Die Elbe und ihre Ufer

Neumühlen. – Blankenese. – Staffagen und Trachten. – Stade. – Glückstadt. – Die untere Elbe.

Während nun die linke Elbseite flaches, mit Weidengebüsch und Schilf bewachsenes Ufer zeigt, an dem höchstens einige von Nahrungssorgen geplagte Störche herumspazieren und über das in der Ferne einzelne Baumgruppen und einsame Windmühlen herüberschauen, steigt rechts das Land hügelig empor und ist von den Gärten und Sommersitzen der Altonaer und Hamburger Geldmänner bedeckt. Eine fortlaufende Reihe von Villen, mit wunderschönen Eichen- und Buchengruppen untermischt und von einigen Windmühlen malerisch überragt, bietet dem Auge hier eine reizende Szenerie; zwischen den Bäumen am Ufer schauen meistens die kleinen nett gehaltenen Lotsenhäuser hervor, vor denen mancher alte Lotse, der sein Schäfchen aufs Trockne gebracht hat, behaglich sein Pfeifchen schmaucht und die vorbeisegelnden Schiffe mit kritischem Auge betrachtet. Einzelne Badekarren stehen hie und da am Strande und eine Menge von Jollen und Booten liegt vor Anker oder auf dem Sande. — Die Neumühlner Bootbauerei ist übrigens unter den Seeleuten berühmt, weil die hier gebauten Jollen an Solidität und Eleganz nichts zu wünschen übrig lassen.

Partie aus Neumühlen.


An Neumühlen schließt sich Oevelgönne, oder ist eigentlich eine Fortsetzung desselben und endigt mit einem Schiffswerft. Von hier aus bis Teufelsbrücke erstrecken sich bewaldete Abhänge, auf deren Gipfel Gärten und Landhäuser versteckt liegen. Bei Teufelsbrücke senkt sich der Abhang und läuft in eine kleine Fläche aus, die mit Gebäuden und Garten dicht besetzt ist und ein parkähnliches Ansehen hat. Die Hügel erheben sich indes sogleich wieder und steigen mehr und mehr bis an die Ortschaft Nienstädten. Nachdem wieder eine waldige Strecke gefolgt ist, kommt Bauers Garten, der sich bis Blankenese hinzieht, und den ein chinesischer Turm ziert oder verunziert, je nach dem Geschmack des Beschauers.

Ein kleines Tal mit einer Wassermühle und einigen reizend liegenden Gebäuden ist gleichsam die Vorrede zu Blankenese, welches hier seinen Anfang hat. Die Häuser liegen meist am Berge (was man hier eben Berg nennt) zerstreut, und ihre Bewohner stehen sehr gemütlich davor, rauchen Tabak, stecken die Hände in die Hosentaschen und gucken auf die Elbe hinaus, indem sie der schönen alten Zeit Zedenten, wo sie noch ohne polizeiliche Einmischung den Schiffern zu Hilfe kommen und sie nebenbei ausplündern durften, was mit dem Kunstausdruck „Strandrecht“ benannt wird. — Die strandrechtliche Ausübung haben indes jetzt die Gastwirte übernommen, um doch noch ein Andenken an die alte gute Zeit zu retten.

Der Süllberg überragt das Dorf und bietet eine schöne Aussicht auf die Elbe, die hier besonders belebt ist.

Blankenese.
Finkenwärder Fischer.


Man erblickt Schiffe jeder Art hinauf- und hinabsteuernd und auf den Sandbänken sitzend, die man von hier oben besonders gut übersehen kann. Etwas oberhalb Blankenese liegt am andern Ufer das Fischerdorf Finkenwärder, dessen Einwohner denselben guten Ruf (als Schiffer) genießen, wie die Blankeneser. — Die Finkenwärder Fischer fischen meistens in der Elbe bis Cuxhaven, während die Blankeneser in der See fischen und besonders bei Helgoland ihre Netze auswerfen. Von den Blankeneser Fischerfahrzeugen kommen die besten und zuverlässigsten Elblotsen her.
Blakenese gerade über mündet die Este in die Elbe, welche hier beinahe eine Stunde breit ist. An der Este liegt Buxtehude, jener Ort, der durch nichts weiter berühmt ist, als dass er wirklich existirt, denn im Binnenlande gehört er in das Reich der Fabel und wird vorwitzigen Fragern nach wohin, gewöhnlich als Reiseziel bezeichnet. Es ist mir selbst passiert, dass sich ein sehr würdiger Leipziger, der sich auf dem Dampfboot nach jener Gegend erkundigte, mit großer Indignation zurückzog, als ich ihm der Wahrheit gemäß sagte: „dort liegt Buxtehude“. — Es findet sich überhaupt für den gebornen Leipziger auf der untern Elbe manches Interessante; denn nicht nur, dass sie an manchen Stellen einen Vergleich mit „Schimmels Teich“ aushält, o nein! an ihrem Endpunkte, in Cuxhaven, existiert noch etwas, das jeden Leipziger oder Den, der in den dreißiger Jahren dort studierte, mit Wonne erfüllen muss. Doch davon in dem Kapitel Cuxhaven! —

