Wir zogen selben Tages nur bis zum unfernen Agermi, von einer grossen Menge Leute aus Siuah begleitet. Zum letzten Male ging es nun vorbei an jenen sprudelnden Quellen, ...

Wir zogen selben Tages nur bis zum unfernen Agermi, von einer grossen Menge Leute aus Siuah begleitet. Zum letzten Male ging es nun vorbei an jenen sprudelnden Quellen, an jenen immer grünen Gärten. So mochten vor tausenden von Jahren auch die Pilgerschaaren heimgezogen sein, welche gekommen waren, um sich Rath und Frieden für das Gemüth zu holen. Seitdem die christliche Religion einzog, ging das Ansehn des Orakels der Ammonier unter, seit die Schwesterreligion des Islam sich festsetzte, wurde Alles, was daran erinnerte, vernichtet. Wenn ich daran denke, wie Mohammedaner 143und Christen es sich haben angelegen sein lassen, die Tempel und Gotteshäuser der Heiden einzureissen zur Ehre Gottes, und dann lese: (Ausland Nr. 18, 1870) „Zu solchen Stätten haben wir gewiss in erster Linie auch die altchristlichen Kirchen Roms zu zählen, jene ersten Gotteshäuser, welche die ewige Stadt mit ihren zahllosen Tempeln im weiten Umkreise umgebend, ihr mildes Licht in die Nacht des versinkenden Heidenthums hineinleuchten liessen, so fragte ich unwillkürlich, ob es Ironie oder Wahrheit sei. Ich dachte mir, hat man mit den Verdammungsartikeln, welche man 1870 vom St. Peter zur Ehre und Liebe Gottes schleudert, noch nicht genug. Klingt es in der That nicht, wie eine Parodie, wenn man im Jahre 1870 noch von der Liebe und Milde einer christlichen oder semitischen Religion redet, die allerdings Liebe und Demuth predigt, deren Lehren aber nun seit Tausenden von Jahren nur Schwert, Inquisition, Hexenprocesse und Verdammungsurtheile zur Folge haben.—Alexander d. Gr. liess sich im Tempel des Ammon doch nur zum Sohne Gottes proclamiren, der heilige Vater im St. Peter aber lässt sich im Jahre 1870 zum Gotte selbst ausrufen.

Wir waren bald am Fusse der alten Akropolis und schlugen unsere Zelte im Schatten der Dattelbäume nordwärts von Agermi. Alle Bewohner halfen aufs Freundlichste, so dass wir rasch damit fertig wurden. Ich besuchte sodann noch den Schich von Agermi, den grossen 144Tempel, machte dem kleinen Tempel einen Abschiedsbesuch und setzte mich an den Sonnenquell. Hier kam dann noch eine Deputation Lifaya, um sich speciell zu verabschieden, und kehrte sodann nach unserem Lager zurück. Der Schich von Agermi und andere Vornehme des Ortes erwarteten mich, damit ich mit ihnen käme, um Nachts auf der Burg zu schlafen. Auf meine Antwort, ich zöge es vor, in meinem Zelte zu schlafen (schon der Reinlichkeit halber, da die Siuahner, weil in der Wüste allerdings ohne Flöhe, aber keineswegs ohne sonstiges Ungeziefer sind), sagten sie, es sei gefährlich, die Lifaya würden kommen, um mich zu ermorden, und die Schuld würde dann auf sie zurückfallen. Aber auch dies konnte mich nicht bewegen, ich erwiederte einfach, ich könne nicht glauben, dass, da ich so lange Gast der Lifaya gewesen, diese schliesslich ihren Gast ermorden würden.


Als die Agermi-Bewohner so sahen, dass nichts auszurichten war, beschlossen sie eine starke Wache bei meinem Zelte zu stellen. Vorher jedoch kam eine grosse Diffa (Gastmahl) von Schich Mohammed Djari, die um so mehr Hülle und Fülle hatte, als es galt, mit einem Schlage die Gastfreundschaft der Siuahner auszustechen und zwar in ihrer Gegenwart, denn eine Menge Leute vom ersten Orte wollten auch noch die letzte Nacht in unserer Nähe verbringen. So war denn auch an Schlafen nicht zu denken, die Wache, die vielen Freiwilligen hatten 145so viel zu plaudern, zu singen und zu scherzen, dass auch wir fast die ganze Nacht an der Seite eines kleinen glimmenden Feuers zubrachten, welches nicht dazu diente, die Kälte zu vermindern, denn es war eine der schönsten Sommernächte, sondern um den Taback für die Raucher anzuzünden, und um von Zeit zu Zeit eine Tasse Kaffee zu kochen, womit ich die Ammonier tractirte.

Mit anbrechendem Morgen ging es dann fort, alle Bewohner riefen uns ihr Lebewohl nach und nur noch von Einzelnen begleitet, waren wir denn bald aus den eigentlichen Gärten dieser reizenden Oase heraus. Der Weg48 bot am ganzen Tage nichts irgend Bemerkenswerthes; wir sahen die Rinderheerde der Oasenbewohner ohne Hirten in einem Sebcha, wo etwas Grün war, weiden, und fragten uns, wozu solche erbärmliche Thiere nützen dürften, und lagerten Abends nach einem ziemlich anstrengenden Marsche südlich vom Plateau.

