Naturbilder

Die Pflanzenwelt. — Die Tiere. — Der Meeresgrund. — Sonnenuntergang. — Meerleuchten. — Windstille. — Sturm.

Die Flora von Helgoland hat das Eigentümliche, dass man sie im Wasser suchen muss, denn die Pflanzen des Landes sind, außer einem Maulbeerbaum und dem auf der Düne vorkommenden Sandhafer und einer Art Meersenf, unbedeutend. Der Sandhafer ist für die Düne von großer Wichtigkeit, weil er mit seinen Wurzeln die Hügel derartig durchwächst, dass sie der Sturm nicht leicht abwehen kann.


Unser Bild zeigt eine Stelle auf dem Seegrund, die mit verschiedenen Tang- oder Algenarten bewachsen ist, von denen wir leider die Farben nicht wiedergeben konnten. Es gibt gewiss nichts Reizenderes und Märchenhafteres als den Anblick einer solchen Stelle bei ganz ruhiger See und Sonnenschein, dessen Strahlen im seichten Wasser die roten, gelben und braunen Blätter der Pflanzen beleuchten und ihre Schatten auf den Grund werfen. Um die Wipfel dieser kleinen Bäume schwimmen Fische, und in dem Wurzelwerk bewegen sich allerhand Seetiere.

Einige Pflanzen treiben ihre kleinen Äste nach oben, während andere in den Felsen wurzelnd abwärts hängen oder ihre zarten Blätter nach allen Seiten schwimmend ausbreiten. Besonders zart ist eine grasähnliche Pflanze, die ihre brillant-grünen wimpelartigen Blätter im Wasser spielen lässt, wo sich dieselben bei der geringsten Bewegung auf- und absenken und um die andern Pflanzen wickeln, die dann wie mit zartem Seidenband umschlungen aussehen.

Eine andere Pflanze, die wir im Hintergrund des Bildes sehen, steht wie ein Baum aufrecht und breitet ihre eichbaumartigen Blätter von brillant-roter Farbe aus. Eine Pflanze mit kleinen spitzen Blättern, deren Farbe ebenfalls rot ist, steht dabei. Die Farbe des weidenartigen Busches weiter vorn ist schwarzbraun, gleich davor ist ein kleines Felsstück mit langem haarähnlichen Gras bewachsen, über das sich einige kleine Muscheln erheben, die sich überall an Tiere und Pflanzen ansetzen.

Die runden Blätter im Vordergrund rechts gehören einer hellbraunen Tangart an, deren lederartige Blätter wie von einem feinen Drahtgitter überzogen sind. Dahinter ist ein korallenartiges Gewächs, das sich in einzelnen gegliederten Zweigen von weißer Farbe an den roten Stein festsetzt.

Die links herunterhängende lange Pflanze, welche oben im Felsen wurzelt, hat ein schleimiges, leimartiges Blatt von braungelber Farbe. Es ist dies der gewöhnliche Seetang, der nach Stürmen schlangenartig am Strand liegt und die Luft mit seinem Gestank erfüllt. Daneben wächst ein kleinerer Tang von arabeskenähnlicher Form, dessen Blätter an der Wurzel gelbbraun sind und nach den Spitzen in Grün übergehen. Das schwarze haarähnliche Gewächs, welches oben am Felsen wurzelt und sich hinter dem Blätterbusch wegzieht, enthält einen leimartigen Saft und wird zum Bereiten von Leim benutzt.

Die Tierwelt muss man in Helgoland gleichfalls im Wasser und in der Luft suchen, denn auf dem Lande ist es außer den Schafen schlecht damit bestellt. Es hat zwar ein Helgoländer einmal den Versuch gemacht, einige Schweine mit Fischen zu mästen, dieselben sind aber so lang und dünn geblieben, dass sie eher Eidechsen als Schweinen ähnlich sahen. Die Helgoländer nehmen deshalb auch mit den Schweinen vorlieb, die ihnen ihre Natur bietet, das heißt mit den Schellfischen, die sie frisch, geräuchert, getrocknet und gesalzen essen, und die nebst Kartoffeln ihr Hauptnahrungsmittel ausmachen. Die Farbe des Fisches ist beinahe ganz weiß.

Nächst dem Schellfisch wird am meisten der Dorsch gefangen, welcher in dasselbe Geschlecht gehört. Er hat einen dunkeln Rücken, auf dem noch dunklere Flecke stehen, der Bauch ist weiß. Der Fisch zeichnet sich durch besonders große fächerartige Kiefern aus.