Hat man Blankenese ohne strandrechtliche Behandlung passiert, so kommen eine Reihe Heideberge und Hügel, die ganz denen in der Lüneburger Heide gleichen, zum Vorschein, und es drängt sich dem Beobachter der Gedanke auf, als habe hier die Elbe den letzten Zipfel der Lüneburger Heide, die man drüben in blauer Ferne sieht, gewaltsam abgeschnitten, um Holstein damit zu erfreuen. Diese Berge und Hügel sind übrigens die letzten traurigen Anstrengungen, welche das Ufer hier macht, um Berge hervorzubringen. Bei einem nun folgenden Schiffswerft, das den Namen Wittenbergen führt, laufen diese Hügel in Gestalt einer hohen Uferbank fort, bis sie bei Schulau plötzlich hinter einem kleinen Gebüsch verschwinden und in Marschland übergehen. — Hier liegt der kleine Ort Wedel, von wo in alter Zeit die Hauptfähre nach dem andern Ufer abging.

Finkenwärder Fischer beim Mittagsbrot.
Lüher Jolle.
Hannöversche Landleute.


Was die gegenüberliegende hannoversche Seite betrifft, so bleibt der Charakter derselben fast immer gleich. — Ein fortlaufender Steindamm (Deich genannt), über den die dahinterliegenden Bäume und Häuser hervorschauen, und kleine mit Schilf und Weiden bewachsene Inseln wechseln mit Sandbänken ab. — Unzählige kleine Fahrzeuge kreuzen herum oder liegen auf dem Sande und erwarten die Flut. — Die Finkenwärder Fischer treiben hier unten besonders ihr Wesen. Das sogenannte Kirschenland breitet sich hinter den Deichen auf der hannoverschen Seite aus; von hier werden große Massen Obst nach England verschickt, und die sogenannten Lüher Jollen bringen dasselbe in Körbe verpackt nach Hamburg, wozu die oft mitfahrenden Landleute und besonders das Frauenvolk eine hübsche Staffage bilden.

Hannoversche Landleute.

Unterhalb Schulau liegen zwei kleine Feuerschiffe im Strom, die sich am Tage durch ihre rote Farbe und des Nachts durch aufgezogene Lichter bemerkbar machen und den Schiffern das Fahrwasser anzeigen. Es muss übrigens ein recht amüsanter Posten sein, den ganzen Sommer auf solch einem Wachtschiff zu sitzen, Abends die Lampen anzuzünden und dieselben Morgens wieder auszulöschen, und ist diese Gelegenheit Leuten, welche die Ruhe lieben, besonders zu empfehlen; nota bene wenn kein stürmisches Wetter ist.

Das rechte Elbufer zieht sich nun in endlosem Marschland bis nach der See hinunter und erscheint bedeutend öder als das linke; hier mündet zunächst die Lühe oder Luhe, welche das Kirschenland durchfließt, in die Elbe. Dann fährt man an einigen kleinen Inseln vorbei, die den Entenjägern wohl bekannt sind, sieht eine Dampfschiffstation, Twielenfleth, und bald darauf über Gebüsch und Bäume die fernen Kirchtürme von Stade. Wo ein kleiner Fluss, die Schwinge, in die Elbe fällt, laufen die Stader Dampfschiffe ein. Hier hat der Stader Zoll seine Sommerwohnung aufgeschlagen und zum Vergnügen der Vorübersegelnden hat man eine Batterie und ein Zollhaus errichtet. Stade soll dreihunderteinundzwanzig Jahre vor Christi Geburt neu erbaut worden sein, hat also dann jedenfalls schon vorher existirt, was indes auf die allgemeine Weltgeschichte keinen großen Einfluss gehabt zu haben scheint.

Ein Torfewer.
Blankeneser Fischewer.


Von nun an zeigt sich der Fluss in beträchtlicher Breite. Am linken Ufer, wo das Fahrwasser ist, liegen zwischen Bäumen und Gebüsch einzelne Bauernhäuser und man sieht hier und da zahlreiches Vieh weiden. Die Landschaft zeigt hier übrigens nun fort und fort denselben monotonen Charakter, der bei ungünstiger Beleuchtung sehr langweilig genannt werden kann. — Einiges Interesse erregt die Nachricht, dass man auf der rechten Seite Glückstadt liegen sieht, wovon ich aber vom Schiff aus nie mehr bemerken konnte, als eine Windmühle, einen großen Schornstein, ein Stück Kirchturm und einige unbestimmte Nebensachen, welches alles im Jahr 1620 vom König Christian IV. mit großen Geldkosten erbaut und 1625 von Tilly fünfzehn Wochen lang vergeblich belagert ward, wahrscheinlich um zu probieren, ob die Festung gut sei. Jetzt üben die Glückstädter großen Einfluss auf die Schnürleiber und Schirme Deutschlands aus, indem sie die meisten Grönlandfahrer ausrüsten und auf den Wallfischfang schicken, um Fischbein zu holen. Sonst gibt es dort nichts Merkwürdiges als einen Schiffsanker, den man am Turm der Stadtkirche aufgehangen hat, wo er über seine verfehlte Bestimmung nachdenken kann. Diesen Anker verloren die Hamburger 1630 in einer Seeschlacht (auf der Elbe) vor Glückstadt. — Vielleicht erobern die Hamburger einmal eine Kirchenglocke und hängen sie als Repressalie unter ein Schiff.

