Durchs Ostthor zogen wir in die Stadt ein, verfolgten die Battus-Strasse bis an den Punkt, wo sich die Aussicht aufs Meer öffnet, ...

Durchs Ostthor zogen wir in die Stadt ein, verfolgten die Battus-Strasse bis an den Punkt, wo sich die Aussicht aufs Meer öffnet, und nahmen dann unser Quartier in einer der Kammern, welche im Felsen ausgearbeitet sind, und auch früher wohl als Wohnungen dienten. Die Apolloquelle war auch in unserer Nähe, und diese ist es, welche heute der ganzen Oertlichkeit den Namen giebt; die Araber nennen sie ain Schehad. Keineswegs ist damit gesagt, dass die heutigen Bewohner und die der Umgegend gänzlich den Namen „Cyrene“ verloren hätten, derselbe findet sich wieder in der Quelle im uadi bel Ghadir, welche viele Aehnlichkeit mit der Apolloquelle hat, und fast ebenso mächtig ist; dieselbe heisst ain Krennah.

Cyrene wurde sowohl unter den Ptolemäern als die Hauptstadt der fünf Städte: Cyrene, Barca, Teucheira, Hesperis und Apollonia angesehen, als auch unter den Römern, welche das ganze Land unter dem Namen Cyrenaica zusammenfassten.


Von dorischen Colonisten von der Insel Thera unter Battus im Jahre 63121 v. Chr. gegründet, wuchs Cyrene bald zur wichtigsten Colonie der Griechen an der Nordküste von Afrika heran. Battus führte auf Befehl des delphischen Orakels zuerst seine Laudsleute nach Plataea (dem heutigen Bomba); musste aber aus Mangel an Nahrungsmitteln diese Insel nach zwei Jahren, und nachdem ein anderes Mal das Orakel war consultirt worden, verlassen, und siedelte nun nach dem festen Lande Libyens, nach dem wohlbewaldeten Asiris über. Aber auch hier blieben sie nur sechs Jahre, da nach Ablauf dieser Zeit, eingeborne Libyer sie nach dem Orte der Apolloquelle führten, wo dann bestimmt die Stadt gegründet wurde.

Es scheint, dass die neuen Ankömmlinge sich im Anfange mit den Libyern, und hier waren es vorzugsweise die Asbysten, gut vertrugen; sogar Heirathen mit Libyschen Frauen wurden eingegangen; eingeborne Libyer jedoch waren von den öffentlichen Aemtern ausgeschlossen. Mit Battus I. bekam Cyrene den ersten König, und blieb unter dieser Regierungsform circa 200 Jahre, in welcher Zeit acht Könige regierten. Besonders zeichnete sich aus nach dem ersten, welcher später als Heros verehrt wurde, der dritte König, Battus II. Unter ihm kamen zahlreiche Zuzüge aus Griechenland: hiedurch wurden jedoch die Libyer beeinträchtigt, und ihr König Adikran rief den ägyptischen König Apries zu Hülfe. Bei Thestis in der Gegend von Irasa kann es 570 zur Schlacht, und die Aegypter und Libyer wurden vollkommen besiegt. Sein Nachfolger Arkesilaos II., mit dem Beinamen der Böse, hatte nur Unglück. Mit seinen Brüdern in Streit, gingen diese Barca gründen, und verbanden sich mit dem libyschen Könige gegen Arkesilaos II. Dieser schlug anfangs die Libyer bei Leucon oder Leucoë in Marmarica; wurde dann aber in einen Hinterhalt gelockt und verlor 7000 seiner Leute. Sein Bruder Learchos tödtete ihn dann, wurde aber selbst wieder von Eryxo, der Wittwe des Arkesilaos, umgebracht. Unter seinem Sohne, der als Battus III. folgte, schickten die Cyrener nach Delphi und baten um neue Gesetze. Demonan, der Mantineer, kam zu ihnen, und beschränkte besonders die königliche Gewalt. Dessen Sohn Arkesilaos III. wollte jedoch die königliche Gewalt zurück haben, und wurde darin von seiner Mutter Pheretime unterstützt; geschlagen, floh er nach Samos, und kam dann mit einem bedeutenden Heere nach Cyrene zurück. Wieder geschlagen, floh er nach Barca, und wurde von den Bewohnern dieser Stadt getödtet. Seine Mutter floh zum persischen Statthalter Argandes in Aegypten, welcher ihr zu Hülfe kam, und nach neunmonatlicher Belagerung Barca einnahm. Der Sohn von Pheretime, Battus IV., der Schöne genannt, folgte, und nach ihm kam der letzte König Arkesilaos IV., dessen Siege in den pythischen Spielen Pindar besingt, auf den Thron. Höchst wahrscheinlich wurde unter ihm Hesperis gegründet. Da er zu despotisch regierte, so wurde er etwa um 440 gestürzt, und der königlichen Herrschaft damit ein Ende gemacht. Sein Sohn Battus, der nach Hesperis floh, wurde dort ermordet, und sein Kopf ins Meer geworfen.