Der Kabeljau, zu dessen Familie die beiden vorigen Arten gehören, wird auch bei der Insel gefangen, doch lange nicht so häufig als die ersteren. Wenn der Kabeljau an der Luft getrocknet ist, kommt er unter dem Namen Stockfisch in den Handel. — In Norwegen salzt und trocknet man ihn, in welcher Gestalt er Klippfisch heißt. Wenn er wie der Hering eingesalzen ist, nennt man ihn Laberdan.

Der Hering wird wohl hier und da gefangen, jedoch bloß ausnahmsweise. Früher sollen sie in so großer Masse da gewesen sein, dass nach einer Volkssage drei verwegene Heringe par tout die Treppe hinauf wollten, von einer alten Frau jedoch fortgeprügelt wurden, was ihre Herren Kollegen so übel vermerkten, dass sie künftighin der Insel keinen Besuch mehr abstatteten.

Die Makrele ist gewissermaßen die Forelle von Helgoland, da sie an Wohlgeschmack alle andern Fische übertrifft. Sie ist ein sehr gieriger Raubfisch mit prächtigen Farben, besonders einem brillant-grünen Rücken mit dunkeln Streifen. Nach dem Tode, welcher sogleich, nachdem sie aus dem Wasser kommt, eintritt, verlieren sich die Farben. An Gestalt gleicht sie dem Hering.

Schellfisch.
Dorsch.
Makrele.


An breiten schollenartigen Fischen hat man verschiedene Arten, als Schollen mit dunkeln Flecken — Bütt, Steinbütt und Zungen, welche letztere große Ähnlichkeit mit einer Stiefelsohle haben. Wenn man sie kocht, muss man die harte, scharfe Haut abziehen.

Ein sonderbarer Fisch ist der Hornfisch, welcher bei aalartiger Gestalt einen förmlichen Vogelschnabel hat, der mit scharfen Zähnen besetzt ist. Die Graten des Hornfisches sind ganz grasgrün, der Kopf soll giftartig sein und wird weggeworfen.

Hornfisch.

Die Sandspiere, welche als Lockspeise beim Fischen gebraucht wird, und der Nadel- oder Windfisch, der, an einem Faden aufgehangen, die Windrichtung anzeigen soll, haben eine ähnliche Gestalt, doch sind sie bloß von der Größe einer Sardelle und haben keinen Schnabel.

Seeteufel.

Von höchst unangenehmem Äußern ist der Seeteufel, dem bloß eine Länge von 100 Fuß fehlt, um zu den scheußlichsten Ungeheuern zu gehören, während er in seiner jetzigen kleinen Gestalt lächerlich ist.

Ein ähnlicher Fisch heißt Seeskorpion. Er ist bunt und hat noch mehr Stacheln als der Seeteufel. Man sagt, seine Stacheln sollen giftig sein.

Der Seehase, ein plumper Fisch mit rötlichem Bauch, hat die Eigenheit, sich mit dem Bauch anzusaugen und festzuhalten, so dass er schwer loszureißen ist.

Kleine Haifische von drei Fuß Länge sind bei Helgoland sehr häufig. Sie werden Dornhaie genannt und gebären lebendige Junge. Von der Gefräßigkeit ihrer Kameraden im Ozean scheinen sie nicht zu sein, wenigstens haben, sie noch nie einen Badegast angebissen.

Vor einigen Jahren wurde indes ein recht hoffnungsvoller Bursche von 9 Fuß Länge gefangen, der bei längerem Aufenthalt doch vielleicht Geschmack an Badegästen gefunden hätte.

Aale, wie man sie im Adriatischen Meer bei Venedig hat, habe ich in Helgoland nie bemerkt, es soll jedoch von Zeit zu Zeit einer gefangen werden.

Seeschweine oder Tümmler (Delphine) werden öfter gefangen und gewöhnlich am Strande für 1 Schilling gezeigt.

Von Krebsen finden sich hier die Krabben, welche kleinen Taschenkrebsen gleichen und bei Cuxhaven Dwarsläufer genannt werden.

Dann Taschenkrebse und Hummer, die ganz den Landkrebsen gleichen, aber eine Größe von ein bis anderthalb Fuß erreichen. Von Farbe sind sie schwarzbraun mit weißen Flecken.

Ein kleiner ganz wie der Hummer gestalteter Krebs, von etwa 2 Zoll Länge, bewohnt die leeren Gehäuse der Schneckenmuschel und wird deshalb Einsiedler genannt.