Links liegt die Insel Krautsand mit ihren Höfen und Feldern, rechts Brunsbüttel. Dann zeigt sich in der Ferne die Stadt Freiburg und etwas weiter hinab bemerkt man einen entfernten Höhenzug, worauf einige Gebäude stehen. Von nun an treten die Ufer mehr und mehr zurück, bis man endlich auf der rechten Seite beinahe gar nichts und auf der linken sehr wenig sieht. Zu diesem Wenigen gehört der Ausfluss der Oste, von wo unzählige Torfewer das Brennmaterial für Hamburg holen, da der Torf von hier viel besser und schwerer ist als der aus der Buxtehuder Gegend. Man sieht bisweilen ganze Flotten mit schwarzem Torf beladen die Elbe hinaufsegeln, was besonders in den Herbstmonaten der Fall ist, wo die Schiffer in Hamburg schnelle Abnahme finden.

Außer diesen Torfewern sieht man hier häufig die Blankeneser Fischewer, die zum Fischfang in die See gehen oder dorther kommen.

Das nun folgende Land gehört zum Lande Hadeln, welche freundliche Gegend schon im Jahre 788 erwähnt wird, um welche Zeit Karl der Große eine Vergnügungsreise dahin unternahm. Da er aber die üble Angewohnheit hatte in Begleitung von 20.000 Mann zu reisen und den Einwohnern ihre kostbaren Hausgötzen zu zerstören, so traktierten ihn diese wiederum mit ihren Wasserkünsten, indem sie die Schleusen öffneten. Um dieses schöne Schauspiel besser genießen zu können, zog sich Karl indes nach den höher gelegenen Gegenden der Lüneburger Heide zurück, wo er stellenweise schwimmend ankam und sich sehr ungnädig über die Hadeler ausgesprochen haben soll.

Das rechte Elbufer bei Ebbezeit.
Das rechte Elbufer zur Flutzeit.


Auf der rechten Elbseite sieht man nur noch hier und da etwas Land aus der Flut hervorschauen, es ist aber so entfernt, dass man kaum unterscheiden kann, ob es Bäume oder Häuser sind. — Zur Ebbezeit scheinen die Gegenstände in der Luft zu schweben, da sich die nassen Sandflächen nicht vom Himmel unterscheiden und die darauf liegenden Gegenstände sich scharf und klar abspiegeln, was für den Binnenländer ein neuer eigentümlicher Anblick ist. — Manchmal liegt dort drüben eine kleine Flotte von Fischerfahrzeugen vor Anker, von der bei Flutzeit bloß die Masten aus dem Wasser hervorschauen, so dass es aussieht, als wären sie versunken. Um diesen Anblick deutlicher zu machen, füge ich hier zwei Skizzen bei, die durch das Fernrohr gezeichnet sind.

Am Lande machen sich jetzt ein paar spitze Zwillingskirchtürme bemerklich, dies ist Otterndorf, weiter rechts sieht man das Ritzebüttler Schloss, endlich Cuxhaven, den Leuchtturm, die Kugelbacke und noch weiter rechts gar nichts mehr, was man auch Himmel und Wasser oder See nennt.

Man bemerkt hier schon eine bedeutende Veränderung in der Farbe des Wassers, denn obgleich es noch nicht die Seefarbe hat, so wird es doch schon klarer und grünlicher und kann auch nicht mehr zum Trinken gebraucht werden.

Die Elbe kann hier übrigens recht hübsche Wellen schlagen, besonders wenn Nordwestwind ist, und die Seekrankheit macht dem Reisenden oft schon ihren Besuch, ehe er noch die eigentliche See sieht. Bei gutem Wetter kann man aber noch einige Meilen weiterfahren, oft ganz bis Helgoland, ohne einem Seekranken Gesellschaft leisten zu müssen.

Bei dem Landungsplatze, einem hölzernen Bollwerk, „die alte Liebe“ genannt, angekommen, hält das Dampfschiff einige Augenblicke an, um die Passagiere abzusetzen, die nach Cuxhaven wollen, und braust dann weiter bis es den Augen der Nachblickenden hinter dem Wasser verschwindet.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Hamburg nach Helgoland