146Dieser Lagerplatz im u. Mohemen gelegen, befand sich gewissermaassen am oberen Kopfende des Uadi, das nach der Oase Lebak führt, welche südlich von Siuah gelegen, jedoch unbewohnt ist. In der Entfernung sahen wir Palmen, die jedoch nach Aussage unseres Führers ohne Herrn sein sollen. Die Lebaker Palmen werden von den Siuahnern eingeheimst.

Schon um 4½ Uhr brachen wir am anderen Tage in nordöstl. Richtung auf; brauchten, um aus dem Mohemen-Thale herauszukommen, noch eine Stunde, und erstiegen dann eine in die Depression hineinragende Halbinsel, deren Abhang nach N.-W. zu der Nokb el Modjabri genannt wird, der Rand ist 105 Meter hoch. Je weiter man nach Osten kommt (die ersten 4 Stunden in N.-O., die letzten 5 in östl. Richtung), desto mehr hebt sich der Boden der Halbinsel, so dass Abends an unserem Lagerplatze das Aneroid 137 Meter zeigt. Da, wo wir lagerten, mündet auch ein ziemlich betretener von Lebak nach Um sserir führender Weg ein. Am folgenden Tage erreichten wir im Nokb el abiod nach einem zweistündigen Marsche in nordöstl. Richtung den höchsten Punkt der Halbinsel, kamen dann immer in selber Richtung bleibend herab, entstiegen einem zweiten Absatz, nokb el hamar genannt, und ein dritter Absatz brachte uns in die Hattieh der Oase Um sserir.

Dies kleine Eiland liegt unmittelbar südlich vom libyschen Plateau. Wir fanden auch hier eine überaus 147freundliche Aufnahme, schlugen aber ebenfalls aus, auf dem Orte selbst zu wohnen, sondern schlugen unser Zelt unter den Palmen auf. Um sserir oder auch Gara genannt, liegt wie Agermi auf einem Felsblocke. Im Ganzen werden höchstens 300 Einwohner hier sein, alle sahen sehr dürftig aus. Der Ort selbst hat heute durchaus keine Ueberbleibsel von alten Bauten, obschon nicht bezweifelt werden kann, dass auch die Alten hier eine Ansiedelung hatten. Einige alte römische Münzen aus der Zeit der Kaiser, die ich hier sammeln konnte, bestätigen dies. Die Oase selbst ist ebenso wasserreich im Verhältnisse, wie die des Ammon, aber nur eine Quelle Um sserir el gotara enthält trinkbares Wasser, alles andere ist brakisch. Die Bewohner scheinen sehr faul zu sein, und ihr Dasein mit Lakbitrinken zu verbringen. Von hier führt ein näherer Weg als von Siuah nach der südlich von Um sserir gelegenen, unbewohnten Oase Dorha. Nach den übereinstimmenden Aussagen der Bewohner von Um sserir bietet diese Oertlichkeit keine Ruinen oder Spuren ehemaliger Besiedlung, die phantasiereichen Aussagen der Bewohner Siuahs gegen Hamilton und mich beruhen daher wohl auf Unwahrheiten; alles Merkwürdige soll sich auf einige sonderbar geformte Felsblöcke beziehen.

Wir setzten daher unseren Weg fort und machten am Aufbruchstage 11 Stunden in 80° Richtung. Es ist ein Irrthum, wenn auf den Karten verschiedene Wege 148verzeichnet sind, es ist hier nur Ein Weg, südlich vom Plateau, und dass der Reisende in der Sahara nicht reisen kann, wie er will, ist eine bekannte Thatsache, er muss immer dem Karawanenwege folgen. Die Depression wird nun gegen Osten hin merklich tiefer, und erreicht wahrscheinlich in den Natronseen den tiefsten Punkt; die Gegend ist sonst vollkommne Sserir. Man passirt den Bir bel Geradi mit stark purgirendem Wasser, und erreicht dann die Brunnen Mkemen und Morhara, die beide ausgezeichnetes Wasser haben. Hier stiessen wir wieder auf eine grosse von Kairo kommende Karawane.

Hier trennt sich denn auch der Weg nach dem Meere und Alexandrien von dem nach Kairo; da unser Führer von Djalo behauptete den Weg nach Alexandrien nicht zu kennen, so übernahm ich selbst von Morhara die Führerschaft und nun ging es in nordöstl. Richtung dem Plateau entgegen. Nach 4 Stunden war dies denn auch erreicht und wir somit aus der libyschen Wüste heraus. Zwei andere Tage brachten uns über die krautreiche Hochebene, wo uns rechts und links der Anblick weidender Schafheerden erfreute, nach dem Bir Hamman und der darauf folgende Tag ans Mittelmeer selbst.

An der Küste entlang ziehend, erreichten wir dann Alexandrien, vierzehn Tage nachdem wir von Agermi, der alten Akropolis des Ammonium aufgebrochen waren.




Tabellen

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Tripolis nach Alexandrien - 2. Band