So waren wir denn in der eigentlichen Oase angekommen, und lagerten bei den hohen Trümmern der Burg Masra (28); der vierstündige Marsch hatte Menschen und Thiere so ermattet, ...

So waren wir denn in der eigentlichen Oase angekommen, und lagerten bei den hohen Trümmern der Burg Masra28; der vierstündige Marsch hatte Menschen und Thiere so ermattet, dass diese, welche überdies in den letzten Tagen guten Weideboden gehabt hatten, sich 86ruhig zwischen die Agolbüsche29 legten, die Diener aber alle im Schatten des Thurmes schliefen. Doch war die Hitze so gross, dass Alle von Schweiss trieften, und die nackten Neger wie lackirt aussahen. Ich selbst hatte mein Zelt derart schlagen lassen, dass es nur Schatten warf, der Luftzug aber überall frei unten durchstreichen konnte. Obgleich wir vom Hauptorte Siuah nur noch einige Stunden entfernt waren, und es hoch aus den Palmen östlich von uns emporragen sahen, hatte ich es doch für nöthig gefunden, hier um 10 Uhr zu lagern, da das Thermometer um jene Zeit schon 30 Grad angab: wir mussten gielen, wie die Araber sagen, d.h. die heisse Zeit vorüber gehen lassen.

Aber immer noch unsicher, wie man mich im Hauptorte aufnehmen würde, schickte ich den alten Staui gleich weiter, und diensteifrig wie er jederzeit war, machte er sich auch gleich auf den Weg. Er hatte den Auftrag meine Ankunft anzuzeigen, Einkäufe zu machen und um Quartier zu bitten. Mit seiner Doppelflinte auf dem Rücken, sonst pflegte er sie nie zu tragen aus Bequemlichkeit, die Schuhe in der Hand, um sie nicht abzunutzen, ging er von dannen, und versprach dicht vor Siuah der Karawane entgegen zu kommen. Der Führer deutete ihm noch genau den Weg an, was sehr nothwendig war, da Staui bei Tag nur halb, bei Nacht aber fast gar nichts sah; er wollte dies zwar nie zugeben, 87aber es war so auffällig, dass er es manchmal eingestehen musste, er meinte dann zwar immer, es sei ausnahmsweise auffallend dunkel.


Man hatte von diesem Punkte eine umfassende Aussicht, gerade östlich von uns waren die merkwürdigen Berge Amelal und Djari, mit steilen senkrecht aufsteigenden Wänden, weiterhin etwas zu Süden Siuah und in der Ferne Agermi, ganz im Süden Agolweiden, welche allmählich mit Sebcha30 und Dünen verschwammen, und im Westen war endlose Wüste. Von dem Berge Amelal, der eine Stunde von unserem Lagerplatze entfernt zu sein schien, thürmten sich Dünen auf, sie schienen bis an seinen Fuss zu gehen. Da sie hoch waren, beschloss ich sie zu ersteigen, denn die Hitze war im Zelte trotz des Luftzuges so unerträglich geworden, dass es kaum in der Sonne schlimmer sein konnte.

Gedacht, gethan! Ich rief meinem Landsmann, das Zelt zu hüten und zu wachen, und ging gerade auf die Dünen los, von denen eine etwa eine Viertelstunde breite Agolweide mich trennte. So rasch als es die Hitze erlaubte, zog ich von dannen, hatte bald den Sand erreicht, und war nach einigen Minuten oben. Aber welch überraschender Anblick bot sich mir: zu meinen Füssen fielen die Dünen, die nur einen schmalen Kamm bildeten, fast steil ab, und die lieblichsten Gärten, das saftigste Grün lag wie ein kleines Paradies vor mir. Nicht etwa 88Palmen, von diesen war hier keine einzige vorhanden, meist waren es Oelbäume, aber von solch wundervoll frischem Grün, dass ich sie Anfangs für Myrten hielt. Murmelnde Bäche zogen sich zwischen den Gärten hindurch, freilich nicht breit und schnellfliessend, aber überall hin Segen spendend, und kräftig genug, um auch im Hochsommer Alles frisch und ewig jung zu erhalten. Die Gärten der Glückseligen! dachte ich, und vollkommen konnte ich mir das Entzücken der Krieger Macedoniens mitdenken, als Alexander sie nach dem beschwerlichen Wüstenmarsch zu diesen reizenden Gefilden führte. In Nordwest verloren sich die Gärten in Agolweiden, im Osten waren Sebcha, dahinter Palmen, ebenso im Südwesten. Am Fusse des Amelal war eine mit Salz bedeckte Sebcha, wie eine Insel schien dieser merkwürdige Berg daraus hervorzuragen.

Ich war unentschlossen, was ich thun sollte, nur von einem Diener begleitet, der meine Doppelflinte trug, hatte ich ausserdem nur einen Revolver bei mir, und konnte natürlich nicht wissen, wie mich die Besitzer der Gärten, welche meiner Meinung nach zu Siuah gehören mussten, empfangen würden. Aber altes Gemäuer, welches ich inmitten der Gärten aus dem Gebüsch hervorlugen sah, entschied; ich ging rasch hinab, und köstlich balsamische Lüfte, kühlender Schatten unter grossblättrigen Feigenbäumen, waren mein erster Lohn. Ueber Gräben hinwegsetzend, in denen reichlich klares Wasser 89rieselte, durch üppige Klee- und Kornfelder, alle natürlich im Schatten der dichtlaubigen Feigen, Apricosen, Granaten und Oliven, dahineilend, waren wir bald in der Nähe der Ruinen. Hier lag unter einem Gerüste, welches zum Trocknen von Früchten diente, und nur aus vier Pfählen und einem Strohdache bestand, im kühlen Schatten ein Mann, offenbar der Besitzer des Gartens und der Ruine. „Allah iaunik, Gott helfe Dir,“ rief ich ihm zu, absichtlich vermeidend ihm ein Ssalam zu geben, da fanatische Mohammedaner von Christen nicht gerne ein Ssalam entgegen nehmen. Diese Vorsicht wäre indess nicht nöthig gewesen. Mit einem „Allah slemtik, grüss Dich Gott,“ war er auf den Beinen, und nachdem die hergebrachten Begrüssungen nun endlich vorüber waren, und wir uns gegenseitig wenigstens zehnmal versichert hatten, dass wir Gottlob beide gesund wären, sagte er: „also Du bist der Christ oder dessen Diener, den wir erwarten.“ Letzteres sollte offenbar eine Anspielung auf meine Tracht sein, die allerdings sehr einfach war: leinene Hosen, Hemd, Hut und Stiefeln. Und nach seinen und aller Leute in Siuah Begriffen, musste der Christ, welcher ihnen durch Ismael Pascha so dringend war empfohlen worden, ein furchtbar mächtiger und reicher Christ sein, also schöne Kleider, schöne Zelte, schöne Pferde und viele Diener haben. Als ich ihm sagte, ich sei es allerdings, schien er etwas enttäuscht zu sein. Ich sagte ihm dann, dass mein Zelt, mein Diener und 90Kameele hinter den Dünen wären, und als auf seine fernere Frage, ob die Kameele mein Eigenthum wären, dies bejaht wurde, schien ich wieder in seiner Achtung zu steigen.

„Nun sei willkommen,“ sagte er, „und trinke zuerst von unserem gesegneten Wasser.“ Er holte dann selbst aus einem antiken Stein eine Kumme mit Wasser, setzte sie an seinen Mund, und nachdem er getrunken, reichte er sie mir. Das war ein köstlicher Trunk, süss und kalt. „Omar,“ rief er dann, „bring Datteln von den gequetschten!“ Gleich darauf kam ein kleiner kränklich aussehender Knabe, sein Sohn, mit einem Strohteller voll Datteln. Obgleich ich erst gefrühstückt hatte, musste ich doch, so wollte es die Sitte, einige Mundvoll Dattelteig essen; mein Neger Bu Bekr langte desto besser zu. Erst nachdem ich gegessen, fing er dann an zu fragen: wo ich herkomme, was ich wolle, warum ich hier in den Garten gekommen, warum der Vicekönig meinetwillen nach Siuah geschrieben habe etc. Nachdem ich seine übrigens ganz natürliche Neugier befriedigt hatte, dachte auch ich Recht zum Fragen zu haben, und erfuhr nun zuerst, dass ich hier im Ort Chamisa sei, dass sie Siuahner seien, aber ausser Abstammung und Sprache nichts mit ihnen zu thun haben, dass noch sieben andere Familien in Chamisa wohnten, und sie in allem mit Sklaven 43 Männer zählen, mit Frauen, Sklavinnen und Kindern aber etwa 100 Bewohner ausmachten.

91Ich erfuhr nun jetzt erst, dass der Ort, wo wir lagerten, Masra heisse (mein Führer, der des Weges kundig war, wusste in der Oase selbst gar nicht Bescheid, und hatte die Ruine zuerst Bled el Rum, dann Amudeïn genannt), und nun fragte ich nach dem unter dem Namen Bled el Rum31 bekannten dorischen Tempel, dessen bei Browne, Hornemann, Caillaud, Hammilton u.a. gedacht wird. Sehr freundlich erbot er sich, mich selbst nach den Ruinen Bled el Rum hinzuführen. In nordwestlicher Richtung durch die Gärten fortgehend, und überall auch von den anderen Grundherren freundlich aufgenommen, rief er ihnen nur im Vorbeigehen zu: „Das ist er, er ist endlich gekommen,?? und schien ordentlich stolz zu sein mir als Führer zu dienen. „Wir erwarteten Dich alle Tage,“ fügte er hinzu, „aber ich konnte nicht denken, dass Du unseren Ort zuerst besuchen würdest.“ Auf meine Frage, ob die Siuahner mich gut empfangen würden, sagte er: „wenn sie wüssten, Du wärest hier, würden sie schon herausgekommen sein, um Dich zu holen, denn unser Herr (Sidina oder Effendina, diesen Titel gaben die Eingebornen dem Vicekönig 92von Aegypten) hat ihnen mit einer Extra-Abgabe gedroht, wenn Dir das Geringste in ihrem Gebiete zustosse.“ Nun glaubte ich in dieser Beziehung ganz ruhig sein zu können, denn der Mann hatte ja kein Interesse mich zu täuschen. Wir hatten bald das Ende der Gärten erreicht, deren Vegetation überall gleich üppig war, und nach einer kleinen Stunde zwischen Agolkraut und dann Sebcha, sahen wir am Fusse des Gebirges Bled el Rum vor uns. Dies waren die Reste wirklich, welche zuerst von Browne unter dem Namen eines dorischen Tempels bekannt wurden, und von allen anderen Reisenden ebenso beschrieben worden sind. Nur St. John macht hiervon eine Ausnahme, und sagt: die Ruine von Bled el Rum ist eine Nachahmung des Tempels von Umma beida; damit hält er es doch wohl offenbar für ein ägyptisches Bauwerk, was es auch in der That ist. Denn es ist wohl kaum anzunehmen, dass in der Jupiter Ammonsoase die Griechen zu einer so frühen Zeit gewesen sind, wo bei ihnen der Tempelbau gänzlich ohne Säulen geschah, jedenfalls würde man den Pronaos wohl mit zwei Säulen geschmückt haben. Hier aber ist das nicht der Fall. Nicht nur, dass überhaupt der ganze Tempel massenhafte Mauern fasst, ist er unverhältnissmässig lang, zeigt eine andere Abtheilung mit grossem Eingang und zwei seitlichen Fenstern (diesen Theil kann man als Pronaos bezeichnen), dann eine hintere lange Kammer durch eine Wand mit Thür von der vordern getrennt. 93Der ganze hintere Theil aber, die Cella ist zerstört bis auf den ersten an den Pronaos stossenden Theil. Das ganze Gebäude ist über 60' auf 15', wie man aus den Umrissen erkennen kann. Hammilton, der drei Abtheilungen erkannt haben will, und auch die äusseren Mauern als rein dorisch angiebt, hat andere Zahlenverhältnisse; worauf er dieselben basirt, konnte ich nicht herausfinden. Nur die Höhe von 18' und einigen Zollen, und die Breite der deckenden Steine am Eingange des inneren Zimmers, von einer Wand zur anderen, wie die in Umma beida, stimmen mit den meinigen. Von diesen colossalen Decksteinen, welche das glatte Dach des Tempels bildeten, liegen nur noch zwei. Es unterliegt nach dieser Beschreibung also wohl keinem Zweifel, dass der Tempel Bled el Rum ägyptischer Herkunft ist. Hieroglyphen oder sonstige Inschriften waren nirgends zu entdecken, sollen auch, wie mein Begleiter mir sagte, nie dort gefunden worden sein.

