Abschnitt 2

Ausflug in die nordcalifornischen Urwälder und zu den Geysers


Ein Gerüst von 3-4 Metern Höhe umgab den zu fällenden Baum; die beiden Arbeiter, welche schon einen vollen Tag daran gesägt hatten, trieben die Keile tiefer hinein, während das Holz leise knackte und knarrte; langsam senkte er sich nach der angehackten Seite, und schnell und immer schneller stürzte der Gewaltige, eine Wolke von Staub, Blättern, Nadeln und Holzsplittern aufwirbelnd, mit donnerartigem Getöse. Die Kunst der Holzfäller besteht darin, ihn so fallen zu lassen, daß er möglichst wenig andere Bäume niederreißt und beschädigt. Wir kamen aus unserer sicheren Position hervor und maßen den Baum: er hatte unten über 3 Meter Durchmesser und war 80-90 Meter lang. Das Holz ist fast ziegelrot.


Nachdem der Baum seiner Aeste entledigt ist - welche liegen bleiben und an Ort und Stelle verbrannt werden -, wird er in Stücke von etwa 15 Meter Länge gesägt; diese werden mit Ketten umwunden und durch Ochsen auf roh hergestellten Knüppeldämmen zu den Schienen geschleift und in die Sägemühle gefahren.

Nachdem wir uns am Ufer des Russian River eine Weile bei Speise und Trank gelagert hatten, fuhren wir auf einem andern Wege durch prächtigen Rotholzwald, mit Lorbeer und Haselnuß untermischt, nach Hause zurück.

Nach Tische fuhr ich über Santa Rosa, einer freundlichen Landstadt, die ihren Namen nach einer getauften Indianerin hat, bis nach Cloverdale, wo ich übernachtete.

Da die Post nach den Geysers erst um Mittag abfuhr, blieb mir der Vormittag zu einem Spaziergang in die Umgegend. Ich erstieg einen Hügel, von welchem ich die Aussicht auf das friedliche Thal mit seiner herrlichen Vegetation genoß. Wie viele solcher Idyllen, die sich mit den reizendsten in Deutschland messen können, mögen unbeachtet in dem weiten Lande zu finden sein!

Als ich mich näher umsah, bemerkte ich erst, daß ich unter Gräbern stand; aus einer frischen Gruft schaufelte ein Mann Erde heraus. Ich ließ mich in ein Gespräch ein, merkte bald, daß er ein Landsmann war, und fuhr deutsch fort. Er entpuppte sich als Holsteiner, Handwerker und Eigentümer dieses Friedhofs.

Wenn ein Cloverdaler begraben sein will, muß er sich an den Holsteiner wenden, der ihm für Geld und gute Worte ein Grab gräbt.

In offenem, vierspännigem Postwagen ging es um 1 Uhr fort, durch hochromantische Thäler; links ragt die Felswand, rechts droht der Abgrund; bergauf bergab geht es; verglichen mit unseren Poststraßen ist der Weg schauderhaft und so schmal, daß der Wagen zur Not ausbiegen kann - es kam übrigens auf der langen Strecke nur einmal vor -; Prellsteine existieren nicht. Kurze Biegungen werden mit rasender Geschwindigkeit umfahren, so daß die hinten sitzenden Passagiere die beiden vorderen Pferde nicht mehr sehen, während der Wagen noch diesseits der Felskante herumschlürft.

Aengstliche Leute werden hier mit Recht ohnmächtig, und auch weniger angstvolle werfen bedenkliche Blicke bald auf den Rosselenker, der freudig die lange Peitsche über dem Viergespann schwingt, bald auf den gähnenden Abgrund, bald auf die sausenden Wagenräder, die sehr solide gebaut sein müssen, um die Stöße auszuhalten. Einer der Passagiere, ein Illinoiser Farmer, der einen Bruder in Nordcalifornien besuchen wollte, erwiderte, befragt, weshalb er nicht den Seeweg von San Francisco aus gewählt: es käme auf eins heraus, ob er ertränke oder den Hals bräche.