Unter der republikanischen Regierungsform erlebte Cyrene die höchste Blüthe und den grössten Wohlstand, obwohl es an inneren Zerwürfnissen nicht fehlte. So treten verschiedene Tyrannen auf, unter anderen Ariston und Nikokrates, um sich der höchsten Gewalt zu bemächtigen. Um alle inneren Streitigkeiten durch eine gute Gesetzgebung zu ebenen, wandten sich die Bewohner Cyrenes an Plato, und baten um Gesetze. Plato lehnte jedoch ab, ihr Gesetzgeber zu werden, weil es ihnen zu gut gehe: „Kein Mensch sei schwieriger zu beherrschen, als der, welcher sich einbilde, es ginge ihm gut, und Niemand sei leichter geneigt sich leiten zu lassen, als der vom Schicksal gebeugte.“ Alexander dem Grossen, als er Zeus Ammon besuchte, unterwarfen sie sich freiwillig und schickten ihm kostbare Geschenke. Nach seinem Tode, durch neue innere Streitigkeiten entzweit, wurden sie durch Ptolemaeus, dem Sohne des Lagos, Aegypten unterworfen, im Jahre 321 v. Chr., und das Land wurde nun nach den fünf Hauptstädten Pentapolitanien genannt. Apion, Sohn von Ptolemaeus Physon, überliess dann mittelst Testament das Land an die Römer im Jahre 96, und im Jahre 67 wurde es mit Kreta zusammen zu einer Provinz formirt. Unter Constantin wurden sie getrennt, und Cyrenaica als eigne Provinz unter dem Namen Libya superior eingerichtet.

Als unter Trajans Regierung die Juden den grossen Aufstand machten, und 200,000 Römer und Cyrenaeer ermordeten, fing der Verfall Cyrenes an. Das römische Reich vermochte den wiederholten Einfällen der Barbaren keinen Widerstand entgegenzusetzen; dazu kamen Heuschrecken, Pest und Erdbeben, welche Leiden im fünften Jahrhundert von Bischof Sinesius beklagt wurden. 616 vernichtete dann der Perser Chosroes die schwache griechische Colonie der Art, dass die Araber, als sie 647 in Cyrenaica einfielen, kaum noch Widerstand fanden. Wie alle Länder, welche unter die Herrschaft des Islam kamen, fiel auch Cyrenaica unter den Arabern in einen vollkommenen Barbarismus zurück, und das Land wurde, vollkommen vernachlässigt, bald zu einer Wildniss. Seine neuere Geschichte ist denn eng mit der von Tripolis verknüpft, und als dies 1835 ein türkisches Paschalik wurde, fiel auch Cyrenaica unter die Herrschaft der Pforte, und wird jetzt als Kaimmakamlik unter dem Namen Barca zu Tripolitanien gerechnet.