Nachdem wir eine Zeit lang im Schatten der Deckquadern gerastet hatten, traten wir den Rückweg an, ohne von den zahlreichen Katakomben, welche in den Felswänden sich befinden, eine zu besichtigen. Dieselben sind ohne Verzierungen und ganz leer. Unser Weg ging wieder zu den Gärten, brachte uns diesmal zur Hauptquelle, welche inmitten der Gärten von Chamisa liegt, und sprudelnd aus der Erde wie alle die andern auch, hervor fliesst. Von einem runden aus Quadern 94aufgeführten Gemäuer umgeben, hat sie fünf gleich starke Abflüsse, um nach verschiedenen Richtungen hin die Gärten zu durchwässern. Dem Geschmacke nach war das Wasser vollkommen süss, und hatte wahrscheinlich, ich hatte leider kein Thermometer bei mir, dieselbe Temperatur wie die andern Quellen. Früher müssen die Gärten bedeutend umfangreicher gewesen sein, wahrscheinlich waren die umgebenden Agolfelder und die Sebcha bis Bled el Rum alle Gartenland. Aber ohne Frage ist dies der fruchtbarste Theil der ganzen Oase, nur hier gedeihen Orangen und Limonen, in langen Guirlanden rankt der Wein von Baum zu Baum wie in Norditalien, Oliven, Feigenbäume, Granatbüsche, Quitten und Aepfel (diese kleiner und verkrüppelter Art), Pfirsiche, Aprikosen, Pflaumen und Mandelbäume bilden ein ununterbrochenes Laubdickicht.

Wir waren bald bei der Behausung meines Mannes wieder angekommen, und ich bat nun mir seine Wohnung zu zeigen, was er auch mit Bereitwilligkeit that; aber der grosse längliche Bau, dessen Mauern noch circa 6 Fuss hoch aus der Erde ragten, aus regelmässig behauenen Steinen aufgeführt, bot im Innern nichts als eine bequeme Benutzung der Räumlichkeit, welche durch andere Thonwände und Laubscheiden in Zimmer, Höfe und Stallung für Vieh eingerichtet waren. Der Eingang schien auf der langen Seite gewesen zu sein, welche gegen Süden gerichtet war, denn hier fand man sie in 95der Mitte durchbrochen, alle andern Seiten zeigten keine Spur eines Einganges, sondern das ursprüngliche Gemäuer. Es ist wohl kaum anzunehmen, dass ein derartiges Gebäude eine Privatwohnung war, aber auch ein Tempel dürfte es schwerlich gewesen sein, vielmehr ein anderes öffentliches Gebäude oder ein Schutzwerk dieser vorgeschobenen Gärten.

Da ich gar nichts bei mir hatte, was ich dem guten Manne, der mich so freundlich geführt hatte, hätte bieten können, so forderte ich ihn auf, uns zu unsern Zelten zu begleiten, was er auch bereitwilligst that. Mein Führer aber war bei unserer Rückkehr gar nicht zufrieden, dass ich ohne ihn nach Chamisa gegangen war, wie er auch früher schon nicht wollte, dass Staui vorausgeschickt wurde, sondern selbst gern Bote gewesen wäre. Er glaubte, mich als ein willenloses Werkzeug in seiner Hand zu haben, wollte den Beschützer herausbeissen, und das um so mehr, je mehr wir uns dem gefürchteten Orte näherten. Unterwegs hatte ich mich allen seinen Anordnungen gefügt, aber ihm jetzt gezeigt, dass er weiter nichts als Wegweiser sei, und ich seiner Rathschläge und seiner Vermittelung mit den Eingebornen nicht bedürfe. Reichlich beschenkt, half unser neuer Freund aus Chamisa unsere Kameele laden, und um 4 Uhr Nachmittags, als es schon anfing kühler zu werden, nahmen wir Abschied von ihm und setzten uns in Bewegung.

96Der Weg führte abwechselnd durch Grasbüschel, Agolkraut und Sebcha, und südöstliche Richtung haltend, hatten wir links einen glänzenden Salzspiegel. Nach einer Stunde ging dieser in ein offenes Wasserbecken über, von zahlreichen Enten und Gänsen belebt, und wir selbst befanden uns jetzt zwischen niedrigem Palmgebüsch, aus dem allmählich hohe und schlanke Palmen wurden, und bald sahen wir uns auf gleicher Höhe mit den Gärten. Wir hatten im Ganzen nur zwei Stunden bis Siuah, von denen die erste Stunde in S.-O., die letzte in O.-N. zu machen. Als wir uns aber der Stadt so weit genähert hatten, dass wir unter den Wällen die Leute mit blossem Auge erkennen konnten, liess ich halten. Es kam mir verdächtig vor, dass Staui, der einen vierstündigen Vorsprung hatte, nicht zurückgekehrt war, um uns einzuholen. Wir befanden uns in einer sandigen Ebene, wo hie und da hohe Palmen, hie und da Palmbüsche standen; da wo wir hielten, konnten wir den ganzen Ort sehen und gesehen werden. Als aber nach abermaligen 10 Minuten Niemand aus dem Orte kam, gingen wir etwas seitwärts zu einer Gruppe hübscher Bäume, liessen die Kameele knieen, abladen und schlugen Zelte. Und nachdem dies geschehen war, hiess ich den Führer in die Stadt gehen, um die Ursache zu erfragen, warum Staui nicht zurückgekommen sei.

Leute, welche von aussen kamen und zur Stadt gingen, andere die nach der Bearbeitung der Gärten 97herauskamen, gingen bei uns vorüber, ohne irgend etwas zu sagen. All dies kam mir so sonderbar vor, dass ich schon zu fürchten anfing, die fanatische Partei hätte vielleicht die Oberhand bekommen und es durchgesetzt, mir den Aufenthalt in Siuah zu verbieten, wie das wiederholt mit früheren Reisenden der Fall gewesen war. Es dunkelte schon als der Führer zurückkam; mit Angst und Zagen war er hingegangen, freudestrahlenden Antlitzes kam er zurück: der Gatroner und er seien sehr gut empfangen worden, sagte er, und ersterer sei schon längst aus der Stadt zurückgekehrt, müsse sich aber wohl seiner Halbblindheit wegen verlaufen haben, die Schichs, fügte er hinzu, würden es gerne sehen, wenn Du noch diesen Abend zur Stadt kämest. Das ging nun freilich nicht mehr, es war zu dunkel, um zu packen, überdies war es 8 Uhr Abends geworden.

Ich lag schon auf meinem Feldbette und wollte gerade das Licht auslöschen, da es 10 Uhr Abends geworden war, als ich Pferdegetrappel hörte und lautes Rufen von Menschen. Aufspringen und mit dem Revolver aus dem Zelte stürzen, war eins, aber im selben Augenblicke kam auch schon der Führer auf mich zugelaufen und rief: „Alle Schichs kommen, um Dich zu begrüssen.“ Gleich darauf waren sie denn auch vor den Zelten und drängten sich am Eingange des meinigen zusammen. Dasselbe konnte höchstens drei Personen fassen, weil Bett und Kisten fast den ganzen Raum 98einnahmen. Ein junger Schich, kaum 18 Jahre alt, kam zuerst herein und nahm unaufgefordert Platz (ich merkte daraus gleich, dass er einer der vornehmsten Persönlichkeiten von Siuah sein musste), zwei andere ältere folgten und setzten sich ihm gegenüber, während die andern sich vors Zelt hockten, wohin Teppiche gelegt waren. Die drei im Zelte befindlichen Schichs waren reich gekleidet mit Kahiriner Stoffen, namentlich hatte der junge Schich Hammed die neuesten Seidenstoffe mit echter Goldverzierung an. Nachdem wie gewöhnlich die Ssalamat und Begrüssungen recht lange gedauert hatten, riefen alle ein Willkommen; dann zog Schich Hammed einen Brief aus den Falten seines Turbans und ihn mir reichend, sagte er: „Mein Bruder Omar (dies ist gegenwärtig der mächtigste der Schichs von Siuah, und auch der am besten in Kairo angeschriebene), erster Schich der Lifaya, hat, nachdem er lange auf Dich gewartet hat, abreisen müssen, nun hat er diesen Brief für Dich zurückgelassen und mir befohlen (bei den Mohammedanern gehorcht, sobald der Vater todt ist, der jüngere dem älteren Bruder) Dir Gastfreundschaft zu erzeigen. Ich habe nicht bis morgen warten wollen, und als die andern Schichs erfuhren, ich sei aufgebrochen, Dich zu begrüssen, wurden sie eifersüchtig und sind mitgekommen, wenn sie aber nichts gemerkt hätten, wären sie sicher nicht gekommen.“ Ein grosser Lärm entstand, die andern riefen „Lügner, wir wollten den Christen zuerst 99besuchen, und Du hast Dich uns angeschlossen.“ Im Augenblick sah ich, dass die alte Feindschaft zwischen Lifaya und Rharbyin noch immer existire. Ich beschwichtigte rasch, indem ich dankte und sagte, Alle wären mir gleich willkommen; „Gott allein sieht in Eure Herzen,“ fügte ich hinzu, „und nur Er weiss, wessen Herz weiss oder schwarz ist.“ Ich hatte glücklich so die Rivalität gedämpft, obgleich sich die Rharbyin gedemüthigt fühlten, als nun Schich Hammeds Diener ein fettes Schaf, einen grossen Korb voll Reis, einen Sack mit Datteln und Zwiebeln hereinbrachte, und hinzufügte, dies sei sein und seines Bruders Gastgabe. Ich dankte für die Aufmerksamkeit, und suchte dann eine allgemeine Unterhaltung in Gang zu bringen. Die Schichs fingen an sich zu entschuldigen wegen ihres Benehmens gegen Hamilton, und versuchten namentlich, und auch wohl nicht mit Unrecht, alle Schuld auf die Lifaya zu schieben. Hammed sagte dann vor Zorn erröthend: „Die Zeiten sind heut anders, wir haben den Vapor (Eisenbahn) und Eisendraht (Ssilk, so bezeichnet man den Telegraph) in Aegypten kennen gelernt. Wenn vor 10 Jahren unsere Väter in Aegypten das gesehen hätten, was wir jetzt sehen, so wäre alles das nicht vorgefallen, aber ma scha Allah kan, was Gott will geschieht,“ schloss er mit des Propheten Worten.

