Heute kommen wir überein, den Theil der Sahara die libysche Wüste zu nennen, welcher südlich vom sogenannten libyschen Plateau und nördlich von Fur und Kordofan einerseits, ...

Heute kommen wir überein, den Theil der Sahara die libysche Wüste zu nennen, welcher südlich vom sogenannten libyschen Plateau und nördlich von Fur 67und Kordofan einerseits, andererseits westlich vom Nil und östlich von einer Linie gelegen ist, welche man sich von Audjila durch Kufra und Uadjanga nach Uadai gezogen denkt. Eigentlich liegt aber zu einer besonderen Benennung gar keine Berechtigung vor, da diese Strecke Landes sich durch Nichts von der übrigen Sahara zu unterscheiden scheint. Die Alten nannten das ganze nördliche Afrika Libyen zum Unterschiede von dem im Innern gelegenen Aethiopien, und die specielle Benennung dieses Theiles der Wüste als libysch, scheint durch die arabischen Geographen aufgekommen zu sein, da auch Leo diesen Theil östlich von Audjila als Leuata, Lebeta bezeichnet, ein Wort, was von Libyae herkommt.

Und wir können, bis das Innere dieses grossen Raumes erforscht ist, eines Raumes von circa 15 Quadratgraden, in den nie ein Europäer gedrungen ist, mit Recht diesen Namen beibehalten, um nur überhaupt einen Namen für eine so grosse Gegend zu haben, die wir sonst höchstens die östliche Sahara nennen könnten. Gewiss ist aber auch in diesem Theile der Wüste die grösste Mannigfaltigkeit vorhanden, Berge wechseln mit Sserir, Sanddünen mit Hammada, und zwei grosse Oasen sind uns wenigstens dem Namen nach bekannt, Kufra und Uadjanga.


Beide sind bewohnt, denn wenn Kufra auch durch tripolitanische Rasien, bis vor einigen Jahren der Bevölkerung 68war beraubt worden (man hatte die einheimischen Teda in die Gefangenschaft geschleppt), so hat jetzt Sidi el Mahdi, der Sohn Snussis, dort eine Filial-Sauya errichtet, und Neger aus Uadai bilden den Kern der Bevölkerung.

Ob sich nun die lange Depression von Bir Ressam an durch Audjila hindurch bis nach Siuah, auch südlich hin erstreckt, das wäre gewiss höchst lohnend zu erforschen. Würde es der Fall sein, dass die Bodensenkung bis Uadjanga reicht; also ungefähr bis zum 22° nördl. B., so liesse sich durch eine Durchstechung des Ufers, etwa an der grossen Syrte, eine grosse Umwälzung für Afrika hervorrufen. Der ganze Theil südlich, vom sogenannten libyschen Plateau, würde dann Binnen-See werden, Audjila, Djalo und Siuah würden verschwinden, aber Central-Afrika würde uns dann auf eine Weise zugänglich werden, die Nichts zu wünschen übrig lässt. Und was hätte das Verschwinden jener kleinen Oasen zu bedeuten, und andere, von grösserer Ausdehnung, sind wohl schwerlich vorhanden. Oder sollten in der That, westlich von den Uah-Oasen, östlich von Kufra und Uadjanga, grössere Oasen existiren, oder gar bevölkerte Oasen dort vorhanden sein, ohne dass wir Kunde davon hätten? Wir glauben das nicht. Aber gerade diese Abwesenheit von Oasen, dieses Trostlose, diese endlose Einöde berechtigen uns denn auch um so mehr, diesen Theil der Sahara speciell zu benennen und zwar mit dem alten Worte der 69libyschen Wüste. Wir durchzogen die Sahara von Westen nach Osten, von Norden nach Süden, aber nie durchwandelten wir eine ödere, abschreckendere Gegend als die von Uadi nach Bir Tarfaya. Der Weg südlich von Fesan bis Kauar ist durch die Gerippe vor Durst verschmachteter Negersklaven bezeichnet; aber dies ist nicht hervorgebracht durch Brunnenmangel, sondern durch zu knappes Mitnehmen von Wasser, durch Entbehrungen und Strapazen aller Art, welche die Sklaven zu erdulden haben. Zwischen Tidikelt und Timbuctu wird als verderbend und ohne Wasser die Tanesruft erwähnt, und doch beträgt die brunnenlose Strecke nur 5 Tagemärsche. Es giebt auch wohl in der ganzen übrigen Sahara keine Karawanenstrasse, welche eine grössere Brunnenentfernung hätte.