Wie hoch einst Wissenschaft und Kunst in Cyrene blühten, geht aus der Zahl bedeutender Männer, welche diese Stadt hervorbrachte, hervor: wir nennen nur Aristippus, den Gründer einer eigenen philosophischen Schule, sowie Cameades, ebenfalls Weltweiser, dann den Astronomen Eratosthenes, der sich besonders durch geographische Werke auszeichnete, und als Director der Bibliothek von Alexandrien starb. Endlich der Dichter Kallimachos, welcher von den Battiaden abstammte, und dann der berühmte Bischof von Ptolemais, der Redner und Schriftsteller Synesius.

Vor allem war uns jetzt daran gelegen, die Stadt selbst und die Necropolis kennen zu lernen, und die Hauptpunkte und Denkmäler zu fixiren für die Photographien.

Auf zwei Bergen gelegen, die nach Nordwesten hin abfallen, wird Cyrene mittelst eines Radius, welcher den Namen der Battus-Strasse hat, in zwei Theile getheilt. Nach allen Seiten hin von grossen Gräberstädten umgeben, ist zum Theil die Mauer, welche die eigentliche Stadt umgab, noch gut erhalten, und namentlich an der ganzen Südseite und im Osten bei einer durchschnittlichen Höhe von 4–5' und Breite von 6' ganz deutlich zu verfolgen. Betritt man von Osten die Stadt mittelst der Hauptstrasse, welche von Barca herführt, so hat man gleich rechts vom Thore die unordentlich durcheinandergeschmissenen Steinhaufen einer Kirche, dass es eine solche war, geht aus der Anordnung der noch vorhandenen Grundmauern hervor, obschon merkwürdigerweise der Altar nach Westen gestanden zu haben scheint, oder aber zwei Hauptaltäre, einer im Osten und einer im Westen, vorhanden gewesen sein müssen. Verschiedene Spitzbögen, welche noch stehen, lassen erkennen, wie hoch der Schutt hier liegen muss, da eben nur die obersten Spitzen der Bogen herausgucken.

Wenden wir uns dann rechts zur östlichen Hälfte der Stadt, so stossen wir zuerst aufs Hippodrom, welches, die Rundung nach Süden habend, in gerader nördlicher Richtung erbaut ist. Die Sitze sind noch sehr gut erhalten, aber alles ist überwachsen, und in der Rennbahn selbst ist die Spina kaum zu erkennen, da der ganze innere Raum als Acker benutzt wird. Die Länge des Hippodroms beträgt heute circa 300 Schritte, die Breite circa 60 Schritte. Gleich westlich vom Hippodrom finden wir auf dem höchsten Punkte dieses Stadttheiles die Ruinen eines Tempels, der offenbar der ältesten Zeit angehört. Aus colossalen Steinen erbaut, haben die jetzigen Reste eine Länge von fast 90 Schritt auf 30 Schritt Breite. Von Westen nach Osten gelegen, hat der Tempel, wie durch die Nachgrabungen von Porcher und Smith jetzt zu Tage liegt, 17 Säulen auf der Längsseite und 8 Säulen auf der Breitseite, so dass 36 Säulen den Peristyl bilden. Durch zwei Säulen und zwei Mauervorsprünge kommt man von Osten in den Pronaos, der von der Cella durch zwei Mauervorsprünge, welche die Thür bilden, geschieden wird. An den Längsseiten in der Cella findet man je zehn Piedestale, welche korinthische Säulen tragen, ganz östlich im Hintergrunde ist ein grosser cubischer Marmorblock, der wahrscheinlich die Bildsäule trug. Der Agisthodom ist von der Cella vollkommen durch eine Mauer geschieden, und ist nach Osten durch keine Mauervorsprünge, aber durch drei Säulen begrenzt. Die Säulen des Säulenganges haben wenigstens 6' Durchmesser gehabt, sind aber stark verwittert. Die Quadern des eigentlichen Tempelbaues sind colossal; es giebt Steine von 20 Schritt Länge und 8 Schritt Breite. Smith und Porcher, die hier die sorgfältigsten Ausgrabungen machten, fanden nichts, woraus man auf den Eigenthümer des Tempels hätte schliessen können. Der Eingang befindet sich, wie in allen Tempeln in Cyrene, auf der östlichen Hälfte. Wenn Barth hier auf der östlichen Hälfte Cyrenes die Acropolis vermuthete, so schloss er dies wohl nur aus den colossalen Quadern; wie wir aber später sehen werden, befand sich diese auf der westlichen Stadthälfte.

