WECHSELBURG. K. Sachsen AH Rochlitz.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
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WECHSELBURG. K. Sachsen AH Rochlitz.

Schloß-K. (früher K. des Augustiner-Klst. Zschillen). Gegr. 1168 von den Wettinern. Das Weihedatum 1184 nicht maßgebend; die einheitliche Formengebung weist auf das 2. bis 3. Jahrzehnt des 13. Jh. — Eine der spätesten Flachdeckbasiliken, in der Erscheinung klar und frei. Normaler kreuzf. Gr., 54,3 m l. Mauern Gneisbruchstein, für die Gliederungen harter Rochlitzer Sandstein. Im Lhs. 6 Achsen. Die Pfll., auch die der Vierung mit Ecksäulchen. Aus späteren Zeiten keine Veränderungen als die spgot. Einwölbung des Lhs. im 15. und die des Qsch. im 14. Jh. Die WTürme schließen eine nach dem Schiff sich öffnende Empore ein. Die WWand ohne Eingang; derselbe ist an die NSeite verlegt; Doppelportal mit 3seitig offener Vorhalle; die reichen und zierlichen Details enthalten Erinnerungen an den sog. Königslutterer Stil und noch mehr an Kreuzgang und Choreingang des Magdeburger Doms. Das Äußere durchgehend mit fein profilierten Lisenen und reichen Bogenfriesen belebt; an den Mauerecken feine Rundstäbe; die Fenster des Chors mit Säulchen im Gewände; über dem Apsidendach am OGiebel ein Vierpaßfenster. An den Giebeln des Qsch. Erneuerung der Dächer noch in sprom. Zeit zu erkennen. Die WTürme nur bis zur Höhe des Schiffs ausgeführt; nach dem Kirchenmodell auf dem Grabe des Stifters zu schließen, wäre auch ein Vierungsturm beabsichtigt gewesen. — Das Innere birgt Bildhauerwerke, die unter den edelsten Kleinoden deutscher Kunst zu nennen sind. Einheitlich [pg 416] nach Vollendung der K., also um 1230-35, leider nicht mehr in ursprünglicher Anordnung. Bis zu den eingreifenden Veränderungen im J. 1666 lag der Fußboden des Chors, veranlaßt durch die Krypta, 2,5 m höher als jetzt; zu ersehen aus der Höhenlage der Arkatur in der Apsis und der Basen der Ecksäulchen an den Triumphbogenträgern. Gegen das Qsch. war der Chor durch einen Lettner abgeschlossen. Jetzt ist derselbe hinter den Altar, an die Grenze der Apsis, zurückgeschoben und bei dieser Operation auch in seiner Zusammensetzung verändert. (In einem Wirtschaftsraum des Schlosses befinden sich formierte Trümmer, die über die ursp. Gestalt Aufschluß geben könnten.) Der jetzige Altartisch vor dem Mittelbogen ist modern. Es liegt nahe, zu glauben, daß sich unter ihm die Eingangstreppe zur Krypta befand, während die seitlichen Arkaden zu den Chortreppen führten. Seine Laubdekoration ist die ursprüngliche; die in den Zwickeln befindlichen Halbfiguren von Kain und Abel haben diesen Platz erst bei der letzten Rest. erhalten; vorher gehörten sie zur Kanzel (Abb. bei Puttrich). Die zweite Höhenabteilung enthielt unter dem großen Mittelbogen, jetzt mit modernem Relief ausgestattet, wahrscheinlich die Kanzel; zu deren beiden Seiten in Wandnischen 4 Gestalten des Alten Testaments (Daniel und David, Absalom und ein ungewisser Prophet). Die Gegenstände der Kanzelreliefs sind: an der Front Christus in der Glorie umgeben von den Evangelistenzeichen und begleitet von Maria und Johannes d. T. (»Dusis«); an der linken Schmalseite die eherne Schlange, an der rechten Isaaks Opferung; die oben genannten Halbfiguren Abels und Kains sowie zwei Halbfiguren von Engeln werden schicklich auf die Zwickel der Bögen verteilt, von denen man die Kanzel getragen denken muß. Die Kanzelbrüstung hatte ursp. polyg. Gr., so daß die Seitenfelder mit Maria und Johannes in stumpfem Winkel zurücksprangen. Mithin Anordnung der 5 Relieftafeln [**Illustration:]. Endlich die Krönung des ganzen Aufbaues, die kolossale Kreuzigungsgruppe; die starke Ausbiegung der Hüfte (byzantinisch) und die Durchbohrung der Füße mit einem einzigen Nagel eines der frühesten Beispiele; zu Häupten Christi im Dreipaß der Kreuzesendigung die Halbfigur des Vaters mit der Taube; zunächst den ausgestreckten Armen, wieder in Dreipässen (vgl. Halberstadt), zwei über Betrachtung der Wundmale in Jammer ausbrechende Engel; zu den Füßen Marias eine gekrönte weibliche Gestalt, zu den Füßen Johannes eine desgl. männliche, auf die überwundenen Mächte des Judentums und Heidentums gedeutet; zu den Füßen Christi Adam, der [pg 417] in einem Kelche das erlösende Blut auffängt. Die Gesamtkomposition also eine Darstellung der im alten Bunde verheißenen und antitypisch vorgebildeten, im neuen vollzogenen Welterlösung. — An ihrem ursp. Platz zwei als Melchisedek und Abraham (als Heerführer) vermutete Freistatuen. — Die Kreuzigungsgruppe aus Eichenholz, in den Figuren etwas mehr als lebensgroß; alles übrige Bildwerk aus dem grobkörnigen und harten Rochlitzer Stein; Bemalungsspuren bis zur letzten Rest. gut sichtbar. Der Stil eine freie Verarbeitung byzantinischer Anregungen, den Freiberger Skulpturen in den Voraussetzungen verwandt, aber ohne direkte Beziehung zu ihnen. In der Ausführung am vollkommensten ist die Kreuzigungsgruppe; feierliche Ruhe der Linien, Reinheit des Formgefühls, Mäßigung und Verinnerlichung des Pathos und im Zusammenklang aller dieser Eigenschaften eine Monumentalität, die für die deutsche Kunst damals eine neue Offenbarung war. In der Behandlung erinnert noch einiges an die Traditionen der Kleinkunst; es weist zurück auf das, was zu überwinden nötig gewesen war. Von anderer Hand die in Stein ausgeführten Stücke; besonders die Kanzelreliefs mehr realistisch, voll Größe, schwierigen Aufgaben der Verkürzung gewachsen. — Ungefähr derselben Zeit, doch in der Qualität nicht auf gleicher Höhe das Grab der Stifter, des Grafen Dedo von Wettin und seiner Gemahlin Mechthildis; lebensgroße Gestalten, auf der Tumba ruhend.