Ein sonderbares Tier ist die sogenannte Seerose, ein Gallerttier, das mitunter einem geschliffenen Glasteller mit Obst oder Konfitüren täuschend gleicht. Beim Segeln sieht man sie in den Wellen treiben und zwar von der Größe eines Apfels bis zu der eines Tellers.

Ein anderes kurioses Tier ist der Seeigel oder Seeapfel, welcher ganz rund und mit Stacheln besetzt ist, mit denen er sich ansaugen soll. Sein Kopf sieht beinahe aus wie die Frucht von Pfaffenhütchen.

Seehunde.

Der Seebewohner, dem man die meiste Aufmerksamkeit schenkt, ist der Seehund, der auf der Düne und den Klippen oft zum Vorschein kommt und nicht selten lebendig gefangen wird, was indes kein leichtes Geschäft ist, da er fürchterlich beißen kann und seine Bisse sehr schwer heilen. Besonders schön sind die klugen Augen des Tieres, die, wenn er gesund ist, im tiefsten Schwarz glänzen. Sobald er krank wird, werden die Augen bleich und grau. Seine Stimme klingt fast wie das Grunzen eines Schweins. Natürlich werden auch gefangene Seehunde sofort am Strand für einen Schilling gezeigt. Ihre Tage beschließen sie gewöhnlich bei Ölrich oder Änkens, die ihnen das Fell auf die zarteste Weise über die Ohren ziehen und es mit Heu oder Werg ausstopfen.

An verschiedenen Vogelgattungen ist in Helgoland ein großer Reichtum vorhanden, weil die Insel hauptsächlich als Ruheplatz der Vögel auf ihren Wanderungen dient. Außer den stets hier weilenden Möwenarten, sind es Zugvögel, wie Schnepfen, Finken, Lerchen und Drosseln, die in großer Menge ankommen und gefangen werden.

Von den Möwen gibt es acht bis zehn verschiedene Arten. Die weiße oder Silbermöwe, die an der Schleswigschen Küste nistet, und die Sturmmöwe sind die gewöhnlichsten. Der Strandläufer ist ein komischer Vogel. Gewöhnlich läuft er auf der Düne mit schnellen Schritten am Wasser hin, um irgend einen angeschwemmten Fisch zu erhaschen. Öfter laufen 5 bis 6 hintereinander, wobei sich die Beine mit der Schnelligkeit von Eisenbahnwagenrädern bewegen, besonders wenn ein Fang in Aussicht steht.

Seemöwen.

Ein sehr hübscher Vogel ist der Goldregenpfeifer, der wie der Mornelregenpfeifer essbar ist. Taucher und Wildenten finden sich gleichfalls, und Raubvögel, worunter der Seeadler, lassen sich öfters sehen.

Nächst dem kommen noch eine Menge Singvögel vor, die im Binnenlande einheimisch sind, so wie von seltenen Zugvögeln hier und da einer erscheint, der indes bald mit Gätckes Flinte Bekanntschaft macht, um dann ausgestopft in seiner Sammlung zu paradieren.

Einen ergreifenden Eindruck muss es auf den Binnenländer machen, wenn er den Sonnenball vom wolkenlosen Himmel in das Meer hinabsinken sieht. Auf dem Lande ist es stets ein Gegenstand, ein Berg, ein Haus oder ein Baum, hinter dem das Tagesgestirn verschwindet, wo es gleichsam an einem bekannten Ort zur Ruhe geht. Hier aber ist nichts als das langgestreckte Meer und auf ihm kein Merkmal, wo das Licht des Tages erlischt. Wenn der letzte Blick des Gestirnes hinter der Flut versank, überkommt uns eine Ahnung des Unendlichen, Raumlosen, in dem wir als Atome auf einem Staubkorn leben, auf dessen feuchtem Überzug, den wir Meer nennen, uns schon der Riesenbau eines Linienschiffes in kurzer Entfernung als winziger Punkt erscheint. Wie klein kommt uns da erst der Mensch vor, und wie lächerlich erscheinen jene blasierten Badegäste, die jene lange Bank auf der Nordspitze regelmäßig einnehmen und den Sonnenuntergang kritisieren, den sie als ein bezahltes Schauspiel betrachten, das zu ihrem Vergnügen Abends aufgeführt wird, um ihnen eine halbe Stunde die Zeit zu vertreiben.

Sonnenuntergang an der Nordspitze.