Ungefähr 300 Schritte nördlich von diesem Tempel finden wir die Ruinen eines anderen, etwas kleineren Tempels, welcher auf der höchsten Spitze dieses Stadttheiles erbaut war. Auch von Osten nach Westen erbaut und aus Pronaes und Cella bestehend, ist derselbe so vernichtet und zerstört, dass eine genauere Beschreibung unmöglich ist. Dieser Tempel hatte auch einen Peristyl, die Zahl der Säulen aber anzugeben, war mir nicht möglich; die Säulen, von denen Bruchstücke überall umher lagen, waren dorischer Ordnung, sind aber so verwittert, dass man den Durchmesser nur muthmaassen kann.

Wenn wir die Battus-Strasse als die scheidende Linie für die zwei Stadthälften annehmen, so haben wir damit alles, was auf der östlichen Hälfte bemerkenswerthes zu Tage liegt, gesehen, und wenden uns nun zum westlichen Stadttheile, der ungleich reicher mit öffentlichen Gebäuden geziert war, überhaupt der Mittelpunkt des öffentlichen Lebens gewesen ist, weil er die Apolloquellen, diesen ersten Besiedelungspunkt der alten Griechen, enthält.

Wenn wir wieder vom Ostthore der Stadt ausgehen und uns links wenden, sobald wir die von Norden nach Süden ziehende Strasse passirt, so kommen wir zuerst an zwei Ruinenhaufen, die, was die ursprüngliche Anlage anbetrifft, sehr wenig mehr zu erkennen übrig lassen; aber von den dort aufgefundenen Statuen, Bacchus und Venus, können wir schliessen, dass der östliche der Venus und der westliche dem Bacchus gewidmet waren. Diese und andere Statuen sind alle ins British-Museum gekommen. Wie denn überhaupt, seit Bourville, Smith, Porcher und Denys hier gegraben haben, ohne neue ausserordentliche Nachgrabungen nichts mehr zu finden ist, und die meisten Ruinen, die schon so sehr durch die Barbaren gelitten hatten, nun vollends dem Untergange geweiht sind. Gleich westlich vom Orte, wo Bacchus gefunden wurde, ist ein Theater mit unverhältnissmässig breiten Sitzreihen und kleiner Cavea. Barth, der die Orchestra gemessen, giebt die Breite derselben auf 60' und die Tiefe auf 76' an, und meint, dass dies Theater nicht zu scenischen Darstellungen, sondern zu musikalischen Aufführungen gedient habe. Dicht an der Strasse gelegen, noch mehr nach Westen, stossen wir auf ein zweites grösseres Theater, mit doppelt so grosser Cavea, wie das eben beschriebene. Viele Säulen korinthischer Ordnung, die umherliegen, deuten darauf hin, dass die Sitzreihen mit einer Colonnade dieser Säulen umschlossen gewesen sind.

Südwestlich vom Bacchus-Tempel ist ein anderer grosser Ruinenhaufen, wo vor mehr als 50 Jahren Beechey den Torso eines römischen Kaisers vermuthete. Nachgrabungen, welche mehrere grosse Bäume blosslegten, liessen Porcher und Smith vermuthen, hier habe der Palast des römischen Gouverneurs gestanden. della Cella erwähnt hier einer Inschrift „Porticus cesarei“ und hält das Gebäude für ein Caesareum; Barth meint, dass hier in der römischen Zeit, vielleicht auch schon in der ptolemaeischen, ein Marktplatz gewesen sei. Porcher und Smith fanden hier, ausser einer weiblichen Statue, diejenige von Antoninus Pius und anderen römischen Kaisern.

