Der derzeitige Gouverneur von Tripolitanien Ali Riza Pascha ein Algeriner, ist im Ganzen ein Mann von Bildung, aber obschon er ...

Der derzeitige Gouverneur von Tripolitanien Ali Riza Pascha ein Algeriner, ist im Ganzen ein Mann von Bildung, aber obschon er recht gut französisch spricht, und alles im Schloss bei ihm à la franca ist, so hat er doch lange nicht das Humane, und ein so gutes Administrationstalent wie sein Vorgänger Mahmud Pascha; dieser war nach seiner Abberufung von Tripolis Kaputan Pascha oder Marineminister geworden, welchen Platz er auch noch heute im türkischen Reiche ausfüllt. Ali Riza Pascha war in Frankreich erzogen worden, nachdem sein Vater früher Algier aus Franzosenhass verlassen hatte, und nach Constantinopel übergesiedelt war. Später als er einsah, dass er nicht gegen den Strom schwimmen konnte, schickte er durch Vermittlung der französischen Botschaft in Constantinopel seinen Sohn auf die Artillerieschule nach Frankreich, wo Ali Riza Pascha sich das Officierspatent erwarb und dann gleich darauf in türkische Dienste trat. Da er seine Studien in Frankreich gemacht hatte, konnte ihm hier Avancement nicht fehlen, und im Jahre 1860 hatte er schon den Rang eines Mareschals. Sein Charakter ist seltsam gemischt, so theilte er z.B. Morgens Almosen aus an fanatische Druische, welche Spottlieder auf die Christen und christliche Religion sangen, und ging Abends auf einen Ball oder in eine Gesellschaft, die irgend ein europäischer Consul gab. Er versuchte einige Verschönerungen in der Stadt anzubringen, aber seine Maassregeln waren alle nur halb. Er hatte einen kleinen Thurm mit einer Uhr bauen lassen, und eine Glocke schlug die Stundenzahl; als nun die Araber sagten, der Pascha habe eine christliche Glocke (als Abzeichen einer Kirche in üblen Geruch bei fanatischen Mohammedanern) errichten lassen, verbot er jedem bei Gefängnissstrafe das Wort „Glocke“ zu gebrauchen, und in den ersten Tagen dieses Uhr-Thurmbaues waren immer einige Individuen im Gefängniss, welche sich des Wortes Glocke (13) unvorsichtigerweise bedient hatten.

Ali Riza Pascha gab auch Bälle, ebenso der Schich el bled Ali Gergeni, aber beide hüteten sich wohl ihre eigenen Frauen dabei erscheinen zu lassen. Diese durften sich zwar die Herrlichkeiten des Tempels wohl mitansehen, aber nur von einem Zimmer aus, dessen Thür ein Gitter hatte, von wo aus sie alles sehen konnten, ohne bemerkt zu werden. Sobald ein europäischer Consul eine Gesellschaft gab, pflegten Beide nie zu fehlen.


Am meisten Aufsehen machte indess sein Colonisationsversuch von Cyrenaica. Wenn schon die Alten unglücklich gefahren waren, als sie sich zuerst ca. 640 Jahre vor Christi Geburt bei Plataea, dem heutigen Bomba, unter Battus niederliessen, so war Ali Riza Pascha dadurch keines Besseren belehrt; er ging Anfangs 1869 mit zwei ihm von Constantinopel zur Disposition gestellten Dampfern, welche mit Baumaterial, Lebensmitteln etc. beladen waren, nach Bengasi und von da nach Bomba und Tokra. Die Colonisten waren zusammengelaufenes Gesindel, Bettler und obdachlose Leute aus Tunesien, welche die Hungersnoth nach Tripolitanien getrieben hatte, und dann Leute aus Sauya, Djebel und Mschia, welche nichts zu verlieren hatten. Für den Unterhalt dieser Leute glaubte Ali Riza Pascha dadurch zu sorgen, dass er jedem Familienvater einige Stück Ziegen, Abgabenfreiheit auf gewisse Zeit, eine pecuniäre Unterstützung (ca. 20 türkische Piaster monatlich, 94also einige Groschen mehr als ein preuss. Thaler), Getreide um eine Aussaat zu machen, dann von der Regierung errichtete Wohnungen gewährte. Europäische Colonisten schloss er ganz aus, aber mehrere Consuln begleiteten ihn.