Wenn das Meer ruhig ist, hat man den prächtigen Anblick einer breiten Feuersäule, in der sich die Sonne im Meer wiederspiegelt. Je mehr sich die Sonnenscheibe nach dem Horizont senkt, um so kleiner wird die Glanzsäule, die sich, wenn die Scheibe mit dem Rand den Horizont berührt, ganz verliert, so dass man den sonderbaren Anblick einer Wasserfläche hat, auf der sich die Sonne nicht wiederspiegelt. Diese Erscheinung kommt jedenfalls von der Rundung her, welche die Erde und mit ihr die Meeresfläche macht. Auf dem hohen Standpunkt, den man auf der Klippe hat, sieht man dann die Sonne noch, wenn sie schon hinter der Krümmung steht und ihre Strahlen nicht mehr auf das Wasser fallen können. Wer am Fuß der Klippe steht, sieht die Sonne schon hinter der Flut versinken, wenn die Obenstehenden dieselbe noch über dem Wasser sehen.

Auf der Insel Helgoland kann man auf diese Art die Sonne zweimal an einem Abend untergehen sehen; denn wenn man am Wasser stehend sie eben hinter der See verschwinden sieht und schnell die Treppe hinaufsteigt, welche auf den Gipfel der Klippe führt, so bekommt man oben die volle Sonnenscheibe noch einmal zu Gesicht und sieht sie zum zweiten Male untergehen.

Die Maler machen deshalb einen Fehler, wenn sie, den Sonnenuntergang von einer Höhe malend, sich die Sonne am Horizont über das ganze Wasser spiegeln lassen. Eben so fehlerhaft ist der Reflex, den man bei entfernten Segelschiffen die weißen Segel auf das Wasser werfen lässt, weil eine solche Spiegelung nur bei ganz glattem Wasser oder in nächster Nähe stattfinden kann. Dieser Zustand kommt aber selten vor, und selbst die kleinsten Wellen verhindern das Sehen der Spiegelung im Wasser, weil die Seite der Welle, auf welcher sich der Gegenstand spiegelt, von uns abgewandt ist.

Einen großartigen Anblick gewährt der Sonnenuntergang bei Gewitterluft. Wenn dann der Horizont im geheimnisvollen Schatten der Wolken verschwindet und die Sonnenscheibe goldgelb oder blutrot wie ein schwerer Goldball in die Wolkenmasse sinkt, wälzen sich die langen Wogen auf den Strand und tragen auf ihrem Rücken breite Glanzlichter der Sonne, die sie eins nach dem andern in die Brandung schütten, welche sie unersättlich verschlingt.

Ein schöner Anblick ist es, wenn nach einem trüben Tage die Sonne unter der Wolkenschicht hervortritt, die vielleicht im Westen ihr Ende erreicht. Gewöhnlich kommt dann jene rote Beleuchtung vor, die bengalischem Feuer gleicht, und die besonders auf die weißen Dünenhügel eine wundervolle Wirkung hervorbringt.

Eben so schön ist der Aufgang des Mondes, von der Falm aus betrachtet. Wenn sich dessen Scheibe ein Stück über die See erhoben, so kommen zwei, drei einzelne Glanzpunkte im Wasser zum Vorschein, — dann zwanzig, dreißig, und dann plötzlich eine lange Glanzsäule, die sich bis zum Vordergrund ausdehnt. Je höher der Mond emporsteigt, desto mehr zieht sich der glänzende Streifen wieder zusammen, bis er im Vordergrund nur noch einen Kranz von spielenden Glanzkugeln bildet, während sich auf der fernen See, wo die Bewegung stärker ist, ein langer breiter Silberstreifen zeigt, auf dem hier und da einige nächtliche Segler hingleiten.

Kein Naturschauspiel macht jedoch eine so zauberhafte Wirkung, als das Meerleuchten, das man hier in warmen August- und Septembernächten sehen kann. Die Erscheinung des phosphorartigen Lichtes, welches ohne alle äußere Veranlassung als die der Bewegung des Wassers in demselben vorkommt, macht den größten Eindruck auf das Gemüt und erfüllt es mit Staunen und Bewunderung.

