Sechzehntes Capitel. - Die breite Stiege hinauf geleitete der voranschreitende Diener den jungen Baumeister über den weiten Flur und durch ein Vorgemach nach dem Zimmer der Baronin, ...

Sechzehntes Capitel. Die breite Stiege hinauf geleitete der voranschreitende Diener den jungen Baumeister über den weiten Flur und durch ein Vorgemach nach dem Zimmer der Baronin, dann öffnete er ihm die Thüre desselben, um ihn eintreten zu lassen.

Der Baron stand auf, als er Herbert erblickte, ging ihm freundlich entgegen und sagte, indem er ihm die Hand reichte: Willkommen, lieber junger Mann, und doppelt willkommen, denn ich begrüße in Ihnen den Sohn eines werthen Jugendgefährten und zugleich den Mitarbeiter an einem Werke, dessen Ausführung mir und der Baronin eine Gewissenssache ist. Je eifriger Sie sich daran halten, es seiner Vollendung entgegen zu führen, um so mehr werden die Baronin und ich es Ihnen danken. – Er führte ihn damit Angelika zu, die ihn ebenfalls willkommen hieß; aber ihren Worten und ihren Mienen fehlte der Ausdruck der Freundlichkeit, die der Baron ihm bewiesen hatte, und wie ein erkältender Hauch fuhr ihm der Gedanke durch den Sinn: dieser Frau mißfalle ich!


Wie dies geschehen könne, da er kaum noch ein Wort gesprochen und da er gewohnt war, durch seine Erscheinung sonst ein günstiges Vorurtheil für sich zu erwecken, das begriff er allerdings nicht; indeß er war sicher, sich in seiner Voraussetzung nicht zu irren. Der beobachtende Blick, mit welchem Angelika ihn betrachtete, dünkte ihm mit einem spottenden Zuge um ihre Lippen in Verbindung zu stehen, und obschon er sich es nicht leugnen konnte, daß sie schön sei, fühlte er sich dennoch von ihr eher abgestoßen, als angezogen. Die heitere Zuversicht, mit der er ihr genaht war, ging ihm dadurch verloren; er sagte sich, daß man mit dieser Frau auf seiner Hut sein müsse, und er nahm sich vor, ihrem adeligen Stolze sein unabhängiges bürgerliches Wesen und sein freies Künstlerbewußtsein mit fester Entschiedenheit entgegenzusetzen.

Der Baron fragte ihn nach seinem Vater, erinnerte daran, wie dieser, als er aus Italien zurückgekehrt, hier im Schlosse die Eltern und die Schwester des Freiherrn gemalt und dieselben Zimmer bewohnt habe, welche man Herbert jetzt angewiesen hatte. Er machte ihn dabei auf die erwähnten vortrefflichen Portraits aufmerksam, welche an den Wänden hingen; und da der Sohn Gelegenheit fand, des Vaters Arbeit von Herzen zu bewundern, würde er bei der Zuvorkommenheit, mit welcher der Baron ihn behandelte, sich sehr behaglich gefühlt haben, hätte nur die Baronin aufhören wollen, ihn zu betrachten, oder sich entschließen mögen, an dem Gespräche irgend einen Antheil zu nehmen.

Es war ihm daher wirklich eine Erleichterung, als endlich ein leises Lächeln über ihre Mienen flog und sie, gegen ihren Gatten gewendet, die Frage that, ob Monsieur Herbert geraden Weges von Paris komme.

Der junge Mann, den es schon verdroß, daß die Baronin diese Frage, die ihm auffallen mußte, da er alle seine Briefe an den Baron aus seiner Vaterstadt geschrieben hatte, nicht an ihn selber richtete, übernahm eben deßhalb die Antwort selbst und sagte ihr, daß er schon über Jahr und Tag wieder in der Heimath gewesen sei.

So kleidet man sich also auch bei uns schon nach der neuen Sitte der revolutionären Franzosen! bemerkte sie weiter, und der Ausdruck ihres Mißfallens trat nun deutlich und bestimmt hervor.