Wenn man nun aber die Indolenz der Mohammedaner, den Nomadenhang der Araber, ihren unabhängigen Charakter in Betracht zieht, so ist es sehr die Frage, ob diese Colonie mit solchen Leuten reussiren wird. Die Hauptsache aber, woran das ganze Unternehmen scheitern dürfte, ist die schlechte Wahl der Oerter, wo Ali Riza seine Colonisten hinführte; ein Blick auf die Karte von Afrika zeigt uns zwar, dass Bomba und Tabruk die einzigen guten, natürlichen Häfen an der ganzen Küste zwischen Alexandrien und Goletta sind, wo Schiffe gegen alle Stürme gesichert ankern können. Und immer im Winter bei schlechtem Wetter war dies auch die einzige Zufluchtsstätte für dort in der Gegend auf hohem Meere sich befindende Schiffe gewesen, Ali Riza Pascha scheint aber vorher nicht gewusst, und es später übersehen zu haben, dass bei Bomba und Tabruk gar kein fruchtbares Hinterland ist, sondern gleich Wüste, die Leute also, welche sich dort niederlassen, gar keine Gelegenheit haben, Aussaaten zu machen, oder selbst nur Viehzucht zu treiben. Und einen Ort an dieser Küste, mit solchen Menschen, unter solchen Verhältnissen emporblühen zu sehen, erscheint mehr als zweifelhaft. Eben die Gründe, dass eine Existenz hier nicht möglich war, zwang die Griechen diesen Ort zu verlassen, um dann in der Nähe am Apolloquell die berühmte Cyrene zu gründen.

Obgleich denn auch türkische Zeitungen pomphaft die Colonisationsangelegenheit beschrieben haben, so liegen uns aus Privatbriefen Nachrichten vor, dass schon Streitigkeiten mit den dort nomadisirenden Arabern ausgebrochen seien, hauptsächlich des Süsswassers wegen, das auch nur spärlich vorhanden ist.

Das gesellschaftliche Leben ist namentlich im Winter recht rege, obschon es sehr durch die Rivalitäten der verschiedenen Consulate gestört wird, im Winter 1868/69 wurde es aber noch sehr vermehrt durch den Aufenthalt von Alexandrine Tinne und später des Baron von Maltzan. Alexandrine Tinne, die kühne holländische Reisende, war gerade einige Wochen vor mir in Tripolis eingetroffen, von Malta und Tunis kommend, und bereitete sich vor, ins Innere zu gehen. Wie immer auf ihren Reisen ohne festen Plan, hatte sie sich endlich doch entschlossen, nach Fesan und Bornu zu gehen, hatte aber auch schon damals die Absicht, nach Rhat zu gehen, um die dort hausenden Tuareg zu besuchen. Vergebens versuchte ich sie von diesem Gedanken abzubringen, sie glaubte fest, dass, weil Hadj Chnochen, einer der Chefs der Tuareg, vor Jahren mit Colonel Mircher eine Art von Vertrag gemacht hätte, sie vollkommen sicher in dieser Gegend voll jener wilden Horden reisen könne, vergebens beschwor ich sie, jene grossen französischen aus Eisen gemachten Wasserkisten nicht mitzunehmen, welche allerdings für die französischen Truppen in Algerien ganz praktisch sein mögen, aber für einen einzelnen Reisenden die grösste Gefahr herbeiziehen, weil sie eben die Raubsucht der wilden Stämme erweckt, vergebens suchte ich sie zu bewegen, bewährte Diener von Tripolis mitzunehmen, statt jener Algeriner und Tuniser, auf deren Treue sie gar nicht bauen konnte, und welchen sich merkwürdigerweise eine Menge unnützer Weiber und Kinder zugesellt hatte. Alexandrine Tinne liess sich nicht rathen, oder glaubte die Gefahren in den Gegenden, die sie vor hatte zu bereisen, geringer als sie in der That sind. Armes Mädchen, alle liebten sie in Tripolis; Christen, Juden und Mohammedanern war sie in der kurzen Zeit ihres dortigen Aufenthaltes eine Freundin geworden, sie schied wie so viele vor ihr frohen Herzens und mit kühnem Muthe, und wie so viele vor ihr, sollte sie Tripolis nie wiedersehen. Jetzt bleichen ihre Gebeine mit denen ihrer einzigen beiden treuen Diener im weissen Sande von Fesan, nicht alleine, schon zwei Christen wurden vor langen Jahren auch dort begraben. Friede sei ihrer aller Asche.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Tripolis nach Alexandrien - 1. Band