Hier von Batofl nach Süden, hat man erst am siebenten Tage Wasser, und geht man von Djalo oder Uadi nach Osten, also nach Siuah, so ist man circa 45 deutsche Meilen ohne Wasser. Und diese entsetzliche, wasserlose, vegetationslose Wüstenstrecke musste jetzt durchzogen werden.

Es war 7 Uhr Morgens, am 17. April, als wir Djalo verliessen, wo das Wasser so schlecht und die Leute so unmanierlich und wenig liebenswürdig waren. Wir hatten noch mehrere Schläuche zu unseren schon vorhandenen gekauft, hatten unsere Mehl- und Dattelvorräthe erneuert, und glaubten so den Schrecken der Wüste 70trotzen zu können. Wir hielten immer N.-O. Richtung zu N. und legten im Ganzen an dem Tage sieben Stunden zurück, von denen zwei in der Oase Djalo selbst. So hübsch diese von aussen als Ganzes sich ausnimmt, so trostlos ist sie im Innern: fast nirgends Gartenbau, überall Dünenbildung, die Palmen nur gruppenweise, und fast so viele Lakbi träufelnde Palmen als fruchttragende, geben die vielen abgestorbenen Stümpfe dieses segenbringenden Baumes eine schlechte Vorstellung von dem Betriebseifer der Bewohner.

Man erreicht dann eine Ebene, die aus Kies und grobem Sand besteht, und wo zahlreiche Baumstümpfe, jetzt versteinert, und verglaste Holztrümmer auf ehemalige Vegetation hindeuten. Diese Ebene ist etwas höher als Audjila aber auch noch unter dem Niveau des Meeres. In dieser einförmigen Gegend zogen wir nun, immer in der alten Richtung haltend, sieben langweilige Stunden dahin, und erreichten dann das Uadi, wo wir Brunnenlöcher fanden. Diese haben weiter keinen Namen, sondern werden schlechtweg biur el uadi, d.h. Brunnen des Thales genannt.

Das Uadi zieht sich von hier nach Nordost, und einen halben Tagemarsch weiter stösst man auf den Brunnen A'gela (Lagheirah), der selbst hinwiederum einen halben Tagemarsch östlich vom bewohnten Orte Leschkerreh sich befindet. Dieser Ort liegt indess nicht im Uadi. Nach Süden zu geht das Uadi bis nach Batofl, 71welches gewissermaassen seine Oasenbildung der unterirdischen Feuchtigkeit des Uadi verdankt. Dies ist reichlich mit Wüstengras, Belbel und männlichen Dattelbüschen bestanden. Letztere, welche gerade in Blüthe standen, wurden von den Bewohnern Djalos ihrer Blumen beraubt, die damit die weiblichen Dattelbäume ihrer Oase befruchten. Obgleich das Wasser überall auf 3 bis 5 Fuss Tiefe anzutreffen ist, scheint das Uadi nie bewohnt gewesen zu sein, wenigstens sind nirgends Spuren von Bauten oder Anpflanzungen übrig geblieben. Es ist dies umsomehr zu verwundern, als das Wasser das Beste der ganzen Oasengruppe und im Verhältniss so wenig salzhaltig ist, dass nach dem Gebrauche des brakischen Wassers von Djalo es fast als süss erscheint.

Wir warfen uns frische Wasserlöcher aus, und schlugen so rasch wie wir konnten im Schutze hoher Palmbüsche unsere Zelte auf, denn schon seit einigen Stunden verkündete die blutigroth gefärbte Sonne, dass ein Samumwind nahe sei.