Das Licht, welches das Meer bei dunkler mondloser Nacht ausströmt, gleicht ungefähr dem Reflex des Mondes auf dem Wasser. Die Köpfe der überschlagenden Wellen scheinen zu glühen. Hindurchfahrende Boote und schwimmende Fische lassen lange Feuerstreifen wie ersterbende Raketen hinter sich, und hineingeworfene Steine bilden auf ihrem Wege nach dem Grunde einen Kometenschweif. Mit einem Stock kann man bei ruhigem Wasser kurze Namen leserlich im Wasser schreiben, welche die schönsten Namenszüge in Brillanten bilden, schöner als die, welche der Kaiser von Russland auf goldenen Dosen zu verschenken pflegt, nur leider nicht so dauerhaft. Eben so lassen die Riemen, womit der Bootsführer rudert, lange ringelnde Feuerschnecken hinter sich, und die eingetauchte Hand zeigt hier und da Funken. Alles dies kommt aber dem Anblick nicht gleich, der sich auf dem Strand der Düne in der Brandung bietet, deren überstürzende Wellen einen Feuerkranz um die Sandinsel bilden. Man kann die ganze Nacht bis zum Morgen dort stehen und zusehen, wie das Meer Millionen von Diamanten auf den Strand schüttet, die, kaum verglommen, wieder durch neue ersetzt werden. Eben so schön sieht es aus, wenn ein Boot durch das Wasser segelt und scheinbar von einem Schwarm Johanniskäfer am Vorderteil umspielt wird, so hell glänzen die spritzenden Wellen.

Die Ursache dieser Erscheinung sollen, nach den Forschungen verschiedener Gelehrten, und besonders des Herrn Dr. Verhaeghe, Badearzt von Ostende, eine Menge kleiner Tiere sein. Früher glaubte man, das Meer gebe die am Tage eingeschluckten Sonnenstrahlen Nachts wieder von sich. Andere hielten die Erscheinung für elektrisch oder phosphorartig und brachten sie mit der Erddrehung in Verbindung.

Die hier folgenden Abbildungen stellen diese Tiere in natürlicher Größe, so wie durch das Mikroskop gesehen dar. Dr. Verhaeghe nennt sie Noctiluca militaris und behauptet, dass von ihnen das Meerleuchten in der Nordsee herrühre. Sie erscheinen erst im April und verschwinden mit der Kälte wieder.

Fig. 1. Noktiluken in natürlicher Größe.
Fig. 2. Noktiluken mäßig vergrößert.
Fig. 3. Noktiluka, bedeutend vergrößert.


Fig. 1. Noktiluken, wie sie dem bloßen Auge sichtbar und auf dem Meer schwimmen.
Fig. 2. Dieselben Tiere, durch eine Lupe vergrößert und in einer zusammenhängenden Gruppe an der convexen Oberfläche eines Wassertropfens vereinigt.
Fig. 3. Eine Noktiluka bedeutend vergrößert. a) Stielchen, welche von dem Grunde einer Art Trichter ausgehen, dessen Wandung 1 1 dem Auge des Beobachters am nächsten ist. Diese Wandung ist eben so durchsichtig als die übrige Körperoberfläche und geht in diese über; 2 2 innere, dem Auge entfernte Wandung des Trichters; 3 noch entferntere Teile; 4 noch entferntere und 5 der entfernteste Teil der Trichterwandung; b Zentralkern, der bisweilen durchsichtiger ist als der übrige Körper, bisweilen blassgelb gefärbt; c c c Fäden oder Hauptgefäße, welche vom Zentralkern ausgehen und sich nach der Oberfläche des Körpers verzweigen; c’ c’ c’ dem Auge entfernter liegende Fäden; d d Anhäufung von Zellen oder Magen; d’ eine dergleichen, welche deutlicher ist. Von diesen Zellen hat das Tier oft eine große Menge, oft keine.

Fig. 4 ist eine leuchtende,

Fig. 5 eine bloß teilweise leuchtende Noktiluka.

Fig. 6 ein 240fach diametral vergrößerter, leuchtender Punkt des Tieres, in dem sich das ausströmende Licht in eine sehr große Menge leuchtender Pünktchen auflöst.

Auch am Tage ist das Meer, trotz seiner scheinbaren Einförmigkeit, ein reiches Feld für Naturgenüsse. Seine ausgebreitete Fläche spielt, von oben gesehen, bei der geringsten Luftbewegung aus einer Farbe in die andere. Bald geht es vom Smaragdgrün ins Blaugrüne und entschiedenste Blau über, bald fällt es, den Grund halb durchscheinen lassend, ins Violette, Rötliche, Braune, Gelbe und wieder in seine Lokalfarbe, das Grüne, zurück. Bei klarem, ruhigem Himmel und Windstille sieht es grünlich-blau aus. Unter der Sonne spielen dann Tausende von kleinen Glanzpunkten, wie in einem silberdurchwirkten Teppich durcheinander. Nächst dem Dünenstrand, von wo aus man das Meer stets am schönsten beobachten kann, wird es grünlicher und lässt nahe am Ufer den Sand goldgelb durchschimmern. Von Zeit zu Zeit rollt sich dann eine ganz kleine lange Welle spielend auf das Land und lässt ihren Silberschaum dann verschwinden.