Endlich sagte ich der Versammlung (man hatte schon Kaffee genommen und sass wenigstens eine Stunde), ich 100sei müde und wünsche zu schlafen. Die Schichs erhoben sich nun auch sogleich, sagten aber, sie würden draussen bei meinem Zelte schlafen, denn sie seien für mich verantwortlich, deshalb hätten sie auch gleich ihre Teppiche mitgebracht. Ich sah jetzt erst, dass jeder einen Teppich bei sich hatte. Auf mein Erwiedern, dass ich dies nicht leiden würde, sondern vollkommen auf den guten Sinn der Siuahner vertraue, wollten sie nicht hören, erst auf meine Erklärung, dass, falls sie zu bleiben bestünden, ich aufpacken und meinen Lagerplatz weiter zurück verlegen würde, zogen sie von dannen, mit dem Versprechen, mich am folgenden Morgen feierlichst einzuholen.

Und so kam es denn auch; am andern Morgen ganz früh waren Alle wieder da und noch viele Neugierige mit ihnen. Nach schnellem Packen ging es dann vorwärts nach Siuah, zwei Schichs voraus zu Pferde (in der ganzen Oase sind nur 4 oder 5 Pferde), dann ich und mein bayerischer Diener je zu Kameel, endlich die andern Kameele mit siuahnischen Eseln von ihren Eigenthümern geritten und Fussleute, und gewiss alle Kinder des Ortes. Auch der alte Staui hatte sich Morgens wieder eingefunden, in seiner Blindheit war er im Dunkeln vom Wege gekommen, und der arme Teufel hatte die ganze Nacht ohne Nahrung am Fusse einer Palme zubringen müssen, bis in der Früh ihm Siuahner den Weg zu unserm Lagerplatz zeigten. Natürlich wurde viel Pulver verbrannt, und meine Diener machten mit 101ihren Doppelflinten und Revolvern auch nicht wenig Lärm. So gings zwischen den beiden Anhöhen durch, von denen die eine terrassenförmig bis oben mit Häusern bebaut ist und den Lifaya gehört, indessen die andere, dicht westsüdwestlich von diesem gelegen und am Fusse bebaut, von den Rharbyin bewohnt ist. Dann nach Norden biegend, erreichten wir das Kasr oder Schloss, welches die Wohnung des Mudir, Rathhaus und Gefängniss für ganz Siuah ist. Hier wurden wir einquartiert, und da der Mudir gerade in Alexandrien war, uns die ganze obere Etage, welche gute und luftige Zimmer hatte, zur Verfügung gestellt. Während wir noch mit unserer Einrichtung beschäftigt waren, kam denn auch der Kahdi, aber ich merkte, dass sein Besuch ein vollkommen erzwungener war, jedenfalls nicht aus freiem Antriebe erfolgte, ich kürzte denselben denn auch so rasch wie möglich ab, froh endlich einige Augenblicke Ruhe zu haben.

Also war ich da in dieser hochberühmten Oase, welche zu sehen ich mich schon lange gesehnt hatte, diesen geheimnissvollen Fleck, der die Ursache so vieler Opfer gewesen war, welcher so reiche geschichtliche Erinnerungen wach rief. Noch vor 6 Monaten in der Hauptstadt der Intelligenz unserer Zeit, befand ich mich jetzt an dem Orte, wo vor mehr als 2000 Jahren die damals bekannte Welt sich Raths erholte, an der Stelle, wo der grösste Krieger seiner Zeit sich „Sohn des Zeus“ 102anreden hörte! Oft glaubte ich zu träumen, aber ein Blick aus meinem Fenster auf die unzähligen Katakomben sagte mir dann, Alles ist Wahrheit, Du bist wirklich an der heiligen Stätte des Jupiter Ammon. Da vor Dir sind die stummen Zeugen, welche die Reste derer beherbergten, auf deren Worte Könige und Völker lauschten, während jetzt ihre Knochen, von rohen Barbaren umhergeschleudert, in der Sonne bleichen, und langsam durch den ewigen Kreislauf aller Dinge sich auflösen, um in die ewige Natur zurückzukehren.

Die Gründung des ammonischen Orakels geht bis in die vorgeschichtliche Zeit zurück, die ältesten Nachrichten darüber finden wir bei Herodot. Diodor und Curtius geben uns eine ausführliche Beschreibung der schon bestehenden Oertlichkeiten, und in der neuesten Zeit finden wir in O. Parthey's trefflicher Abhandlung über die Jupiter Ammons-Oase Alles erschöpfend niedergelegt, was Ursprung, Bedeutung, Geschichte des Orakels und des ehemals und jetzt dort lebenden Volkes anbetrifft. Demnach steht es nun unzweifelhaft fest, dass sowohl die Stadt Ammon32, als auch die Ruinen des Orakels ägyptischen Ursprungs sind. Wie früh überhaupt der Ruf des Orakels verbreitet war, geht daraus hervor, dass Krösus von Lydien sich dort Raths erholte, Cambyses wollte das Königreich der Ammonier zerstören, aber sein ganzes Heer wurde durch Wassermangel 103und heisse Landstürme aufgerieben. Erst durch den berühmten Zug Alexanders wurde die Lage des Orakelortes und die örtliche Gestaltung desselben ans Tageslicht gezogen, denn selbst Herodot weiss über die Lage noch nichts Bestimmtes anzugeben.

Wir wissen schon von den Alten, und durch die neuesten Reisenden ist dies bestätigt, dass es in der Oase zwei Tempel des Jupiters Ammon gab, von denen der eine grössere unmittelbar neben der Akropolis selbst stand, der andere kleine nicht fern von jenem neben dem Sonnenquell in einem Palmhaine gelegen sein soll. Obgleich nun schon Minutoli die äussere Mauer des grossen Tempels in Agermi bemerkt hatte, sie aber, weil er nicht ins Innere dringen konnte, für blosses Mauerwerk hielt, namentlich Hirt darauf aufmerksam machte, dass Umma beida nur der kleine Ammonstempel sein könne (dagegen fälschlich den grossen nach Siuah hin verlegt haben wollte), so hielten doch alle neuern Reisenden von Browne bis auf St. John den Umma beida-Tempel für den grossen. Erst Hamilton machte zuerst die wichtige Entdeckung des grossen Tempels in Agermi, der alten Akropolis, indem es ihm gelang, in das Innere selbst hineinzudringen. Hamilton hält nun zwar das Gebäude selbst für die Akropolis, allein schon aus seiner eigenen Beschreibung geht hervor, dass wir es mit einem Tempel zu thun haben. Nach ihm der erste Europäer, der Siuah wieder besuchte, kann ich, was derselbe über 104die Grossartigkeit dieser Baulichkeit sagte, nur bestätigen, und glücklicher wie er, konnte ich wenigstens die Copien von einigen Hieroglyphen mit heim bringen. Schmutz, Rauch, Dunkelheit des ganzen Raumes, und namentlich die Durchbauung des ganzen Tempels mit Häusern verdeckten zwar die Hauptsache, oft war auch sogar eine Colonne absichtlich zerstört, indem man die erhabenen Hieroglyphen abgehauen oder die Bilder verkalkt hatte, indess konnte unser berühmter Aegyptolog Brugsch aus den ihm vorgelegten Abzeichnungen erkennen, „dass die Texte in altägyptischer Schrift abgefasst sind, dass sie sich auf eine Reihe männlicher Gottheiten beziehen, die, nach den erhaltenen Kronen zu urtheilen, Ammon und den widderköpfigen Harschaf, den Arsaphes der Griechen, darstellten, dass endlich die Texte Reden jener Gottheiten enthalten, die sich an einen Gott wenden, welcher Ur-testu, das ist Grosser der Völker, genannt wird. Dies Epitheton beweist, dass der König ein nicht einheimischer war, sondern einer fremden Dynastie angehören musste.“ Der Name der Oertlichkeit scheint leider nicht genannt, wenigstens war Brugsch nicht im Stande etwas daraus zu erkennen, so dass die Frage über die altägyptische Benennung des Tempels immer noch eine offene bleibt. Hoffentlich gelingt es mit Unterstützung der ägyptischen Regierung einem späteren Forscher die Bewohner, welche sich ihre Häuser in den Tempel gebaut haben, zu vermögen, dieselben zu 105verkaufen und abzubrechen, bei dem jetzigen guten Geiste der Bevölkerung würde dies ohne Zweifel mit einigen Geldopfern zu bewerkstelligen sein.

Was das Bildniss des Ammon anbetrifft, so liegen darüber abweichende Berichte vor; nach Curtius brachten die Macedonier die Nachricht zurück, es gleiche einem Nabel ringsum mit Smaragden und Edelsteinen besetzt. Es wurde in Procession von Priestern in einem vergoldeten Schiffchen herumgetragen. Silberne, an beiden Seiten herabhängende Schellen klingelten, und alte Weiber und Jungfrauen sangen herkömmliche Weisen dazu. Diodor, ohne des Nabels zu erwähnen, macht dieselbe Beschreibung wie Curtius, Arrian sieht das als Fabel an, er weiss, dass der Jupiter Ammon als widderköpfig abgebildet wird. Auffallend ist nun aber, dass nach den neuesten Forschungen der ägyptische Ammon nie widderköpfig abgebildet wird, sondern Knepf oder Chnubis. Jedenfalls ist wohl anzunehmen, dass das Bild anders im Allerheiligsten des Tempels, wohin nur die geweihten Priester dringen durften, dargestellt wurde, als wie man es ausserhalb dem grossen Publikum zeigte. Alexander trug nach seinem Besuche bei Ammon häufig als Helmschmuck Widderhörner, und auch derartige Münzen liegen vor. Möglich, dass Alexander, da er im Allerheiligsten war, das wirkliche Ammonsbild zu sehen bekam. Chnubis, Knepf und Ammon werden übrigens nach Brugsch häufig verwechselt. Im kleinen Tempel 106von Umma beida findet sich ein grosser Marmorblock, der auf allen vier Seiten einen grossen menschlichen Kopf mit Widderhörnern zeigt. Dies kann möglicherweise der Sockel gewesen sein, auf dem die Statue des Jupiter Ammon stand. Der Kopf selbst, eine scheussliche Fratze von Doppelmenschen-Grösse, soll wohl kein eigentliches Bild des Ammon sein, hat aber jedenfalls Bezug darauf. Das Widderhorn und der Widder mussten überhaupt bei den alten Ammoniern eine grosse Rolle spielen, Beweis davon der kleine in Bab el medina, eine Stunde südwestlich von Siuah, gefundene Marmorwidder, jetzt in Berlin auf dem Museum.

Wenn wir zur Zeit Alexanders das Ammonsorakel den grössten Ruhm geniessen sahen, so dass es sich mit denen von Delphi und Dodona in jeder Beziehung messen konnte, so bemerken wir andererseits, dass es zur Zeit Christi nur noch wenig mehr cultivirt wurde. Die Römer scheinen überhaupt nie grosse Vorliebe für dieses Orakel gehabt zu haben. Wir finden, namentlich durch die griechischen Bewohner Cyrenaica's gestiftet, verschiedene dem Ammon gewidmete Tempel auf der Nordküste von Afrika, ebenso auch in Griechenland selbst, aber in Italien wird uns von einem solchen nichts überliefert.