Kaum war dies geschehen, als denn der heisse Staubwind mit einer solchen Heftigkeit zu wehen anfing, wie ich ihn in der Sahara noch nie erlebt hatte. In Einem Augenblicke war die Sonne unseren Blicken entzogen und wir Alle von einem feinen Staube, der heiss die Haut berührte, umflossen. Es war der 17. April Nachmittags, und dieser Gluth-Orkan hielt bis zum 20. incl. 72an, immer mit gleicher Heftigkeit. Allerdings war die Hitze nicht sehr gross, da überdies die heisse Jahreszeit noch fern war (höchster Wärmepunkt am 19. April Nachmittags 3 Uhr: 33°), auch zeigte das Barometer keinen bedeutend niedrigen Stand, aber dafür war der Feuchtigkeitsgehalt der Luft durch den alles austrocknenden Wind dermassen gering geworden, dass man behaupten konnte, in absolut trockner Luft zu sein. Das Hygrometer fiel am 19. und 20. April Nachmittags auf 2° (unter normalen Verhältnissen hatte es um diese Zeit in dieser Sahararegion circa 25°, am Rande des Meeres 60 bis 70°).

Um uns in dieser Feueratmosphäre zu erhalten, hatten wir bei vollkommener Unthätigkeit das Bedürfniss, circa 12 Liter Wasser innerhalb 24 Stunden zu trinken, der Körper bedurfte also einer wässrigen Zufuhr, welche gleich ist dem gewöhnlichen Blutquantum des Menschen. Ich verstand es nun leicht, wie es möglich sein kann, dass zu Fusse reisende Menschen in der Sahara, während eines solchen Samumwindes, innerhalb eines halben Tages bei Wassermangel verdursten können. Die Trockenheit ist nämlich so gross, dass die ganze Feuchtigkeit des Menschen verdunstet: sie muss fortwährend, will der Mensch nicht an Austrocknung sterben, durch Wasserzufuhr ersetzt werden. Die Verdunstung erfolgt nur durch die Haut und unmerklich. Hieraus erklärt sich denn auch, weshalb die trockne Wüstenhitze für 73den Menschen weit leichter zu ertragen ist, als feuchte Wärme. Durch das beständige Verdunsten auf der Oberfläche der Haut, unterstützt durch Bewegung der Luft wird Kälte erzeugt, Schweissbildung findet nicht statt. In feuchter Luft findet keine Hautausdünstung statt, man schwitzt unerträglich und man glaubt fortwährend in einem Dampfbade zu sein.

Die Absonderung der Nieren ist bei einem Samum fast ganz aufgehoben, da eben die Thätigkeit der Haut diese gewissermaassen ersetzt. Zum Glück für uns befanden wir uns während dieses schrecklichen Gebli (Wüstenausdruck für Samum) in der Nähe der Wasserlöcher; aber einer der Neger war immer beschäftigt, mit den Händen den hineintreibenden Sand hinauszuwerfen, und Morgens waren die Löcher immer dem Erdboden gleich durch Sand zugetrieben. Die Dürre war am dritten Tage so gross, dass eine Menge Gegenstände von selbst barsten, ein Elfenbein-Doppelglas sprang auseinander, ein Spiegel durch das dahinter liegende Holz gezwungen, sprang entzwei, alle Uhren, sei es nun, dass Staub hineingedrungen war, oder dass die Räderchen sich lockerten, standen still. Die innersten Gemächer der Koffer waren von feinem Staube durchdrungen, und alle Essvorräthe wurden während dieser Zeit so mit Sand und Schmutz untermischt, als ob man sie absichtlich darin herumgezogen hätte.

74An Reinmachen, Waschen des Körpers oder an Kochen war natürlich während dieser Zeit nicht zu denken. Ich verzichtete ebenfalls darauf, mein Bett oder meine Decken ausstäuben zu lassen, denn kaum war dies geschehen, als unmittelbar nachher Sand und Staub von neuem eindrangen. Wir waren zu vollkommener Unthätigkeit verdammt.

Am 20. April sprang der Wind nach N.-W. um, wehte aber den ganzen Tag über mit gleicher orkanartiger Heftigkeit, erst am Abend sahen wir, nachdem wir drei volle Tage in einer Sandwolke gelebt hatten, den Himmel wieder.