Ich kann nicht unterlassen hier eine Stelle aus dem Notizbuch einer jungen Dame anzuführen, welche die verschiedenen Eindrücke der Helgolander Natur in kurzen treffenden Sätzen aufzuzeichnen pflegte. Der folgende führte die Überschrift:

„Windstille auf der Düne.“

„Da ist es fort das letzte Boot mit den letzten Badegästen, und ich bin wieder allein auf der Düne. Kein seidenes Kleid und kein Frack verstimmt nun die Aeolsharfe der Natur, deren gewaltige Noten, Licht, Farben und Form im Akkord ertönen, aus dem Schönheit, unendliche Schönheit erklingt.

Wie im hohen Gebirge, wo die Wolken auf grünen Matten lagern, sich der Himmel der Erde vermählt, so auch hier auf der Düne, wenn das Meer sich zurückzieht und der Sand zart wie der Busen einer Jungfrau, auf den eine Träne fiel, den Himmel wiederspiegelt. Nur die leise Brandung zieht dann die silberne Grenze, an der man erkennt, wo Himmel und Erde sich trennt!“

Anders zeigt sich das Meer, wenn der Sturm darüber hinfährt und die Wellen vor sich herjagt, die dann wie geängstigtes Wild am Strand emporlaufen. Brüllend und zu blendend weißem Schaum zerschlagen, stürzen sie dann eine über die andere der Düne zu, und jedes Schiff, das in der Nähe derselben auf den Grund gerät, ist verloren, denn mit Riesenkraft umhergeschleudert, wird es in kurzer Zeit in Stücke zerrissen, und die stärksten Ketten, Taue und Eichenbalken, die menschliche Kunst zu einem Ganzen verband, werden wie Strohhalme zerbrochen.

Man kann sich unmöglich einen Begriff von der furchtbaren Gewalt der Wellen machen, wenn man sie nicht im Sturm wüten sah. Dauert er lange und treibt die Wellen höher und höher, so überstürzen sie sich endlich wie in Verzweiflung, der Sturm reißt dann den Schaum mit der dünnen Wassermasse ab und treibt ihn in der Luft vor sich her, woraus sich, da mehr und mehr dazu kommt, eine fliegende Wassermasse von entsetzlicher Gewalt bildet, die der Seemann Sturzsee nennt, und die kleinere Fahrzeuge in den Grund schmettert, und von größeren abreißt, was sie fassen kann. Dann werden Anker, Boote, Küche, Halbverdeck und Schanzkleidung fortgerissen, was der Schiffer mit dem Ausdruck „das Deck rein waschen“ bezeichnet, und wobei die halbe Mannschaft oft ihren Tod findet.

Das Meer hat bei Sturm eine dunkelgrüne, oft beinahe schwarze Farbe, auf welcher die weißen Wellenköpfe sich scharf abzeichnen. Bei trübem Wetter machen dann die grell-grünen Wellen und die überall auftauchenden weißen Schaumkämme keinen günstigen Eindruck, weil das Ganze ein wirres, ruheloses Durcheinander ist. Nur an den regelmäßigeren Brandungen auf der Düne findet man einen malerischen Anblick. Die besten Darstellungen dieser Nordseewellen hat der Professor Dahl in Dresden, ein geborner Norweger, geliefert, indem er in vielen Sturmbildern die Wogen bis in die kleinsten Einzelheiten treu wiedergab.

Ein besonderes Vergnügen gewährt das Segeln in stürmischer See. Wenn man dann mit dem Fahrzeug bergauf, bergab stiegt, bald mit dem Boot halb in der Luft ist, und im nächsten Augenblick wieder durch den obern Teil einer Welle schießt, deren Gipfel das Fahrzeug nicht mehr tragen kann und deshalb in Schaumflocken darüber hingeht, so ist dies ein wilder Spazierritt, gleich dem auf Doktor Fausts Zaubermantel. Wenn einige Boote nahe beisammen segeln, hat man die beste Gelegenheit, das Auf- und Niederspringen derselben zu beobachten, denn bald verschwindet das nächste Boot fast bis zur Mastspitze hinter einer Woge, bald steigt es hoch auf dem Gipfel einer solchen empor.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Hamburg nach Helgoland