Mit der Christianisirung von ganz Nordafrika hörten die Ammonstempel in der Oase auch auf heidnische Gotteshäuser zu sein, wahrscheinlich wurden sie in Kirchen umgewandelt. 107Zur Zeit des Christenthums in Afrika, wurde Siuah33, wie die anderen Oasen (Uah) als Verbannungsort benutzt, und als im 7. Jahrhundert die Araber über Nordafrika sich ergossen, fiel es dem mohammedanischen Cultus anheim.

Die Nachrichten der arabischen Schriftsteller Edrisi, Abu'l Feda, Ebn el Wardi und Jakuti sind sehr vage, sie führen den Ort unter der Benennung Santariat auf, wenn aber Ritter meint, dass erst Wansleb im Jahre 1664 zuerst den Namen Siwah als gehört aufgebracht habe, so finden wir diese Benennung neben Santariat auch schon bei Makrisi erwähnt. Heute ist jede Erinnerung an Jupiter Ammon bei dem Volke verschwunden, nicht so die von Alexander und Santariat. Der letzte Name Santariat, findet sich in alten in der Oase aufbewahrten Deftas34, und als ich Umma beida besuchte, sagten mir unaufgefordert meine Begleiter, dass dieses Gebäude von Iskender (Alexander), demselben der Skendria35 gegründet, erbaut wäre. Wenn wir nun auch wissen, dass Alexander beide Tempel schon erbaut vorfand, so geht doch daraus hervor, dass eine Erinnerung an ihn sich von Generation zu Generation fortgepflanzt hat.

Politisch war seit den ältesten Zeiten die Oase wohl immer in einer Art von Abhängigkeit von Aegypten. Ob 108Herkules zum Ammon gekommen, sowie Semiramis, ist nicht festzustellen. Sicher ist aber, dass die Vertreibung der Juden aus dem Lande der Pharaonen mit auf Rath des Ammon geschah, und dann bieten geschichtliche Anhaltspunkte: der Zug des Kambyses und Alexanders, Lysanders und Hannibals Rathfrage, der Besuch Kato des Jüngeren u.a. Nach Herodot unter eigenen Königen, dann den Persern unterworfen, beugten die Ammonier sich freiwillig vor den Macedoniern. Unter den Ptolemäern und Römern scheinen sie ein mildes Joch gehabt zu haben, und die Könige der Ammonier, unter denen wir wohl die Oberpriester des Tempels verstehen müssen, genossen schon ihrer grossen Heiligkeit wegen einer gewissen Berücksichtigung. Plinius rechnet das Orakel zu Cyrenaica, und geographisch zählt Hierokles die Ammons-Oase zu den sechs Städten Libyens, während Lukan und Silius Italicus den Tempel als einen Tempel der Garamanten bezeichnen; andere noch rechneten die Oase zum Gebiete der südlich von Cyrenaica hausenden Asbysten.

Die Ammonier scheinen freiwillige Abgaben gegeben zu haben, so wissen wir, dass zur Zeit der persischen Herrschaft die Perserkönige nur ammonisches Salz, das im Alterthum hochberühmt war, auf ihrer Tafel duldeten, und dass dies nebst dem Wasser des Nils einen Theil des Tributs ausmachte.

109Im Jahre 1150 für immer dem Koran anheim gefallen, blieb die Oase dennoch unabhängig, bis Mehemed Ali 1819 dieselbe unterwerfen liess, und seit der Zeit unter Beibehaltung seiner Schichs der Ort einen jährlichen Tribut an Aegypten zahlen musste. Nicht zufrieden damit, empörten sich die Bewohner zu wiederholten Malen, versetzten aber im Jahre 1853 ihrer Quasiunabhängigkeit den Todesstoss durch die schlechte Behandlung, welche sie dem englischen Reisenden Hamilton widerfahren liessen. Gleich darauf von Said-Pascha mit einer Soldatenmacht überzogen und durch eine ausserordentliche Abgabe gebrandschatzt, ist Siuah seit der Zeit integrirender Theil Aegyptens und bildet jetzt ein Mudirat, mit Beibehaltung der eigenen Schichs, die indess nur Familienangelegenheiten zu ordnen haben.

Uns Europäern wurde die Oase zuerst durch Browne wieder entdeckt im Jahre 1792, und sechs Jahre später war es ein Deutscher Namens Hornemann, welcher durch die Mittel der afrikanischen Gesellschaft von London, mit Unterstützung Napoleons, der zu der Zeit in Aegypten war, die berühmte Oase erreichte. Belzoni, der ungefähr zwanzig Jahre später reiste, und zwischen 1815 und 1819 die kleinen Oasen westlich vom Nil besuchte, ist nie in Siuah gewesen. Er glaubte in dem Brunnen der Oase El Kasr den Sonnenquell entdeckt zu haben, der im Alterthum seiner abwechselnden Temperatur wegen bekannt war, und den Belzoni bei der Quelle El Kasrs 110wahrzunehmen glaubte. Quellen, die ein solches Täuschungsgefühl hervorrufen, giebt es fast in allen Oasen der Wüste, am bekanntesten ist ausser der Sonnenquelle die grosse Quelle von Rhadames. Erst 1819 erreichte Butin, ein französischer Officier, Siuah, entging mit genauer Noth dem Tode, um ihn bald nachher in Syrien zu finden, wo er ermordet wurde. Gegen Ende desselben Jahres kam Cailliaud nach der Oase, er durfte Umma beida besuchen und constatirte zuerst die tiefe Lage des Thales.

Als dann im selben Jahre Mehemet Ali Siuah durch Schamaschirgi Bei unterwerfen liess, begleiteten diesen der französische Generalconsul Dovretti von Alexandria, ausserdem der Ingenieur Linaud de Bellefonds, Ricci und der Maler Frediani. Von einer Truppe von 1500 bis 2000 Mann unterstützt, kann man sich denken, dass sie Alles besichtigen konnten, dennoch kamen sie nicht in den grossen Tempel von Agermi; ungehindert aber konnten sie Umma beida, Amudeïn, Bled el Rum und den See Araschich besichtigen, Jomard hat ausführliche Beschreibungen davon gegeben.

Minutoli besuchte im Auftrage des Königs von Preussen die Oase im folgenden Jahre, und erreichte, da er sich einer guten Aufnahme zu erfreuen hatte, die besten Resultate, seine Ansichten von Agermi und Siuah sind noch heute so ähnlich, als ob die beiden Oerter sich gar nicht verändert hätten. Minutolis Begleiter, 111Ehrenberg Hemprich u.a. fanden aber, da der General inzwischen zurückgekehrt war, so schlechte Aufnahme bei den Einwohnern, dass sie nichts ausrichten konnten. Erst 1847 wurde die Jupiter Ammons-Oase dem Publikum wieder ins Gedächtniss gerufen durch die Reise des Engländers Bayle St. John von Aegypten aus, der mit einigen Gefährten die Oase besuchte, aber auch mit grossen Widerwärtigkeiten zu kämpfen hatte, hervorgerufen durch den glühenden Hass und Fanatismus der Eingebornen gegen jeden Europäer. Hamilton endlich war es 1853 vorbehalten den grossen Tempel des Jupiter Ammon zu entdecken, obwohl er in demselben nur die Königsburg zu erkennen glaubte. Obgleich im Anfange mit Kugeln empfangen und lange Zeit gefangen, konnte er nachher unter dem Schutze ägyptischer Soldaten frei umhergehen, und alles Interessante untersuchen. Seit seiner Zeit ist den Europäern die Oase geöffnet; denn durch eine Extracontribution, durch Soldateneinquartierung, und durch die Bestellung eines Mudirs, wurde der Trotz der Eingebornen gebrochen. Und wenn Hamilton fühlte und sagte, dass seine Leiden und Entbehrungen zukünftigen Reisenden die Thore von Siuah öffnen würden, so hatte er vollkommen Recht, nicht nur ist er der Wiederentdecker des grossen Tempels des Jupiter Ammon, sondern auch der Schlüssel zur Oase für die späteren Reisenden gewesen.

112Die Lage des Ortes Siuah bestimmte Browne zu 29° 12' und einigen Sekunden nördl. Br., die Länge zu 24° 54' östl. v. Gr. Cailliaud giebt dieselbe zu 29° 12' 20" nördl. Br. und 23° 46' östl. L. v. P. an. Auf der Petermann'schen zehnblättrigen Karte finden wir gleiche Maasse, ebenso auf der Karte, welche der Partheyschen Abhandlung über die Jupiter Ammons-Oase beigegeben ist. Ehrenberg auf seiner Karte verlegt es 29° 30' nördl. Br. und circa 26° 15' östl. L. v. G. Gruoc bestimmt die Breite des Umma beida-Tempels 29° 9' 52" nördl. Br., Pacho auf seiner seinem Werke Cyrenaique etc. beigegebenen Karte hat 29° 12' und einige Sekunden n. Br. und circa 23° 50' östl. L. v. P. Auf der Minutolis Atlas beigegebenen Karte finden wir gleiche Lage, wie bei Cailliaud angegeben, Kiepert endlich hat 29° und einige Minuten nördl. Br. und circa 43° 50' östl. L. F.36 Da alle diese und noch viele andere nur auf die Bestimmungen von Browne und Cailliaud fussen, die Petermann-Hassensteinsche37 Karte aber diese Lage durch Itinerare unterstützt, so müssen wir, bis anderweitige Messungen ein anderes Resultat ergeben sollten, uns an diese halten. Alle weichen ja auch nur wenig von einander ab. Was die Höhe des Ortes betrifft, so haben 113darüber die Alten schon Andeutungen gegeben. Aristoteles sagt mit klaren Worten, dass die Oase des Jupiter Ammon tiefer gelegen sei als Unterägypten, andere Schriftsteller, wie Eratosthenes von Cyrene und Strabo, erkennen, dass die ganze Gegend von Jupiter Ammon unter dem Meere gewesen sein müsse. Erst in der Neuzeit fand Angelot, ein französischer Geolog, aus dem von Cailliaud beobachteten hohen Barometerstand, dass die Oase circa 33 Meter tiefer als das mittelländische Meer liege. Meine eigenen, auf 23 zu verschiedenen Tageszeiten angestellten Barometerbeobachtungen fussenden Messungen ergeben für Siuah eine mittlere Tiefe von 52 Meter.