Circa 250 Schritt von der Battus-Strasse südlich, wenn man das grössere Theater hat liegen lassen, ist noch ein grosser Bau mit einer grossen Säulenhalle nach Nord gegen Ost, welches die Front gewesen ist. Die Säulenhalle, welche doppelt ist, lässt noch jetzt in der Reihe dreissig Säulenplätze erkennen. Das massive Gebäude dahinter zeigt eine Menge kleiner Zimmer von 6' Tiefe auf 4' Breite, und es ist wohl nicht unwahrscheinlich, dass hier die Verkaufshalle war.

Weiter nach Westen zugehend, finden wir uns auf circa 100 Schritt Entfernung von diesen Ruinen durch eine von Thürmen flankirte, von Norden nach Süden streichende Mauer aufgehalten. Beim uadi Bel Rhadir, welches südlich die ganze Westseite der Stadt begrenzt, mit einem starken Thurme anfangend, ist diese innere Mauer jedenfalls ein Theil der Acropolis, welche auf dem westlichen Hügel, als dem höchsten und wichtigsten, gelegen haben muss. Die Mauer hat eine durchschnittliche Dicke von 12' und ist an einigen Stellen über 20' hoch; Beecheys Ansicht, dass sie eine Wasserleitung gewesen sei, ist unhaltbar, da nirgends andere Baulichkeiten vorhanden sind, die das Wasser hätten herführen können. Auf der Spitze des westlichen Berges sind ausser einer grossen Masse von bequemen Steinen, welche bezeugen, dass auch hier alles bebaut war, keine weiteren hervorragenden Ruinen zu finden, und selbst von Ringmauern ist nach Westen und Süden, wo dieselben auch kaum nothwendig waren, nichts zu erkennen; nach Norden zu, obschon auch da der Berg fast steil abfällt, scheint die Acropolis aber auch noch durch eine Mauer geschützt worden zu sein, wenigstens finden sich Spuren darin vor.

Wenn wir vom höchsten Punkte des westlichen Stadttheiles nach Nordwest gehen, so führt uns die Neigung von selbst auf das grosse Stadttheater, welches am Abhange des Berges selbst gebaut ist. Obgleich stark durchwachsen, sind nur wenige Sitzreihen ausser der Loge, überhaupt scheinen die meisten Theater wohl mehr durch die Natur, als durch Menschenhand zerstört zu sein. Hier hat nun wohl ein allgemeiner Rutsch stattgefunden, da Proscenium und Orchester, welche künstlich an dem unten steilen Berg hinaufgebaut waren, weggesunken sind. Aus dorischen Säulenüberresten ersieht man, dass diese nach aussen zu durch Säulen geschmückt gewesen sind. Das Koilon ist ungleichmässig durch ein Diagon geschieden, da der unteren Sitzreihen heute noch 30 (und früher wohl noch mehrere waren, weil in der ganzen Arena alles mit Schutt und Steinen angefüllt ist), während die obere Hälfte nur acht aufweist. 6 Treppen durchschneiden die zwei ein halb Fuss breiten Sitzreihen in gerader Linie von oben bis unten. Wenn auf diese Art die Zuschauer hauptsächlich von oben ins Theater gelangten, so scheint doch auch noch ein anderer Zugang zwischen Proscenium und Koilon von Osten her existirt zu haben; vielleicht war gar ein von Osten kommender Durchgang, der jetzt verschüttet ist, vorhanden. Von den Sitzreihen des Theaters hat man die umfassendste Aussicht über die vorliegenden Plateaus hinweg bis zur See. Wie über eine Landkarte schweift der Blick über das Land bis nach Apollonia hin, und von hier sahen, wie Barth so schön sagt, die alten Cyrenen ihre Handelsschiffe heranschwimmen, und erfreuten sich des wunderbar gestalteten Terrassenlandes. Beechey, welcher dies Theater für ein Amphitheater hielten, weil allerdings das Koilon unverhältnissmässig gross und umfassend zum Proscenium ist, ist aber jedenfalls im Unrecht; denn war es schon eine Riesenarbeit, Proscenium und Scena künstlich zu erbauen an dem steilen Bergabhang, so wäre es selbst heute fast unmöglich, die andere Seite des Amphitheaters hier künstlich aufzubauen.