Aber jetzt, wo wir wieder sehen konnten, wurden wir erst eines anderen Unfalls gewahr: mein Reitkameel war entlaufen. Wie es Sitte ist bei einem solchen Samum, hatten wir gleich beim Beginn des Sturmes die Kameele niederknieen gemacht und die Vorderfüsse, um das Aufstehen zu verhindern, durch Stricke zusammengeschnürt. Wahrscheinlich waren diese nicht mehr gut gewesen, das Kameel hatte sie zerrissen und natürlich das Weite gesucht.

Obgleich wenig Hoffnung vorhanden war, das Kameel wieder einzufangen, welches natürlich in der Richtung des Windes gegangen sein musste, so brach am anderen Tage der Führer auf, um in Djalo, Audjila und Leschkerreh Erkundigungen einzuziehen. Da hiermit mehrere Tage hingingen, so wurde Ali, einer der Neger, zurückgeschickt, 75um noch mehr Datteln und Mehl zu kaufen, und um einen anderen Führer zu miethen, da es sich immer mehr herausstellte, dass der in Bengasi engagirte nicht wegtüchtig sei. Wir hatten von hier an eine der wasserlosesten Wüstenstrecke zu durchziehen, welche wegen der Rhartdünen, wo der Wind den Bergen bald diese Form, bald jene giebt, der tüchtigste Führer nothwendig war. Nachdem ein solcher, der von den Schichs der Oase war empfohlen worden, gefunden, dann alle Haverien ausgebessert waren, traten wir am 25. April unsere Weiterreise an24.

Wir marschirten am selben Tage nur 3½ Stunde weit in 50° Richtung. Gerade während unseres Aufbruchs traf eine Karawane von der Ammons-Oase ein, welche den fürchterlichen Sturm am Tarfaya-Brunnen überstanden hatte, aber wenig glücklicher als wir, da dieser ein sehr bitteres Wasser hat. Wir lagerten Abends an einer niedrigen Hügelkette Gor Msúan genannt.

Der darauf folgende Tag zeichnete sich durch Nichts aus, die Richtung blieb dieselbe; aber ein vierstündiger Marsch brachte uns dann mittelst des Fum er Rhart in die eigentliche Dünen-Region. Dieses Sandmeer ist nach 76Süden zu vollkommen unbekannt, nach Norden erstreckt es sich circa einen Tagemarsch weit. Die Sandberge erreichen eine Höhe von 100–150' sind aber nicht ganz ohne alle Vegetation, so hat man namentlich viel Had und Mischab. Ueberall stösst man aber auch hier auf Gerippe von Menschen und Thieren, und namentlich zeigte uns unser neuer Führer, mit dem wir sehr gut zufrieden waren, einen Platz, auf dem 40 Menschengerippe, von vielen anderen Thierknochen untermischt, lagen; eine Karawane, die durch die Unkenntniss unseres eben entlassenen Dieners Hammed, während eines Samum verirrt und verschmachtet war. Er allein, Hammed, hatte die Kraft gehabt von hier Uadi zu erreichen. Auch am 27. April waren wir immer noch mit dem Durchwaten der Rhart-Dünen beschäftigt, die denselben Charakter behielten, manchmal aber eigenthümliche kraterartige Vertiefung zeigten25. Wir lagerten Abends in der Gerdobia und stiessen hier wieder auf eine von der 77Jupiter-Ammons-Oase kommenden Karawane. Diese gab uns nun zuerst die Nachricht, dass man dort von der Ankunft eines Christen unterrichtet sei, die ganze Oase sei in Aufregung gewesen, als von Kairo ein Bote mit einem viceköniglichen Briefe eingetroffen, woraus man ersehen, von Tripolis käme ein Christ, um der Oase einen Besuch abzustatten.