Die Oase gehört also zu der grossen nordafrikanischen Einsenkung, welche sich ohne Unterbrechung von der grossen Syrte bis nach Aegypten hinzieht. Die Grösse der Oase variirt sehr, so dass man, wenn man nicht verschiedene Gesichtspunkte berücksichtigt, auf die grössten Widersprüche zu stossen glaubt. Schon im Alterthum herrschte darüber Verwirrung. Browne giebt die Länge der Oase auf sechs engl. Meilen (2½ St.), die Breite auf 4½ bis 5 engl. Meilen (circa 2 St.) an. Minutoli rechnet die Länge des fruchtbaren Terrains auf über 2 deutsche Meilen, die Breite beträgt nach ihm nie über ½ Meile. St. John giebt dem fruchtbaren Lande eine Länge von 5 engl. Meilen, eine Breite von 3–4 Meilen. Das ganze Oasenthal von Muley Yus bis Edras 114Amelal ist nach ihm 15 bis 17 engl. Meilen lang. Die Sache liegt einfach so, dass wir annähernd genau die Länge der Oase bestimmen, aber die Breite ohne wirkliche Messung nicht einmal schätzen können. Diese ist nämlich, was das fruchtbare Terrain anbetrifft, wie in allen langgestreckten Oasen so verschieden, oft nur einige Schritte breit, oft zwei Kilometer, dass, wollte man eine durchschnittliche Breite angeben, man sich ein ganz falsches Bild von der Oase machen würde. Dazu kommt noch, dass man zur Oase ebenso gut den ersten Anfang von Vegetation, welcher schon beim Brunnen Tarfaya beginnt, und weit im Osten von Siuah als Hattieh sich fortsetzt, rechnen kann, oder nur eine engere Oase annehmen, welche im Westen bei Maragi anfängt und im Osten bei Muley Yus endet. Letztere hat eine Längenausdehnung von circa 4 deutschen Meilen, derart, dass die Richtung von Maragi bis Siuah fast von N.-W. nach S.-O., die von Siuah nach Muley Yus von S.-W. nach N.-O. streicht. Von zahlreichen Sebcha und Hattieh unterbrochen, finden sich hier die Palmengärten, von denen indess keiner in der Breitenrichtung mehr als 2 Kilometer Ausdehnung hat.

Am Südrande des steilabfallenden, aus Kalkstein bestehenden sogenannten libyschen Küstenplateau gelegen, ist die Oase im Süden von nicht hohen Sanddünen begrenzt. In der Oase selbst liegen mehrere steile Felsen, von denen der Amelal und Djari in W. z. N. R. von 115Siuah, und davon zwei Stunden entfernt, als zwei grosse senkrechte Zeugen bei einer Höhe von circa 100 Meter die bedeutendsten sind. Der Dj. Muta, 1 Kilometer nördlich von Siuah, dieser Ort selbst, Agermi, endlich Dj. Hammed ½ Stunde S. z. W. vom Hauptorte, und der fünfköpfige Dj. Brick eine Stunde südöstlich von Siuah, sind andere derartige Zeugen.

Das Terrain, ursprünglich salzig und sebchaartig, ist durch die zahlreichen süssen Quellen, von denen es in der Oase über 30 giebt38, in dem Bereiche dieser Quellen culturfähig geworden. Die berühmteste von allen, aber nicht mehr die ergiebigste (diese ist in Chamisa, auch die Mosesquelle ist stärker), ist Ain hammam, Taubenquelle, welche wir noch heute nach alten Ueberlieferungen die Sonnenquelle nennen. Sie hat ungefähr 110 Schritte im Umfange39, am Grunde bemerkt man Mauerwerk. Sie besitzt nur einen Hauptabfluss, der sich hernach in verschiedene Arme und nach verschiedenen Richtungen zerspaltet. Nach Diodor hatte der Sonnenquell seinen Namen daher, weil die Temperatur des Wassers in umgekehrtem Verhältnisse zur Sonnenwärme stand; nach den Aussagen der wissenschaftlichen Begleiter Alexanders, war der Sonnenquell Mittags kalt, Mitternachts 116heiss, und Morgens und Abends lau. Wenn so die Alten, ihre Beobachtungen auf das blosse Gefühl beim Eintauchen in das Wasser stützend, allgemein die abwechselnde Temperatur als eine ausgemachte Thatsache annahmen, und die wunderlichsten Erklärungen darüber gaben, so ist es zu verwundern, dass sowohl Minutoli als auch Gruoc noch an eine allen physikalischen Gesetzen widersprechende variirende Temperatur glauben konnten. Bayle St. John und Hamilton, die übrigens nur einmal Gelegenheit fanden, bei Tageszeit ihr Thermometer in den Sonnenquell zu tauchen, fanden ersterer 84° F., letzterer 85° F. Meine zu allen Tageszeiten und Nachts gemachten Beobachtungen ergaben unveränderlich 29° C.40, nur einmal um 2 Uhr Nachmittags bemerkte ich eine Erhöhung um 0,5°, was sehr wohl auf die hohe Lufttemperatur um die Zeit geschoben werden kann. Meine Beobachtungen stimmen also mit denen der beiden Engländer sehr gut. Bei allen andern Quellen, namentlich bei Ain mussa und Ain ben Lif, welche einer öfteren Untersuchung unterzogen wurden, bemerkte ich gleichen Wärmegrad. Den Eingebornen selbst ist über eine wechselnde Temperatur der Quellen nichts bekannt, wohl aber schreiben sie einigen Quellen, namentlich der Ain Hendeli gewisse Heilkräfte zu. Obgleich, namentlich wenn man das Salzwasser in der Wüste gewohnt geworden ist, 117von angenehmem Geschmack, ist das Wasser der Quellen salziger als das unserer Flüsse. St. John, welcher Wasser aus dem Sonnenquell mitbrachte, und untersuchen liess durch Price, fand die Dichtigkeit des Wassers zu 1,001541, die der Themse zu 1,0003. In 100 Theilen enthielt das Sonnenquellwasser 0,23950 (das Themsewasser enthält 0,032932) solide Theile, und davon waren gemeines Salz 0,1615. Es ist kein Grund vorhanden, dass die andern Quellen anders zusammengesetzt sein sollten, denn alle dringen wohl aus einer und derselben unterirdischen Süsswasserschicht, hervorgepresst durch den Druck vom libyschen Wüstenplateau. Alle zeigen auch dieselbe Erscheinung des Blasenaufsteigens, als ob das Wasser siede, und haben in dieser Beziehung die grösste Aehnlichkeit mit dem Quell in Rhadames.

Die meisten grösseren Quellen haben eine künstliche, runde Quadereinfassung, bei vielen gut erhalten. Namentlich sind die Ain Mussa und Ain ben Lif noch heute mit so gut erhaltenen in Kreis gelegten Quadern und Kalk umgeben, dass man glauben sollte, dass diese Bauten, welche mindestens 2000 Jahre alt sind, gestern wären angefertigt worden. Von Siuah aus liegt der Sonnenquell eine kleine Stunde östlich, Ain Mussa eine halbe Stunde nordöstlich, Ain ben Lif, gleich südwestlich vom 118Orte selbst, und Ain Hendeli am nordwestlichen Fusse des Dj. Brick.

Das Klima würde in der Oase des Jupiter Ammon gewiss ein sehr gesundes sein, wie überall in der Wüste Sahara, wenn nicht die vielen Sümpfe und Sebcha, die Vermischung von Süss- und Salzwasser, die darin faulenden organischen Stoffe, namentlich im Spätsommer, die schlimmsten Fieber hervorriefen. Freilich behaupten die Eingebornen dagegen unempfindlich zu sein, und glauben nur für Fremde sei jene Jahreszeit gefährlich, die grosse in Siuah herrschende Sterblichkeit aber, das ungesunde, fahle Aussehen der Kinder, beweisen zu Genüge das Gegentheil. Man wird nicht irren, wenn man die mittlere Temperatur in Siuah zu 25° C. und vielleicht noch einige Grade höher annimmt. Die tiefe Lage des Ortes, der Schutz, den das Plateau gegen Nordwinde gewährt, lassen eine höhere Temperatur als an andern Orten gleicher Breite leicht erklärlich finden. Der Himmel ist fast immer rein, nur Morgens kommen manchmal Nebel vom Mittelländischen Meere, Regen sind aber hier ebenso ausnahmsweise wie in allen andern Theilen der grossen Wüste.

Mit reichster Vegetation da bedeckt, wo die Süsswasserquellen42 sind, ist die Hauptpflanze die Dattelpalme, 119wie in allen Oasen der Sahara, und auch an verschiedenen Sorten fehlt es nicht. Vor allen als vorzüglich werden die Sorten Sultani und Rhaselli gepriesen, und bilden selbst einen grossen Ausfuhrartikel nach Aegypten. Die Zahl der Dattelpalmen beträgt über 300,000, obschon die officielle Zählung bedeutend weniger angiebt. Das geht schon daraus hervor, dass in guten Jahren nach Minutoli bis an 9000 Kameelladungen, zu je 3 Ctr., gewonnen werden. An andern Bäumen ist vor allen der Oelbaum bemerkenswerth, der hier in ungesehener Pracht und Frische gedeiht. Doch werden die Palmen sowohl, als auch die andern Obstbäume von Zeit zu Zeit mit Agol gedüngt, welches, zu dicken Bündeln zusammengepresst, an die Wurzeln der Bäume gelegt wird. Nur in Chamisa gedeihen Orangen und Limonen, aber überall gleich üppig die Weinreben, Granaten, Aprikosen, Pfirsiche, Pflaumen und Aepfel (die Aepfel sind jedoch verkrüppelter Art). Was von den Alten noch an Bäumen erwähnt wird, als Cyperus-Arten, der Baum Elate und andere, wohlriechendes Harz gebende Bäume, so kommen dieselben heute in der Oase und der Umgegend nicht vor, und werden auch wohl trotz der guten Autoren des Alterthums früher nicht vorhanden gewesen sein, weil die klimatischen Verhältnisse ihr Wachsthum nicht zuliessen. An Gemüsen wird ganz dasselbe gezogen, wie in Audjila, aber obgleich hier culturfähiges Land genug vorhanden ist, und die Bewässerung sich fast ganz von 120selbst macht, so reicht der Ertrag des Getreides lange nicht für den Consum der Bewohner hin, und wie in allen Oasen bildet auch hier die Dattel das Eintauschmittel. Die Bestellung der Gärten ist natürlich lange nicht mit so grossen Schwierigkeiten verknüpft, wie in den Oasen, wo durch das Heraufziehen des Wassers aus Brunnen das Land bewässert werden muss, ausserdem ist das Wasser der zahlreichen Quellen so reichlich, dass auch nicht auf eine karge Abmessung der Zeit, wie beim Quell von Rhadames oder bei den Fogorat in Tuat gesehen zu werden braucht. In der Jupiter Ammon-Oase ist das Wasser verhältnissmässig so reichlich, wie in Tafilet und Ued Draa, kleine Bäche ergiessen sich nach verschiedenen Richtungen aus den Quellen, und werden dann nach Bedürfniss in die Gärten geleitet.

Das Thierreich ist ebenso spärlich, wie in den Audjila-Oasen, Schafe und Ziegen werden von den nördlich nomadisirenden Arabern eingeführt, Esel aus Aegypten, einige Kühe werden draussen in den nordöstlichen Hattien gehalten, da eine gefährliche Bremse, welche sich in der ganzen nordafrikanischen Niederung aufhält, den Thieren schädlich ist. Aus dem Grunde halten auch die Siuahner keine Kameele, obschon die Agolweiden in der Oase ausgezeichnetes Futter dafür abgeben. Diese Fliege, welche auch in ganz Centralafrika vorkommt, ist grau von Farbe, von der Grösse einer Honigbiene, und quält Menschen und Thiere gleichviel; der Stich erzeugt auf 121der Stelle Blutung, aber keine Anschwellung; sie ist jedoch nicht zu verwechseln mit der viel gefährlicheren Zetse-Fliege, welche so weit nach Norden zu nicht vorkömmt. Gross ist die Zahl der kleinen wilden Waldtauben, welche sich in den Oelbäumen und Palmen herumtummeln, und da diese besonders dicht beim Sonnenquell stehen, und so den Tauben willkommenen Schutz und Schatten bieten, haben die Eingebornen den Quell mit dem arabischen Namen „Ain el hammam“ Taubenquell, belegt.