Selten genug kommt ein Unglücksfall vor, dazu verstehen die Kutscher ihr Handwerk zu gut; ab und zu geschieht es dennoch, und wir passierten nicht ohne Schauder die Stelle, wo vor ein paar Monaten der Wagen hinabgestürzt war, die Pferde tot, Kutscher aber und Reisende durch einen glücklichen Zufall an irgend einen Vorsprung oder Gebüsch hängen geblieben und mit gebrochenen Armen und Beinen davon gekommen waren.

Nach 4stündiger, nur einmal unterbrochener Fahrt langten wir, tüchtig durchgerüttelt und gänzlich verstaubt, in Geyser Springs an, einem großen hölzernen Hotel mit Schwefelbädern, in prachtvollem Thalkessel gelegen. Abends lagen wir alle, eine große Gesellschaft Damen und Herren, in Schaukelstühlen (andre waren nicht vorhanden) auf der Veranda. Aus dem Saale tönte Klaviergeklimper, und alsbald wurde getanzt. Nachher unterhielt ich mich mit einem San Franciscoer Maler, der mein Zimmergenosse wurde, einem Antwerpener Kaufmann aus Oakland und einigen amerikanischen Studenten. Der Maler, dessen Sehnsucht nach Paris und München ging, legte eine Probe seiner Kunst ab, indem er einen Wasserfall nach der Natur malte, ziemlich schlecht nach meiner Meinung; der Antwerpener, der sehr gut deutsch sprach, erzählte von seinen Rheinfahrten; und den amerikanischen Studenten suchte ich, selbst noch ein halber Student, einen Begriff von deutschem Universitätsleben beizubringen, was mir indes nicht gelang.

Bei Tische wurden wir, wie meist in Hotels und auf Dampfern, durch Neger bedient, von denen einer - seltene Erscheinung! - durch seine Schönheit auffiel; diese entging den weißen Ladies nicht, und kokette Blicke flogen hinüber und herüber. Ueberhaupt herrschte ein merkwürdig freier Ton in der sonst so steifen amerikanischen Gesellschaft, vielleicht hervorgerufen durch das Gefühl, dem lästigen Stadtceremoniell einmal entronnen zu sein.

Der Preis betrug 13 Mark pro Tag, wobei, wie gewöhnlich in amerikanischen Hotels, die 3 Mahlzeiten eingerechnet sind, mag man nun daran teil nehmen oder nicht. Nach der Karte kann man nichts haben.

An einem schönen Sonntag Morgen wanderte die ganze Gesellschaft mit einem Führer (einem Deutschen, wie es schien) in die Berge, um die Geysers und Schwefelquellen in Augenschein zu nehmen. Der Boden schwankt unter den Füßen, dabei ein Getöse wie in einer Fabrik. Ueberall an den Wänden ist Schwefel abgesetzt; auch Asbest sah ich. An vielen Stellen dringt kochendes Wasser, heißer Dampf heftig hervor. „Des Teufels Tintenfaß“, „der Hölle Badeanstalt“ und andre, mehr oder weniger passende Namen wurden uns genannt. Ein Becher, den der Führer mit dem Henkel am Spazierstock vor ein solches dampfendes Loch hielt, fuhr schwirrend herum. Schließlich nahm ein Photograph die Gesellschaft auf, mit den Geysers im Hintergrunde.

- Durch noch großartigere Landschaft als bisher ging es weiter mit der Post, und üppige Vegetation begleitete uns. Als wir im besten Fahren waren, hielt der Wagen plötzlich; der Kutscher stieg ab und wies auf eine kleine Gruppe, die uns zu interessant schien, um sie sofort zu stören. Eine Klapperschlange saß mitten auf dem Wege und war dabei, eine Maus zu verzehren. Sobald sie uns erblickte, fuhr sie empor und streckte uns ihr niedliches Köpfchen graziös und herausfordernd entgegen, indem sie nach Kräften mit dem Schwanze rasselte. Der Kutscher zerhieb sie mit der Peitsche, trat ihr den Kopf entzwei und gab mir die Klapper zum Andenken.

Nachdem wir Mittag gemacht hatten, fuhren wir weiter, um den etwa 1.200 Meter hohen Helenaberg herum, der die Gestalt eines liegenden Elefanten hat, und kamen um 2 Uhr in Calistoga an, von wo mir noch 4 Stunden mit Bahn und Dampfer blieben nach dem südlicheren San Francisco.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Haparanda bis San Francisco