Herbert mußte ihn beachten, aber eben, weil er das that, entgegnete er: Die Mode, gnädige Frau Baronin, ist bei uns von den aus Frankreich entflohenen Edelleuten eingeführt worden, welche in dieser bürgerlichen Tracht über die Grenze zu uns gekommen sind. Und wenn sie es dann nachher auch für gut befunden haben, den Haarbeutel und den seidenen Strumpf wieder anzulegen, so sind für uns geringere Leute, für uns, die wir arbeiten müssen, das unfrisirte Haar und der Stiefel weit angemessener, als der Zopf und die Escarpins, die uns sogar zu Sclaven des Friseurs und der Witterung machen.

Er hatte das absichtlich mit ziemlicher Schärfe gesprochen und erwartete daher, eine Antwort zu erhalten, welche möglicher Weise jeden Zusammenhang zwischen ihm und den Herrschaften für immer zerstören konnte. Indeß die Baronin hatte Rücksichtnehmen von Jugend auf gelernt und war stolz genug, bei den Personen, welche sie nicht als Ihresgleichen ansah, nur dasjenige zu hören und zu verstehen, was ihr genehm war. Sie war als echte Aristokratin bisweilen nachsichtig aus Hochmuth und, wo es ihr paßte, trotz ihrer Jugend duldsam aus Berechnung. Da sie nun obenein bemerkte, daß ihr Gatte mit dem Empfange, welchen sie dem Architekten bereitete, unzufrieden war, und da sie selbst es bedauern mochte, einen jungen Mann, auf dessen gute Dienste sie sich Rechnung gemacht hatte, gegen sich aufgebracht zu haben, so lenkte sie nun plötzlich ein und meinte: Sie haben Recht, mein Herr, und ich habe mich geirrt. Verzeihen Sie, daß ich Ihren besonderen Fall nicht bedacht und Ihnen meine Ueberraschung über die neue Mode, die ich zum ersten Male in der Wirklichkeit vor Augen sehe, ausgesprochen habe. Ich leugne es nicht, ich hege gegen diese Kleidung eine gewisse Abneigung, seit man uns neulich aus der Hauptstadt die Bilder der Männer zur Ansicht geschickt hat, welche sich in Paris als Vaterlandsfreuude und als Helden geberden, während sie doch Empörer und Rebellen sind. Zudem lebt eine verehrte Freundin, eine Verwandte von uns, die Frau Herzogin von Duras, in unserem Hause, welche genöthigt gewesen ist, aus ihrem unglücklichen Vaterlande zu entfliehen, und ich stellte mir vor, wie unangenehm der Anblick einer Kleidung sie berühren müsse, die in ihren und auch in meinen Augen, zu einem Symbol der – der Zustände geworden ist, vor denen Gott uns gnädig bewahren wolle.

Sie hatte die letzte Wendung offenbar beschönigend gewählt, denn der Ton ihrer Stimme verrieth, daß sie einen stärkeren und härteren Ausdruck zurückhalte, und weit davon entfernt, eine versöhnliche Wirkung auf Herbert hervorzubringen, erhöhte die Art von herablassender Schonung, die sie ihm angedeihen ließ, nur das Mißfallen, das Angelika ihm einflößte. Er war fest entschlossen, dieser Frau nicht nachzugeben, und er schickte sich eben zu einer, wie es ihm schien, gebührenden Antwort an, als der Freiherr den unangenehmen kleinen Vorfall damit zu beenden versuchte, daß er ihn in das Scherzhafte zog.

Es wird also, sagte er lächelnd, unserem jungen Baumeister, wenn er sich anders Deiner Zustimmung und der Gnade der Frau Herzogin erfreuen will, nichts Anderes übrig bleiben, als ein habit habillé anzulegen, wenn er ein solches mit sich führt, und sich die Dienste meines Kammerdieners gefallen zu lassen.