Die Gerdobia ist übrigens durch Nichts von den Rhartdünen unterschieden, nur verlässt man dieselben hier, da der Sand in gleicher Richtung von West nach Ost weiter streicht, wir aber in nordöstlicher Linie ziehend, hier das Ende des Sandmeeres erreicht hatten. So kamen wir denn auch am folgenden Tage nach einem zweistündigen Marsche mittelst des Fum er Rhart schirgi auf die Sserir Gerdoba. Von hier an hatten wir nun immer im Süden von uns den Nordrand der Sanddünen, im Norden aber, sehr weit entfernt von uns, den Südrand des sogenannten libyschen Wüstenplateaus. Die Gerdoba ist eine Tiefebene, die ebenfalls unter dem Spiegel des Meeres, und mit kleinen verwitterten, gebräunten Kalksteinchen überschüttet ist. Sie ist ohne alle Vegetation und hat zahlreiche Zeugen. Diese Ebene zeichnet sich übrigens gleichfalls, wie die eben passirten Rhart-Dünen durch Brunnenlosigkeit aus, und so wie die Sandgegend, ist dieser feste Boden mit Gebeinen von Todten übersäet. So passirten wir am 29. April, wo wir ebenfalls immer östliche Richtung hielten, das Grab der 787. Modjabra und etwas weiter eine Oertlichkeit, die einen Namen von 70 dort verschmachteten Sklaven hatte.

Nach einem sechstägigen Marsche erreichten wir denn endlich einen Brunnen bir Tarfaya. Aber welch ein Wasser! Der Geschmack desselben war ähnlich, als ob man Glaubersalz und Bittersalz darin aufgelöst hätte, und die Wirkung war eine nicht minder drastische. Aber was war zu thun, nach dem sechstägigen Marsche war unser Wasservorrath vom Uadi auf, und vor der Ammons-Oase war auf kein eigentliches Süsswasser zu rechnen. Wir schlugen also Lager und suchten es uns so bequem wie möglich zu machen. Die Gegend war aber äusserst trostlos, das Plateau zu fern, um irgendwie durch seine steilabfallenden Ufer etwas Abwechslung zu bieten, und selbst die nahen Sanddünen langweiliger anzusehen als sonst in ihrem ewigen Einerlei.

Mein guter Humor war aber bald wieder hergestellt, die Leute hatten noch einen Schlauch entdeckt mit Wasser vom Uadi, und da sie freiwillig auf dasselbe verzichteten, konnten wenigstens ich und mein deutscher Diener noch für einige Zeit schwelgen. Der alte Staui und die übrigen Diener fanden das Tarfaya-Wasser auch sehr wirksam, nahmen jedoch die Folgen davon mit so fröhlicher Geduld auf, dass sie lachend erklärten, es wäre jetzt viel bequemer für sie sans culottes zu gehen, da sie dann der Mühe überhoben seien, fortwährend ihre Inexpressibles auszuziehen. Fortwährend ohne Uhr, da 79sämmtliche Kinder Nürnbergs beim letzten Sandsturm unwohl geworden waren, konnte ich die genaue Zeit nur nach einer Sonnenuhr bemessen. Eine solche hatte ich aufgestellt und in meinem Zelte auf dem Feldbette liegend, rief ich Bernhard (dem baierischen Gefährten): „Seien Sie so gut und sehen Sie die Zeit ab.“—Er kam dann nach einer Weile mit der Uhr in der Hand: „Då schauns selber nåch, å Bieruhr kenn i schon, åber då kenn i mich nit aus.“ Er war dann ob meines Lachens zuerst so verdutzt, dass er gar nicht verstand, dass eine Sonnenuhr nur während des Sonnenscheines zeigt. So hatten wir auch trotz der vielen Mühen und Entbehrungen, welche die libysche Wüste mehr als jeder andere Theil der Sahara im Gefolge hatte, manche heitere Augenblicke. Eine grosse Annehmlichkeit war die Anwesenheit Bernhards, der, als ein gebildeter, bescheidener Mensch, rasch die Eigenthümlichkeiten und Sitten unserer halb rohen Diener erkannt hatte, und sich mit Leichtigkeit in alle Verhältnisse zu schicken wusste.

Mit dem Brunnen Tarfaya hat die eigentliche Sahara nach Osten und Norden ihr Ende, denn bis zum Orte Siuah, hat man von hier eine ununterbrochene Hattieh und das im Norden sich hinziehende Plateau bietet wenigstens zur Winterzeit guten Weideboden. Unmittelbar im Süden erstrecken sich die Sanddünen, welche nur Fortsetzung der Rhart-Dünen sind. Rechnet man nun den Brunnen Tarfaya als äusserste Grenze der ehemaligen 80Oase des Jupiter-Ammon, so heben sich damit auch alle Widersprüche über Entfernung vom alten Ammonium bis Audjila oder Fesan, und selbst die mancher neueren Reisenden, welche die Grenzen Siuahs auf diese Art unbestimmt gelassen haben. Von Tarfaya an stösst man aber auf menschliche Bauwerke, die sich meistens als Gräber in die steile Felswand des Plateaus hineingearbeitet, kennzeichnen. Es ist also wohl anzunehmen, dass im Alterthume auch diese Partie schon bewohnt war.