Vom Theater nach Osten schreitend, übergeht man eine Terrasse, und kommt an drei Bogengänge, die jetzt vermauert, ursprünglich offen gewesen sein mögen, oder nach Norden zu einen freien Umgang gehabt haben, der jetzt weggestürzt ist. Immer breiter werdend, dehnt sich die Terrasse da, wo sie an die nach Nordwesten laufende Battus-Strasse stösst, welche hier auch der natürlichen Spalte zwischen dem Ost- und West-Hügel der Stadt folgt, zu einer Plattform aus, welche den Apollo-Tempel trug. Durch die Ausgrabungen von Porcher und Smith ist unwiderruflich festgestellt, dass der Tempel, welcher sich vis-à-vis der Quelle des Apollo befand, diesem Gotte selbst gewidmet war. Beechey hielt denselben, weil er eine, wie er glaubte, auf Diana bezügliche Inschrift22 fand, und ausserdem eine weibliche Statue in sitzender Stellung, für der Diana geweiht. Aber schon die Lage bringt es mit sich, dass dieser Tempel dem Apollo gewidmet war, und zwei Inschriften, welche Porcher und Smith hier fanden, endlich die ausgezeichnet erhaltene Marmorstatue von Apollo cytharoedes23, welche sie ausgruben, und die gleichfalls in das British-Museum gekommen ist. Obgleich einige Piedestale der Säulen noch am Platze sind, so lässt sich doch trotz der Ausgrabungen nichts Bestimmtes über den Bau des Apollo-Tempels sagen. Wahrscheinlich war er in dorischer Ordnung errichtet, und hatte seine Richtung fast von West nach Ost. Er hatte nur Pronaes und Cella, und ein grosses Piedestal in dem westlichen Theile der Cella lässt erkennen, dass der Eingang, wie übrigens in fast allen Tempeln in Cyrene, von Osten war.

Gegenüber dem Tempel nun haben wir gleich den berühmten Apolloquell, heute ain Schehed genannt, welcher einst die Veranlassung zur Gründung der Stadt Cyrene und der später so blühenden Colonie war. Aus einem senkrechten Fels hervorsprudelnd, bemerkt man oberhalb der Front einen Giebeleinschnitt, Beweis, dass hier einst der Quell mit einer Tempelfaçade geschmückt gewesen ist; und rechts an einem Felsvorsprung liest man die bekannte auf eine Renovirung der Quelle bezügliche Inschrift:

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Von einem Bassin ausserhalb der Felswand kommt man in eine ziemlich geräumige Grotte, welche rechts eine geräumigere künstliche, und in zwei Abtheilungen getheilte Höhle hat. Ursprünglich waren dies wohl Zimmer für die Priester, jetzt sind sie verschlammt und zum Theil unter Wasser. Beechey fand darin die Bruchstücke von Altartischen mit Figuren. Von der Grotte aus kann man nach Süden zu die Quelle fast 700 Schritt weit verfolgen durch einen künstlich angelegten Gang, fast überall 5' hoch und 4' breit. Stellenweise findet man die Wände mit Namensinschriften bedeckt. Zuletzt wird der Gang so niedrig, dass man gehend nicht weiterkommen kann, es ist auch wohl kaum anzunehmen, dass die Quelle noch bedeutend weiter nach Süden zu entspringt, da sie jedenfalls unter dem Höhenpunkt des westlichen Berges von Cyrene ihren Ursprung nimmt. Das Wasser der Quelle fanden wir zu 13°C. Dass aber die alten Einwohner nicht allein ihren Wasserbedarf, so reichlich und zulänglich auch die Apolloquelle ist, von hier hatten, geht aus der ungeheuren Cysterne hervor, welche man am südwestlichen Ende der Stadt antrifft. Aus drei nebeneinander gebauten Reservoirs bestehend, haben dieselben eine Länge von 260 Schritt auf eine Breite von c. 175 Schritten. Das eine Reservoir ist überwölbt mit Quadersteinen, welche fast alle mit Buchstaben und Zeichen bezeichnet sind, wahrscheinlich im Voraus, um sie später leichter zu vermauern. Zwei der Reservoirs scheinen keine Gewölbe gehabt zu haben, da die Trümmer oder Steine fehlen, womit sie gewölbt gewesen wären, und dies lehrt uns wohl, dass diese Cysternen erst in späterer Zeit angelegt, aber nicht vollendet worden sind. Auch einer anderen Quelle, welche gewiss in früherer Zeit von grosser Bedeutung war, müssen wir noch erwähnen, welche im uadi Bel Rhadir entspringt. Heute noch von den Einwohnern ain Krenah genannt, würde uns dies fast auf die Vermuthung führen, dass dies die Quelle Kyre gewesen sei, wo zuerst die alten Griechen ihre Ansiedelungen gemacht haben, wenn nicht der Apolloquell bedeutend stärker an Wasser und so recht im Mittelpunkt der Stadt und der hauptsächlichen öffentlichen Gebäude gelegen wäre. Ain Krenah, welches offenbar von Cyre, Cyrene, hergeleitet ist, entspringt auch aus einer Grotte, hat künstliche Reservoirs und alte steinerne Wassercanäle, um das Wasser zu vertheilen. Ebenfalls aus einem steil abfallenden Felsen des uadi Bel Rhadir, welches sich am Südende der Stadt hinzieht, entspringend, ist dies der lieblichste und anmuthigste Punkt der Gegend. Vor der Quelle befindet sich eine geräumige Plattform, welche nach dem Abgrunde zu, den hier die malerische Schlucht bildet, von einer colossalen Quadermauer gestützt ist. Das ganze Thal hat die üppigste Vegetation und die Quelle selbst ist von Myrthen und Oleanderbäumen dicht beschattet.

Von ganz besonderem Interesse für den Forscher ist die unendliche Todtenstadt, welche nach allen Seiten hin die Stadt umgiebt. Die Zahl der freien Gräber und Sarkophage, die Zahl der Höhlen, welche Todtenkammern enthalten, ist so bedeutend, dass man glauben sollte, die Stadt sei nur von Todten bewohnt gewesen. Freilich ist nichts mehr unentweiht; kein Grab, keine Kammer, die nicht erbrochen wäre, und das, was die Hand der Barbaren unberührt gelassen hatte, als Inschriften und Malereien, ist von den letzten Reisenden fortgenommen und nach Paris und London gewandert. Und im Ganzen können wir auch nur zufrieden damit sein, denn wenn Pacho, della Cella noch hie und da schöne Wandgemälde vorfanden, wer hätte für ihre Erhaltung garantirt!

Die vollendetsten Todtengewölbe und Grabkammern findet man am Nordabhange der Berge von Cyrene, auf dem Wege nach Apollonia und im uadi Bel Rhadir. Offenbar gaben ursprünglich bestehende Höhlen Veranlassung zu dieser Art Beerdigung. Wir finden hier die einfachsten Gräber, ohne jeglichen Schmuck, und die vollendetsten mit Tempelfaçaden, Vorkammern, Hauptgängen und Seitenkammern. Besonders grossartig, wenn auch nicht schön, sind die Katakomben am Nordabhange, von den Eingebornen Knissieh genannt. In dieser Räumlichkeit, wo wir später des Photographirens halber unsere Wohnung aufschlugen, ist sicher Platz für einige 1000 Leichen. Mehrere 100 Schritt weit ziehen sich die Grabkammern in das Innere des Felsens, und oft sind die Gräber so, dass man von einem aus in eine untere oder obere Etage kommt, und nun wieder eine ganze Gräberreihe vor sich hat. Aber auch hier ist alles durchwühlt, und kein Grab unbeschädigt; oft watet man Fusstief in Todtenstaub und zwischen Gerippen.