Als sonstiges Naturproduct haben wir nur noch des Salzes zu erwähnen, welches aus den Sebcha gewonnen wird. Im Winter sickert aus diesen sehr salzhaltiges Wasser auf die Oberfläche, und nach erfolgter Verdunstung bleibt im Sommer eine Salzkruste zurück, die an manchen Stellen die Dicke von mehreren Zoll erreicht. Das Salz krystallisirt in oft mehrere fingerdicke und fingerlange Stücke von schönster weisser Farbe zusammen. Das von mir mitgebrachte von Baeyer in Berlin untersuchte Salz aus der Ammons-Oase enthält 59,26 Proc. Chlor (reines Kochsalz enthält 60,66 Proc.) hat also ungefähr 97,5 Proc. Kochsalz. Ausserdem fanden sich Spuren von Magnesia und geringe im Wasser unlösliche Substanzen vor. Das im Alterthum auch schon in der Medicin bekannte sal ammoniacum ist nicht mit diesem zu verwechseln, dies wurde künstlich durch Destillation 122aus Kameelmist gewonnen, während jenes ein Naturproduct der Oase des Jupiter Ammon ist.

Was das Volk anbetrifft, welches diese Wüsteninsel bewohnte und bewohnt, so finden wir nur bei Herodot die Nachricht, dass es ein Mischlingsvolk aus Aegyptern und Aethiopiern, und auch seine Sprache eine zusammengesetzte sei. Wenn dies nun zur Zeit Herodots der Fall war, so änderte sich das wahrscheinlich im Laufe der Zeiten. Der fanatische Islam hatte wahrscheinlich alle Einwohner dahin gerafft. Im 12. Jahrhundert, sagt Edrisi, existirten in den kleinen Oasen gar keine Einwohner, aber Siuah schildert er mit Mohammedanern bevölkert. Makrisi führt Santaria oder Siuah mit bloss 600 berberischen Einwohnern an. Und wenn wir heute die Einwohner classificiren sollen, so müssten wir sie ohne Zweifel dem grossen Berberstamm beizählen, welcher sich in der Wüste am reinsten in den Tuareg und in Nordafrika, am unvermischtesten am Nordabhange des grossen Atlas, im Rif und im Djurdjura-Gebirge erhalten hat. Die Sprache der Siuahner ist nichts als ein Dialect des Tamasirht, und ohne Mühe macht sich ein Targi, ein Rhadamser oder ein Atlasbewohner mit den heutigen Söhnen des Jupiter Ammon verständlich43. Freilich fehlt 123den Bewohnern Siuahs jene männliche, fast griechische Schönheit der Tuareg und Atlasbewohner, auch ist ihre Farbe viel dunkler, ohne indess negerartig zu sein. Dies hat aber lediglich seinen Grund in der starken Vermischung mit Negerblut, wovon sich Tuareg und Atlasbewohner enthalten. Aber alle andern Berber in der Wüste, welche in Häusern wohnen, theilen dies mit den Siuahnern in gleichem Maasse: die Uadjili, Soknaui, Rhadamsi, Tuati, Filali und Draui sind durch ihre starke Vermischung mit Negern hässlich geworden. Während meiner Anwesenheit in Siuah sah ich mit Ausnahme des jungen Schich Hammed, des Bruders Schich Omars, keinen einzigen Mann, von dem man auch nur hätte sagen können, dass er hübsch gewesen wäre, von schön nicht zu reden. Hervorstehende Backenknochen, wulstige Lippen, breite Nase, fast ebenso viele mit lockigen, wie mit schlichten Haaren, schwarze stechende Augen, gebräunte Hautfarbe bei fast magerem Körperbau, das ist das Bild eines heutigen Siuahner. Aber ihre Sprache ist unvermischt die Berbersprache, soweit nicht der Islam und einige andere Umstände sie gezwungen haben, arabische Wörter aufzunehmen, wie das ja auch alle andern Berbervölker, die den Koran angenommen, gethan haben.

Wie in allen mohammedanischen Oertern ist es auch hier schwer, etwas Bestimmtes über die Zahl der Bevölkerung zu erfahren. Bei Minutoli werden 8000 Bewohner auf 6 Stämme vertheilt angegeben, Hamilton, mein 124Vorgänger, rechnet nur die Hälfte, 4000 Einwohner. Dovretti hat für Siuah allein 2500 Seelen. Die Siuahner selbst gaben mir die Zahl der waffenfähigen Männer auf 600 Mann und 800 männliche Sklaven für die ganze Bevölkerung an, was eine Totalbevölkerung von 5600 Seelen ergeben würde. Von Haus aus fanatisch und unwissend, scheint namentlich in den letzten 10 Jahren ein merkwürdiger Umschwung mit ihnen vorgegangen zu sein, und hauptsächlich ist dies wohl den innigeren Beziehungen mit Aegypten zuzuschreiben. Die beiden Hauptstämme Lifaya und Rharbyin haben derzeit als Schichs: die Lifaya einen gewissen Omar, die Rharbyin einen gewissen Hallok, in Agermi ist zudem Mohammed Djari Haupt der Eingebornen. Die Lifaya zerfallen in drei Unterstämme, ebenso die Rharbyin, von denen der eine in Agermi ansässig ist. Natürlich ist, seit ein von Aegypten bestellter Mudir die Regierung vertritt, die Macht der Schichs eine sehr beschränkte, und berührt nur die intimsten Angelegenheiten der Familie. Die Bewohner der Oase verschmähen ebenso wenig den Genuss des Lakbi und Araki, wie die übrigen Inselbewohner der libyschen Wüste, nur verbergen sie den Fremden ihre Trunksucht, und wenn man ihren Worten Glauben schenken wollte, so hätte ein Siuahner nie Lakbi gesehen. Mit der Ehe steht es daher auch nicht besser, und wenn Reisende behaupten, Wittwen und Unverheirathete dürften nicht in Siuah selbst wohnen, so ist das offenbar ein Missverständniss. 125Der eigentliche Ort Siuah ist so eng gebaut, und die Häuser aus schlechtem Material so hoch, dass gar kein Platz zum Weiterbau mehr vorhanden ist. Auf diese Art sind Sebucha, Menschia und der Ort im S.-W. von der eigentlichen Burg Siuah entstanden, genau genommen sind dies jedoch nur Quartiere eines Ganzen. Die reichen Bewohner kleiden sich sehr elegant, nach Art der wohlhabenden Kahiriner Kaufleute; der gewöhnliche Mann trägt sich wie in den andern Oasen. Bei den Frauen ist durchweg die blaue Tracht der Fellah-Frauen in Aegypten hergebracht, als eigenthümlich bemerkte ich, dass sie wie die Frauen in Centralafrika niederhocken und ihr Gesicht abwenden, sobald sie einem Mann begegnen.

Als Mohammedaner huldigen sie dem malekitischen Ritus, und in der Sprache haben sie, unter sich Berberisch sprechend, im Arabischen fast ganz den ägyptischen Dialect, im Schreiben jedoch halten sie sich an der maghrebinischen Schreibweise. Religiöse Innungen sind drei vertreten: Snussi, Madani und Abd Salamin von Mesurata. Die Snussi, die jüngstentstandenen, sind am zahlreichsten.

Ausser dem schon erwähnten Orte Chamisa hat die Oase als Hauptort Siuah, welcher in den kasernenartig bebauten Berg und dem im S.-W. daran liegenden Stadttheil der Rharbyin zerfällt, endlich im Nordost, dicht dabei Sebucha, auch von Rharbyin bewohnt, und noch 126einen halben Kilometer weiter nach N.-O. der von Lifaya bewohnte Ort Menschia. Der andere Ort im N.-O., eine kleine Stunde von Siuah entfernt, ist Agermi, von Rharbyin bewohnt. In früheren Zeiten herrschte in der Regel Krieg zwischen Agermi und der Burg Siuah, seit die ägyptische Regierung festen Fuss hat, sind die Fehden unblutiger Art.

Was den Handel Siuahs anbetrifft, so ist derselbe gering, der Siuahner hat lange nicht den Unternehmungsgeist der Modjabra, seine weitesten Reisen sind Alexandria und Kairo; nach Audjila oder Bengasi, nach Fesan oder Sudan kommt er nie. Jedoch als Zwischenstation von jeher wichtig gewesen, besitzt Siuah verhältnissmässig viel Geld. Von einigen Producten führen sie nur Oel44 und Datteln nach Aegypten aus, und tauschen meist ihre eigenen Bedürfnisse dagegen ein. An dem Sklavenhandel betheiligen sie sich nur indirect, indem die Modjabra hier gewöhnlich mit ihrem Trupp einen langen Aufenthalt nehmen, um die Sklaven wohlgenährt und fett auf den ägyptischen Markt zu bringen. Die Einwohner verstehen nichts zu fabriciren, wenn man nicht Körbe, Teller und Matten aus Palmzweigen und Bast dahin rechnen will, wie sie in jeder andern Oase auch und besser gemacht 127werden. Jedoch giebt es die hauptsächlichen Handwerker: Schlosser, Schmiede, Schuhmacher, Schneider, Schreiner sorgen für die unentbehrlichsten Bedürfnisse der Bewohner.

Die Abgaben, welche das ägyptische Gouvernement bezieht, sind keineswegs übermässig gross, denn 10,000 M.-Th.-Thaler jährlich ist gewiss nicht zu viel für eine Bevölkerung von 5–6000 Seelen mit so reichen Palmwäldern und Gärten wie diese Oase sie hat. Freilich werden dabei auch noch wohl manche Nebenerpressungen dreingehen: der Mudir verlangt seine Bakschisch, der Kadhi spricht nur Recht, wenn man ihm so und so viel unter seinen Teppich legt, aber das ist Norm in allen mohammedanischen Staaten, und die Siuahner haben keineswegs Grund mit der ägyptischen Regierung unzufrieden zu sein.

Wie ich schon angeführt habe, hatte man mich ins Kasr einquartiert, welches nach Norden gelegen, unterhalb der Burg von Siuah, eine der besten Wohnungen war; vor dem Hause befindet sich ein grosser ummauerter Platz, in dessen hinterem abermals ummauertem Theile die Dattelmagazine sich befinden, während in dem andern vordern Theile das zum Ausdreschen bestimmte Getreide aufgespeichert liegt. In der Mitte steht eine hohe Kuppel Sidi Slimans, eines in Siuah in grosser Verehrung stehenden Heiligen. Am ersten Tage verging natürlich fast die ganze Zeit mit Besuchempfangen. Selbst 128der fanatische Kadhi hatte für gut befunden dem Christen einen Besuch zu machen, aber mein Erstaunen wurde noch vermehrt, als auch der Mkaddem der Snussi zu mir kam, und sein Bedauern ausdrückte, dass ich nicht Sidi el Madhi in Sarabub (den Sohn und Nachfolger Sidi Mohammed Snussi's) besucht habe. Als ich ihm erwiederte, mein Führer habe mir gesagt, und auch früher habe ich dies überall in Barca gehört, dass Sidi el Madhi keine Christen in Sarabub sehen wollte, und ich mein Leben, falls ich hinginge, riskiren würde, schwur er, dies sei eine böswillige Verleumdung, Sidi el Madhi würde im Gegentheil sich gefreut haben mir Gastfreundschaft erweisen zu können. Bald darauf wurde dann das Gastgeschenk hereingebracht, ein fetter Hammel, Datteln, Reis, Zwiebeln, Knoblauch und Tomaten, auch einige Körbe mit Brod fehlten nicht. Die Uebrigen erklärten, die Bewohner wünschten, ich möchte wenigstens 14 Tage ihr Gast sein, während der Zeit solle es mir an nichts fehlen, und um vor Zudringlichkeit geschützt zu sein, oder bei etwaigen Käufen nicht übervortheilt zu werden, stellten sie mir zwei Kavassen zur Disposition; namentlich, liessen sie mir sagen, sollte mir Alles gezeigt werden, was ich zu sehen wünsche.