Um den Brunnen selbst findet sich nur die Alanda-Staude, die zwar von den Kameelen abgeweidet wird, aber deren sie doch bald überdrüssig werden, wie immer einer Pflanze, wenn sie nur einzeln vorhanden ist. Der Boden selbst ist gypsig und kalkig. Ganz in der Nähe befindet sich ein ausgedehntes Salzlager, Gart el milha genannt, wo ein Sebcha von einer Salzkruste bedeckt ist, welche manchmal 3–4" Dicke hat. Es ist wahrscheinlich von dieser Oertlichkeit, von wo im Alterthume das hochberühmte ammonische Salz gewonnen wurde, welches die Priester des Ammon-Tempels als besonders weiss und gut hochstehenden Persönlichkeiten zum Geschenke machten, und womit sie nebenbei Handel trieben.

Verfolgt man nun weiter die Oase nach Osten26, so 81kommt man unmittelbar darauf in reichere Vegetation: Domrahn, Had, Alanda und später einzelne Palmbüsche. Ebenso wird die Gegend reicher an Fossilien, Seesterne, Pectineen, Ostreen bedecken manchmal den Boden so dicht, als ob man sie absichtlich hergeschüttet hätte. Der Boden ist sehr abwechselnd, Sand, Sebcha, Kalk, Kies wechselt mit einander, aber überall ist Vegetation. Man erreicht dann die Oase Faradga, d.h. einen circa 4 Stunden langen, ½ Stunde breiten See, der südlich vom Plateau liegt. An und in diesem Plateau hat Sidi Snussi seine berühmte Sauya gegründet, die den Namen Sarabub erhalten hat. Heutzutage residirt als Chef dieser religiösen Brüderschaft sein ältester Sohn, Sidi el Mahdi in Sarabub. Ich habe früher an anderer Stelle Gelegenheit gehabt, über die Bedeutung dieses Ordens zu sprechen, und brannte natürlich vor Begier den Chef selbst und namentlich das Kloster, von dem wir, am Südende der Oase, an einer Oertlichkeit Namens Hoëssa lagernd, nur circa 2 Stunden entfernt waren, kennen zu lernen. Höchst wahrscheinlich hat Sidi Snussi zu seinem ersten Wohnsitze alte Katakomben gewählt, wo ihm die geheimen unterirdischen Gänge zu seinen Betrügereien gut zu Statten kamen. Wunder, wie man sie zur Zeit 82Jesu Christi erzählte, passiren hier denn auch noch alle Tage, und werden mit derselben Leichtgläubigkeit, und mit derselben Vergrösserung von den heutigen Bewohnern colportirt. So lassen Sidi el Mahdi und vordem sein Vater das Essen für die zahlreichen Verehrer und Pilger vom Himmel herabsteigen, und obschon sich in der Umgegend von Sarabub keine Aecker und Felder befinden, sind die Speicher und Vorrathskammern immerwährend gefüllt. So trinkt Sidi el Mahdi das schönste Süsswasser, obwohl der Faradga-See vor der Thür der Sauya gelegen, vollkommen untrinkbares Wasser hat. Blinde, Lahme werden täglich geheilt, ja nach den Aussagen der frommen Verehrer Snussis sollen auch zahlreiche ehemalige Christen, jetzt durchs allmächtige Gebet des Snussi zum Islam bekehrt, sich in der Sauya aufhalten.