Die vollendetsten Gräber sind in Bel Rhadir; hier finden wir die meisten Façaden mit Säulen oder Halbsäulen geschmückt. Ein Grabmal auch in den lebendigen Fels getrieben, und zwischen dem Apolloquell und dem grossen Theater gelegen, dürfte vielleicht das Grab des Battus gewesen sein; ein Marokkaner, welcher darin seine Wohnung genommen hatte, erlaubte uns leider den Zutritt nicht. Ganz recht hat Barth, wenn er sagt, es giebt auch auf Speculation gebaute Grabkammern, die vielleicht noch gar nicht benutzt wurden. In der That findet man an der Nordseite der Berge ganze Reihen solcher uniformen Gräber, inwendig vollkommen leer, ohne Deckel und meist Raum für je 6 Gräber habend, zwei hintereinander und drei übereinander. Die Form der Sarkophage ist eben so wechselvoll; vom einfachsten, wie man sie zu Tausenden an jedem zur Stadt führenden Wege findet, bis zum kunstvollsten, oft tempelartig ausgearbeiteten. Die Sitte des Verbrennens scheint nie in Cyrene geherrscht zu haben; wenigstens bemerkten wir nirgends Nischen zum Aufbewahren von Urnen; ebenso scheinen Särge aus Thon nicht benutzt worden zu sein; auch Grabaltäre hat man in Cyrene nicht gefunden, mit Ausnahme in der Knissieh, wo auch noch zwei hübsch verzierte Statuen liegen.

Während der ganzen Zeit unseres Aufenthaltes waren die Eingebornen recht freundlich gegen uns; sie brachten uns Ziegen, Honig, Milch und Butter zum Verkauf, und obgleich auch hier der photographische Apparat mit sehr misstrauischen Augen betrachtet wurde, störten sie uns doch nie bei unseren Arbeiten. Selbst Sidi Mustafa der Eukadem der Sauya der Snussi, welche ihre Gebäude seitwärts, dicht bei der Apolloquelle, erbaut haben, bot uns seine Dienste an; sich uns selbst zu zeigen, hielt er sich aber zu heilig, und wir hatten auch keine Veranlassung, seine Nähe zu suchen. Das Wetter aber war während der ganzen Zeit unseres Aufenthaltes in der Stadt und Necropolis entsetzlich: kein Tag ohne Regen und Sturm, und des Morgens vor Sonnenaufgang so kalt, dass der Thermometer meist unter Null war. So mussten wir denn die Augenblicke zum Photographiren förmlich abstehlen, und oft wenn wir durch bodenlose Wege und über glatte Abhänge ans Ziel gekommen waren, nöthigte uns das Wetter zur schleunigsten Heimkehr ins Grab, wo ein loderndes Feuer unsere kalten Gliedmassen erwärmte. Trotzdem konnten wir von dieser berühmten Stadt über zwanzig Ansichten ermöglichen, welche dem, welcher mit den Schwierigkeiten, im Freien zu photographiren, und als Dunkelkammer nur ein wackliches Zelt zur Disposition zu haben, vertraut ist, gewiss genügend sein werden (24). Leider gingen einige Glasplatten verloren.

Unsere Absicht von hier aus Apollonia zu besuchen, konnten wir des entsetzlichen Wetters wegen nicht ausführen, obgleich jener Ort nur circa 4 Stunden von Cyrene entfernt ist. Die steilen Bergabhänge waren aber durch den anhaltenden Winterregen für Kameele ganz unzugänglich geworden. Aus gleichem Grunde mussten wir auch verzichten, nach dem etwas entfernteren Derna zu gehen; unser einziger offner Weg war aber der auf der Hochebene, rückwärts nach Bengasi. Ehe wir jedoch diese Reise antreten, werfen wir einen Gesammtüberblick über Cyrenaica.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Tripolis nach Alexandrien - 1. Band