliche alte Tore ins Land. Gehen wir dann die Blutstraße hinab, die besonders schöne alte Giebelhäuser enthält, so gelangen wir zum Blücherplatze, wo unter grünen Bäumen die Schadow’sche Statue Blüchers, des derbsten aller Mecklenburger, mit der bekannten Goethe’schen Inschrift steht. Hiernächst sind noch die Marien- und Jacobikirche, in ersterer liegt Hugo Grotius begraben, der Zwinger und die beiden Giebelhäuser am sogenannten Schilde der Beschauung wert. Lohnend ist auch ein Spaziergang auf den beträchtlich hohen Wällen, die mit samt den Mauern und Toren einen Begriff von Rostocks früherer Festigkeit geben. Einen äußerst lieblichen Strand- und Badeort besitzt Rostock in seinem Hafen Warnemünde. Dahin strömt denn auch im Sommer vermittelst eines Dampfschiffes die ganze schöne Welt der Stadt, und unter den Zelten vor den Türen der spiegelblanken Fischerhäuser sitzen am Kaffeetische bei häuslicher Arbeit, ähnlich wie in Zoppot, die lieblichen Töchter der Rosenstadt, denn urbs rosarum ist der lateinische Name Rostocks.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen an der Nord- und Ostsee