Wenn die Gunst der Frau Baronin und der Frau Herzogin einzig durch einen solchen Kleidungswechsel zu erlangen ist, so bin ich leider in der übeln Lage, auf diese Gnade verzichten zu müssen, entgegnete der junge Mann gleichfalls im Tone des Scherzes, obschon er sich zu einem solchen nicht aufgelegt fühlte. Mit dem habit habillé, mit dem Puder und dem Zopfe habe ich ein für alle Mal gebrochen.

Die Baronin entschloß sich, diese Erklärung mit anscheinender Heiterkeit hinzunehmen und dem jungen Manne zu wiederholen, daß er für sich und von seinem Standpunkte aus sicherlich das Rechte thue. Aber er mißfiel ihr mehr und mehr, ja, er mißfiel ihr ganz besonders deßhalb, weil sie sich’s eingestehen mußte, daß er ein schöner Mann und in dem Vollbesitze derjenigen Vorzüge sei, welche sie sich gewöhnt hatte, als ein besonderes Erbtheil des Adels zu betrachten. Seine Haltung war vornehm, seine Redeweise besser, als die der meisten ihrer Standesgenossen, welche das Deutsche nur fehlerhaft zu sprechen wußten, und sie hatte im Grunde an ihm nichts auszusetzen, als daß er, der gekommen war, ihrem Hause bezahlte Dienste zu leisten, sich ihr als einen Ebenbürtigen und Freien gegenüber stellte. Und wie Herbert Anfangs sich gesagt hatte: dieser Frau mißfalle ich! so sagte er sich jetzt, daß ihm niemals eine Frau so sehr mißfallen habe, als Angelika.

Es war gut für alle Theile, daß die Herzogin und ihr Bruder sich zu ihnen fanden und der Diener die Meldung machte, daß die Mahlzeit aufgetragen sei. Der Baron stellte Herbert seinen Gästen und dem Caplan vor, der sich inzwischen auch zu ihnen gesellt hatte, und wenn die Herzogin und der Marquis auch nicht sonderlich auf den jungen Baumeister achteten, so lag doch wenigstens nicht die abweisende Kälte in ihrer Begrüßung, mit der Angelika ihn aufgenommen hatte.

Beide, die Herzogin sowohl als der Marquis, waren es durch die Erfahrungen der letzten Jahre gewohnt worden, ihre Haltung nach den Umständen einzurichten, sich in der Fremde, in der sie lebten, mancherlei Annährungen und Ansprüche gefallen zu lassen, und zeitweise, wenn es sein mußte, auf eine Ausschließlichkeit zu verzichten, die sich in ihrer jetzigen Lage nicht wohl behaupten ließ. Dadurch machte sich die Unterhaltung leichter. Der Freiherr hatte obenein die Absicht, zu vergüten, was seine Gattin dem jungen Manne zu Leide gethan; sie selbst fand sich genöthigt, ihm bei Tische die hausfrauliche Zuvorkommenheit zu beweisen, die ihr zur Gewohnheit geworden war, bis Herbert allmählich der Zurückhaltung zu vergessen begann, welche er zu behaupten sich vorgenommen hatte. Der Baron kam absichtlich in Gegenwart der Herzogin noch einmal auf den Vater des Baumeisters zurück, welchen auch der Caplan in hohen Ehren hielt; das schloß dem jungen Manne das Herz auf, und noch während man bei Tafel war, fing man an, von der Angelegenheit zu sprechen, für welche man Herbert hergerufen hatte.