Mein erster Gang war natürlich nach Umma beida, theils weil die aus den Palmen hervorragenden Ruinen von selbst schon einluden, theils weil gerade Nachmittags noch Zeit genug zu dieser Promenade vorhanden war. 129Der Weg dahin läuft immer zwischen den schönsten Gärten, und nach einer kleinen Stunde ist man an Ort und Stelle. Nur von einem Diener begleitet und einem Eingebornen, um den Weg zu zeigen, grüssten uns die uns Begegnenden überall aufs freundlichste, viele schlossen sich auch wohl eine Strecke Weges an, um etwas zu plaudern und Neuigkeiten zu erfahren. Umma beida oder der kleine Jupiter Ammons-Tempel ist heute schon lange nicht mehr, wie ihn Minutoli und später noch St. John gesehen haben. Der Thorweg, der von beiden beschrieben und von Minutoli auch gezeichnet wurde, existirt nicht mehr, nur vom hinteren Tempel stehen noch die Seitenwände etwa 25' hoch und inwendig einen 16' breiten Raum lassend. Die Länge der noch stehenden Mauern ist 14' resp. 10', und überdacht ist das Ganze von 3 colossalen Monolithen45, die auf der unteren Deckseite gut erhaltene, ausgebreitete Adler zeigen. St. John will noch 10 andere Decksteine in Bruchstücken auf der Erde liegen gesehen haben; ich bemerkte nur zwei und einige Bruchstücke, welche zu zwei anderen gehört haben mochten. Zu Browns Zeiten lagen sogar noch 5 Decksteine oben, Minutoli fand aber nur noch drei vor. Dieser Theil des Tempels, dessen hintere südliche Wand fehlt, dessen Pronaos noch zur Zeit Minutolis vorhanden war, jetzt aber auch verschwunden ist, hat an seinen 130inneren Wänden vollkommen gut erhaltene Hieroglyphencolonnen: an der östlichen Wand sind noch 53, von denen die mittleren 47 ganz erhalten sind, an der westlichen Wand 52, mit 49 ganz erhaltenen Colonnen. Unten aus kleinen Quadern gebaut, sind dieselben nach oben zu grösser, und derart inwendig verkittet, dass durch die Fugen der Schrift kein Abbruch geschieht. An der Aussenseite scheinen nie Hieroglyphen gewesen zu sein, und die Bilder sind gänzlich verwittert. Zwischen den allegorischen Bildern oberhalb und unterhalb der Schriftcolonnen bemerkt man noch an manchen Stellen die ursprüngliche Farbe, besonders grün und blau, was sehr dazu beiträgt, Bilder und Hieroglyphen hervortreten zu machen. Die am südlichen Ende des Tempels sitzende Figur des behornten Ammon, Huldigungen entgegennehmend, von den mit Schakal- und Sperber-Köpfen versehenen menschlichen Figuren, ist das am besten Erhaltene. Tölken, der Minutolis Aufzeichnungen bearbeitete, erkannte darin die Bezwingung feindlicher Gottheiten, denen Ammon sich nach der Besiegung gnädig erzeigt, sowie einen ganzen Zug Priester und heiliger Frauen, und in der untersten Reihe den Tod des Osiris und die Trauer um ihn. Dieser vollständige Cyclus heiliger Lehre bildete so im Gotteshause selbst ein Lehrbuch für den geistlichen Unterricht46.

131Von der äusseren Umfassungsmauer ist nur noch die südöstliche Ecke, welche aus gewaltigen Quadern besteht, vorhanden, alles Uebrige ist verschleppt oder in den sehr morastigen Boden versunken. Nach Minutoli betrug die Umfangsmauer 77 Schritt in der Länge und 66 Schritt in der Breite, was mit meinen Messungen genau stimmt.

Der Tempel selbst ruht auf einem beinahe viereckigen Kalkfelsen, dessen obere Partie, ob Kunst oder Natur, grosse Alabasterquadern zeigt, in denen sich eigenthümlich krystallisirte Rosetten befinden, welche oft einen Fuss Durchmesser haben. Von unterirdischen Gängen ist jetzt nichts mehr zu sehen, obschon die Leute von geheimen Gängen nach Agermi und Siuah fabeln. Die Richtung des Tempels ist bei 15° Abw. genau 348°.

Der Sonnenquell liegt 1 Kilometer südlich von Umma beida inmitten von Palmgärten; da ich ihn schon oben beschrieben, sowie das Resultat der Messungen, die ich an jenem und den folgenden Tagen wiederholte, schon mitgetheilt habe, so brauche ich mich hier darüber nicht weiter einzulassen. Der Rückweg nach Siuah wurde über Agermi genommen, ohne jedoch den Ort selbst zu betreten, da für diese interessante Burg eine eigene Tagesfahrt bestimmt war. Früh am andern Morgen ging es dann bei der Tammagrat-Quelle vorbei, nach dem südöstlich etwa 1 Stunde entfernten fünfspitzigen Dj. Brick. Hier scheint man die Steine zu den Bauten des Tempels 132gebrochen zu haben, auch befinden sich da mehrere regelmässig bearbeitete Felsengräber, wie die in Cyrenaica, einige sogar mit Säulen im Innern. Verschiedene Grabkammern lassen aus ihrer Grösse und den vielen Nebengemächern schliessen, dass sie ganzen Familien als Begräbnissstätte dienten. Sonst war jedoch von Bildwerken oder Inschriften nichts zu entdecken. Gleich am Fusse des Berges nordwestlich, entspringt die bei den Eingebornen im grossen Rufe stehende Quelle Hendeli, welche einst so stark gewesen sein soll, dass sie einen Bach bildete, welcher die Gärten bis Bab el medina und weiter bewässerte, auch sollen in der Tiefe grosse Schätze verborgen sein; jetzt ist sie nur mittelmässig stark, hat dieselbe Temperatur, und war von Geschmack ganz gleich dem Sonnenquell.

Während aller dieser Excursionen waren die Bewohner immer von der grössten Bereitwilligkeit; wenn ich ermüdete, war rasch ein Esel zum Reiten zur Hand, und namentlich liess Schich Hammed keinen Tag vorüber gehen, an welchem er nicht irgend ein kleines Geschenk brachte. Entweder schickte er Datteln oder Kuchen oder Eier, und schien absichtlich die Chikanen, welche sein Stamm Hamilton zugefügt hatte, an mir wieder gut machen zu wollen. Obschon er mich auf meinen Excursionen begleitete, musste er davon abstehen, Agermi zu besuchen, weil als Lifaya er dort keinen Zugang hatte. Vor circa 20 Jahren hatten nämlich die Lifaya 133sich Agermis durch Ueberrumpelung bemächtigt, und nur mit Hülfe der anderen Rharbyin gelang es den Bewohnern sich wieder in Besitz ihrer Burg zu setzen, seit der Zeit aber ist es keinem der Lifaya gestattet, Agermi zu betreten, etwaige Geschäfte werden vor dem Thore, in welchem immer eine Wache ist, abgemacht. Für mich waren keine Schwierigkeiten den Ort zu besuchen, und sobald ich am Thore war erkannt worden, bekam ich Einlass. Durch einen gewundenen engen Gang, der an mehreren Stellen abgeschlossen werden konnte, der manchmal überbaut war, und auf den auch die Djemma mündete, ging es aufwärts zu einem freien Platze, der fast die Mitte des oben glatten Felsens einnimmt, und um den herum die Häuser Agermis gebaut sind. Zuerst musste ich den Schich Mohammed Djari besuchen, welcher der reichste Mann der ganzen Oase sein soll; sein Haus war auch recht gut eingerichtet, drei Stock hoch und da wo wir hingeführt wurden, bildete das Zimmer eine Art Veranda. An beiden Seiten in demselben waren Divane von Thon mit Matten belegt, über welche syrische Teppiche gebreitet lagen. Nach dem Austausch der Höflichkeiten wurden Thee und Kaffee servirt und Neuigkeiten aufgetischt, dann kam hauptsächlich die Schatzgräberei aufs Tapet, denn die Eingebornen vermuthen, dass unter jedem alten Steine Gold und Silber verzaubert liegen muss. Mohammed Djari wachte übrigens genau darüber, dass seine Neger die Tassen vorschriftsmässig 134präsentirten und wieder in Empfang nahmen, und sicher nahm er es als ein grosses Compliment entgegen, als ich ihm sagte, bei ihm sei Alles „türkisch“. Endlich konnte ich mich losmachen, und er gab mir dann einen Kavas mit, der mir Alles zeigen sollte. Einem anderen gewundenen und engen Gange folgend, bemerkte ich gleich an einem Gebäude nördlich Grundmauern aus Quadern, oben darauf war ein Stall, und nichts hinderte meinen Eintritt; aber so viel ich auch suchte, es war eben weiter nichts als die Grundmauer zu entdecken, welche 2 Fuss hoch aus der Erde stand und von der nur die eine Wand übrig zu sein schien. Nun nach Westen gehend, kamen wir bald an das grosse Gebäude, dessen äussere Mauer man zum Theil von aussen des Ortes sieht, und dessen innere Wand theilweise auf dem grossen Platz in Agermi zu sehen ist. Durch die Wand führt ein gebrochener Weg gleich in einen Vorhof, dessen Dach aber gänzlich verschwunden ist, und welcher 15 Fuss lang und 10 Fuss breit ist. Nach Süden zu aber verbaut von einem Hause, kann man den südlichen Eingang nicht sehen, der jedoch in Form einer einzigen grossen Thür vorhanden ist. Hieroglyphen sind hier nirgends zu sehen. Durch zwei grosse ägyptische Thore kommt man nach Norden in das Allerheiligste, welches aber von Häusern ganz durchbaut ist. Die Thore, 18 Fuss hoch, kann man nur mittelst der Häuser passiren. Voll Rauch, Staub und Russ, entdeckte ich hier 135jene Hieroglyphen und Bilder, von denen einiges zu copiren nur mit Hülfe mehrerer Kerzen gelang, und wovon ich oben das Resultat nach Brugsch mitgetheilt habe. Die Leute zeigten auch hier den besten Willen mir Alles sehen zu lassen, aber um vollständig befriedigt zu werden, hätte man ihre Häuser, welche den grössten Theil der Wände bedeckten, wegbrechen müssen, und dazu wollte sich natürlich Niemand verstehen. Jene Cella war in ihren Dimensionen 24 Fuss lang auf 18 Fuss Höhe und 18 Fuss Breite. Interessant war noch ein geheimer Gang in der Dicke der östlichen, inneren Längsmauer. Wie ich später sah, steht derselbe jetzt noch in Verbindung mit dem grossen Brunnen in Agermi. Derselbe ist 2 Fuss breit, so dass gerade ein Mann darin gehen konnte, und war wahrscheinlich der Weg vom Tempel zum Brunnen, den die Priester ungesehen hinabgingen, um am Wasser die zum Opfer bestimmten Gegenstände zu reinigen. Der Brunnen selbst, auf der Südseite des Platzes gelegen, ist durch den Fels gearbeitet, sehr geräumig und tief, und von oben sieht man deutlich auf einer kleinen Plattform den Tempelgang dicht oberhalb des Niveaus des Wassers ausmünden.