Ich war höchst traurig, dass mein Führer, der selbst zum Orden der Snussi gehörte, sich weigerte mich zu begleiten, und allein, ich gestehe es offen, wagte ich in dies Wespennest von semitischer Unduldsamkeit nicht einzudringen. So lagerten wir traurig beim Sebcha Hoëssa, freilich im Schatten von hohen Palmbüschen, aber die Wasserlöcher, die wir gruben, gaben zwar bei 1½' ein reichliches klares Wasser, aber so bitter, dass wir es kaum zum Kochen unseres Abendessens benutzen konnten. Wie anders, dachte ich dann, unter den Palmen liegend, war es einst hier, wo die Gesittung der Aegypter, 83der Griechen und Römer herrschte. Wo man Religionskriege nicht kannte, und anders Denkende höchstens mit dem Namen „Barbaren“ belegte. Zu meiner Beschämung musste ich dann aber gestehen, dass von den drei semitischen Religionen, die durch ihre Unduldsamkeit, durch ihren Glaubenseifer soviel Unheil und soviel Blutvergiessen über die Menschheit gebracht haben, ich meine das Judenthum, Christenthum und der Mohamedanismus, gerade das Christenthum sich am meisten durch Fanatismus und Hass gegen anders Denkende ausgezeichnet hat. Wer vermöchte alle die Opfer zu zählen, welche die christliche Liebe zur Ehre Gottes bei Katholiken und Protestanten schon gefordert hat, und wenn heutzutage auch nicht mehr gefoltert, verbrannt und gesiedet wird, wer zählt die moralischen Opfer, welche unsere Religion der Liebe und Duldsamkeit noch täglich fordert.

Ich stand also ab nach Sarabub zu pilgern, aber wie leid that es mir, als ich später von den Freunden Sidi el Mahdi's in Siuah erfuhr, er würde es hoch aufgenommen haben, falls ich zu ihm gekommen wäre, auf alle Fälle würde ich nichts zu fürchten gehabt haben. Es scheint also fast, dass der Fanatismus der Snussi abgenommen hat, wie denn auch die Chuan Snussis in der Ammons-Oase mich recht freundlich aufnahmen.

Man hat nun weiterreisend27, eine Reihe von Seen 84zur Seite, die sich alle durch ihr tiefblaues Wasser, welches äusserst salzig ist, auszeichnen. Der bedeutendste davon ist der el Araschieh mit einer Insel in der Mitte. Da nirgends Boote vorhanden sind, überdies der den See umgebende Boden Sebchabildung hat, so hat Niemand bis jetzt diese kleine Felsinsel erreichen können. Dafür ist sie natürlich für die Bewohner Siuahs der Aufenthaltsort von Djenun (Geistern), die hier eins der Schwerter Mohammeds bewachen. Bei Gaigab stösst man auf die ersten Palmenwälder, deren Früchte von den Bewohnern Siuahs geerntet werden. Die Gegend wird nun immer reicher und die überall in den Felswänden sich befindenden Gräber zeugen von der ehemaligen starken Bevölkerung.

Von Gaigab geht der Weg nun ganz nach Süd-Süd-Ost um, man passirt zahlreiche Engpässe und erreicht dann den Schiata-See. Alle diese Seen sind ohne Fische, weil das Wasser zu salzig ist, aber entbehren doch nicht jeden Lebens. Eigenthümlich ist, dass die oft ins Wasser langenden hohen Sanddünen nicht vermocht haben, sie mit Sand zu überschütten, und gewiss ein guter Beweis, dass der Canal von Suez nichts von Versandung zu fürchten hat, denn wie gering ist die Sandanhäufung längs des Canals im Vergleich zu den hohen Dünen der libyschen Wüste. In dem Tamariskengebüsch, im Schilfe des Sees waren zahlreiche fast 85zahme Vögelchen, auch sahen wir hier die ersten Schwalben.

Die Gegend behielt denselben Charakter bis Maragi, wo wir auf die ersten menschlichen Wohnungen und Gärten stiessen. Beim Maragi-See ist auch eine Filiale der Snussi und eine sehr gute Süsswasserquelle, von der wir aber als anders Gläubige am Abend, wo wir dort campirten, nicht profitiren durften.

Am 6. Mai, dem letzten Tage unserer Reise zur Oase des Jupiter-Ammon, brachen wir früh um 6 Uhr auf, wir hatten im Ganzen nur noch 6 Stunden. Zahlreiche Leute, beladene Esel kamen uns entgegen, und als wir von weitem den grünen Palmwald erblickten, wurde Halt gemacht.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Tripolis nach Alexandrien - 2. Band