Geht man dann vom Vorhof aus durch das die südliche Wand schliessende Haus, so kommt man auf eine Strasse und stösst alsbald auf eine grosse Mauer aus colossalen Quadern, die eine Art von Brücke über die Strasse bildet. Der Häuser wegen lassen sich auch 136hier keine weiteren Nachforschungen anstellen, aber aller Wahrscheinlichkeit nach dürften dies Reste der alten Akropolis sein, während das vorhin beschriebene Gebäude mit zwei Abtheilungen dem grossen Tempel des Jupiter Ammon entspricht. Schon der Zusammenhang mit dem Brunnen mittelst des geheimen Ganges macht dies wahrscheinlich. Auch mit der Beschreibung der Alten, z.B. Diodor, von den Räumlichkeiten der Jupiter Ammons-Oase stimmt Alles. Nach ihnen war die heilige Quelle, und das ist der Brunnen, dicht bei dem Tempel gelegen. Anführen muss ich noch, dass von diesem Brunnen aus, der eine starke Quelle enthält, sieben Bäche aus dem Berge heraus nach aussen sich ergiessen. Die dritte äussere Umschliessungsmauer, von der bei den Alten die Rede ist, müssen wir jedenfalls wohl ausserhalb Agermi suchen, da der Raum nicht gross genug gewesen sein würde, um Platz für Soldaten und Diener, wofür er bestimmt sein sollte, aufzunehmen. Spuren von Mauerwerk fand ich später südwestlich von Agermi zwischen einigen Hütten, Tschücktschuck genannt, und diese könnten möglicherweise Reste der dritten Umfassung gewesen sein.

Es versteht sich wohl von selbst, dass ich meinen Besuch in Agermi wiederholte, aber dennoch, so oft auch alle Häuser, welche zugänglich waren, durchsucht wurden, war nichts zu entdecken. Gerade südlich von Agermi, kaum einen Viertel Kilometer entfernt, finden sich die Reste eines griechischen Tempels, seine Richtung ist von 137Westen nach Osten, die Umrisse lassen sich nur aus den zum Theil aus dem Boden sehenden Quadern erkennen, zu Tage liegt sonst nichts als die Schafte zweier cannellirter Säulen. Die Schuttumrisse geben auf 18 Schritt Länge eine Breite von 14 Schritt; ursprünglich mögen aber die Verhältnisse andere gewesen sein, da dieselben eben nur durch Schutt und Anhäufungen zu bemessen waren.

In jenen Tagen erstand ich auch durch Kauf den interessanten Marmorwidder, sowie einige alte Münzen, welche in der Oase gefunden worden sind. Zugleich machte ich mich auf nach dem Orte, wo der Widder war entdeckt worden. Ungefähr 1½ Stunde S.-W. von Siuah gelegen, fand ich am Rande der Oase und der Dünen nichts als einen 12' Quadrat grossen Schutthaufen, in dem einzelne Kalkquadern lagen. Möglicherweise kann hier ein Triumphbogen gestanden haben, worauf der Name bab el medina47 wenigstens hindeutet. Die übrige Zeit ging damit hin, die Oase nach allen Richtungen hin zu durchstreifen, Agermi, Umma beida und der Sonnenquell erhielten täglich einen Besuch, auch Ain Mussa, eine grosse schön ummauerte Quelle, auf selbem Wege zwischen Siuah und Agermi gelegen. Besonders auch unterwarf ich den Dj. Muta, Todtenberg, einer genauen Untersuchung, derselbe ist etwas nördlich von Siuah gelegen. Ungefähr 150' hoch und an der Basis 138einen Umfang von etwa 1500 Meter zeigend, ist dies gewiss die sonderbarste Grabstätte, die man auf Gottes Erdboden antreffen kann. Seit Jahrtausenden muss dies der gemeinsame Beerdigungsplatz der Bewohner der Oase gewesen sein. Hunderte von Gewölben, Löchern, Katakomben und Gräbern machen aus dem ganzen aus Kalkstein bestehenden Berg ein wahres Labyrinth, und es giebt darin Gewölbe, welche zur Aufnahme von hundert und mehr Todten hergerichtet waren. Spitz nach oben zulaufend, ist der Berg so durchlöchert, dass er einem Zellenbau gleicht. Hunderte, Tausende von zerrissenen Gerippen, ganze Haufen von Schädeln, oft noch gut eingewickelte Mumienglieder liegen am Fusse des Berges umher. Da ist auch kein Grab, welches nicht durchsucht, kein Gerippe, welches nicht auseinander gerissen worden wäre, um möglicherweise Ringe oder Schmucksachen an demselben zu entdecken. Ja, einige Gräber hatten offenbar in späteren Zeiten schon zu Wohnungen dienen müssen, russige Wände, Topfscherben und Feuerstellen zeigten es deutlich. An der südöstlichen Bergkante wohnen noch jetzt einige arme Familien in den Todtengemächern, meine Begleiter sagten mir, es seien vor einigen Jahren aus Djalo eingewanderte Modjabra. Bemerkenswerth von all den vielen Gräbern war ein in der Mitte des Berges auf der Ostseite gelegenes: der Eingang mit Halbsäulen geschmückt, liess schon auf ein sorgfältig ausgehauenes Innere schliessen, und in der 139That entsprach die innere Einrichtung ganz dem eleganten Aeusseren. Durch einen Vorhof gelangte man in eine geräumige Kammer mit zwei seitlichen Nebencabinetten, welche, wie die Hauptkammer sorgfältig ausgehauene Aufnahmestellen für die Todten hatten. In Manneshöhe zog sich auf blauem Grunde eine Epheu- oder Rebenblattguirlande in lebhaft grüner Farbe herum, und so frisch waren die Töne, als ob sie gestern wären gemalt worden. Im Hintergrunde der Kammer bemerkte man auch erhabene gemeisselte Figuren an der Wand, doch waren sie absichtlich so zerstört, dass sich nichts erkennen liess. Der unterirdische Gang, der von hier nach Agermi führen sollte, erwies sich, nachdem Licht gebracht wurde, als nichts anderes, denn unterirdische Grabhöhlen, welche sich von hier noch weiter ins Innere des Berges fortsetzten, dann aber mit einer Felswand ein Ende hatten.

Ich hatte während meiner Anwesenheit in Siuah nie davon gesprochen, den Ort selbst besuchen zu wollen, ich wusste, wie empfindlich früheren Reisenden gegenüber die Bewohner in diesem Punkte gewesen waren. Und wenn man vom mohammedanischen Standpunkte aus das Haus als etwas Heiliges, für Fremde Unzugängliches betrachtet, wird man das auch ganz natürlich finden. Nun ist aber Siuah selbst so zu sagen ein einziges Haus. Der konische Berg, aus dem es besteht, ist seit 1000 Jahren so eng überbaut worden, dass die Häuser ein 140Ganzes bilden und alle eine Höhe von drei Stockwerken erreicht haben; wo nur noch Platz war, hat man gebaut, so dass sogar die Strasse mit Ausnahme einiger nach oben gelassener Luftlöcher ganz überbaut ist.

Als nun aber Hammed mich in den letzten Tagen fragte, ob ich noch etwas zu sehen wünschte, und ich erwiederte, ich glaubte Alles gesehen zu haben, während doch mein Blick, der auf Siuah ruhte, das Gegentheil verrieth, sagte er von selbst: „Ja, mit Ausnahme des Ortes, wenn Du aber hinein willst, will ich gleich ausrufen die Thüren zuzuhalten und die Weiber einzusperren.“ Man kann sich denken, mit welcher Freude ich den Vorschlag annahm, zumal nach den Erkundigungen St. Johns alte Baureste in Siuah sein sollten. Man hatte schnell die Frauen unter Schloss gelegt, und durch eine der vielen Thüren gelangten wir unter einem Hause durch bald in die grosse, aber auch überdachte Strasse, welche sich schneckenhausartig um den Berg bis fast nach oben hinaufzieht. Indess war es doch noch hell genug, um ohne Licht oder Fackel gehen zu können, manchmal aber die Strasse so niedrig, dass Achtung gerufen wurde, um nicht mit dem Kopf anzustossen. Von dieser grossen Strasse liefen radienförmig Gänge aus, nach aussen und innen. Mit Ausnahme der durch den Fels getriebenen Brunnen, es giebt deren vier in Siuah, welche davon zeugen, dass auch im hohen Alterthum dieser Punkt der Oase schon stark bewohnt war, 141ist indess nichts von altem Mauerwerk vorhanden. Oben am Ende der Spirale, denn das war die Strasse, angekommen, fand ich ein Haus; der Besitzer, ein alter Mann, war aber auch freundlich genug mich einzuladen, und bald befand ich mich auf dem Dache des höchsten Hauses von Siuah, hatte von hier aus den Blick auf alle Dächer, welche, wie Stufen nach unten abfielen. Ein herrlicher Rundblick eröffnete sich hier auf den Amelal-Felsen, auf das steile nördliche Ufer, auf die Palmgärten, auf Dj. Muta, Agermi und Umma beida, und nach Süden auf die endlose Fläche der Sahara. Dem alten Manne gab ich denn ein mehr als reichliches Bakschisch, das wird aber künftigen Reisenden auch wieder die Thür öffnen. Wenn ich somit in Siuah selbst auch nur ein negatives Resultat erlangt hatte, nämlich constatiren zu können, dass hier keine Ruinen irgendwelcher Art vorhanden sind, so bestätigt das andererseits um so mehr, in den auf Agermi vorhandenen Ruinen den grossen Tempel und die Akropolis mit vollem Rechte zu erkennen.

Während der ganzen Zeit meines Aufenthaltes hatten sowohl die Schichs der Lifaya, als auch die der Rharbyin gewetteifert mir ihre Dienste anzubieten, und um sich selbst herauszustreichen, hielten sie es fürs Beste sich gegenseitig zu verleumden. Ich hielt mich mit allen gut, Hammed aber, der sich gegen mich am uneigennützigsten und aufrichtigsten gezeigt hatte, beschenkte 142ich mit einem schönen weissseidenen Ueberwurf, einer Djibba oder Djelaba, welche von einem Stück angefertigt worden war, das von den in Tripolis verfertigten Burnussen für den Sultan von Bornu übrig geblieben war; aber auch alle Uebrigen wurden reichlich bedacht, um sie in ihren guten Gesinnungen gegen uns Europäer zu erhalten.

Und dann wurden am 11. Mai die Kameele vorgetrieben, beladen, und in Begleitung sämmtlicher Schichs und vieler Bekannten, während alles Volk auf der Strasse war, verliessen wir die Mestah oder den Dattelhof, und riefen den Siuahnern ein Allah ihennikum zu.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Tripolis nach Alexandrien - 2. Band