Darauf hatte er aber nur gewartet, denn wo ein Sachverständiger vor Laien von seinem Fache sprechen kann, ist er der Meister und der Herr, ist er dem Vornehmsten ebenbürtig, wenn nicht überlegen; und so erklärte der junge Mann denn ganz unumwunden, daß Alles, was er im Vorüberfahren gesehen, ihn in seiner bereits früher geäußerten Ueberzeugung bestärkt hätte, und daß man einen großen Fehler begehen würde, wenn man die Kirche auf dem Platze erbaute, auf welchem man den Grundstein für die ursprünglich beabsichtigte Capelle eingeweiht habe. Er entwickelte darauf mit einer Klarheit, die jeden Vorurtheilslosen für ihn einnehmen mußte, alle die Uebelstände, mit denen ein Bau in Rothenfeld zu kämpfen haben würde, und stellte dagegen die Vorzüge auf, welche die Verlegung der Kirche nach der Höhe darbieten konnte. Er hielt den Herrschaften die größere Bequemlichkeit für sie selbst, er hielt ihnen auch die harmonische Wirkung vor, welche die Kirche machen mußte, wenn man sie auf dem Hügel jenseit des Parkes aufführte, wo sie dann von der Westseite des Schlosses einen eben so schönen Anblick gewähren konnte, als ihn auf der Ostseite die Burgruine darbot. Er sprach von den bedeutend größeren Ausgaben, welche ein so ungünstiger Boden, wie der in Rothenfeld, erheischen würde, und weil er von der Richtigkeit seiner Angaben zweifellos überzeugt war, meinte er in dem Schweigen der Anderen ein Zeichen dafür zu finden, daß er sie ihres Irrthums überführt und des Besseren belehrt habe.

Aber Herbert verstand und kannte sein Fach doch noch besser, als er die Menschen kannte, obschon er sich vielfach und von früh auf in den verschiedensten Lagen zu bewegen gelernt hatte. Er wußte noch nicht, daß diejenigen, welche von Kindheit auf das Befehlen gewohnt sind, es nicht lieben, sich eines Irrthums überführen zu lassen, und er bedachte nicht, daß es einen Jeden schmerzlich ist, einen Plan, auf dessen Verwirklichung er seinen Sinn lange Zeit hindurch gerichtet hat, plötzlich und für immer aufgeben zu sollen. Er sah, daß der Freiherr ihm Gehör schenkte, er merkte an den Fragen, welche bald dieser, bald der Caplan während seiner Auseinandersetzungen an ihn richteten, daß seine Gründe ihnen einleuchteten und sie bedenklich machten, und er glaubte also auf dem besten Wege zu dem von ihm ins Auge gefaßten Ziele zu sein, als der Baron ihm nachdenklich einräumte, daß die Sache allerdings noch einmal gründlich erwogen werden müsse und daß die frühzeitige Ankunft Herbert’s ihm also doppelt erwünscht sei.

Da nahm Angelika, die bis dahin schweigend zugehört hatte, plötzlich das Wort. Ich weiß nicht, Bester, sagte sie zu dem Baron gewendet, wie in diesem Falle noch von Ueberlegung und Erwägung die Rede sein kann. Mich dünkt, davon dürfe man nur sprechen, wo man noch eine freie Wahl hat und wo es sich um die Befriedigung eines persönlichen Bedürfnisses handelt. Wo man aber ein Gelübde zu erfüllen hat, ist ja eine Erwägung und Abänderung, wie mir scheint unmöglich!

Der Ton, mit welchem sie diese Behauptung aussprach, war so scharf, daß er Herbert auffiel, und sein früheres Mißtrauen gegen sie schnell wieder wach rief. Wie kommt diese junge Frau dazu, dem älteren Gatten in solcher Weise zu entgegnen? fragte er sich unwillkürlich, und sein Erstaunen wuchs, als nicht der Freiherr, sondern der Caplan die Antwort übernahm.

Sie haben sicher Recht, Frau Baronin, sagte der Geistliche mit der vermittelnden Weise, welche aus seiner innersten Natur hervorging, Sie haben Recht, daß allzu ängstliche Erwägung überall die That verhindert und daß man am wenigsten in den Fällen zaghaft sein sollte, wo man ein Großes und Heiliges vollbringen will. Muth und Begeisterung helfen über manche Schwierigkeit hinweg, aber ....

Muth und Begeisterung, fiel der Freiherr ihm in die Rede, als finde er es jetzt, da der Caplan vorangegangen, leichter, seine Meinung auszusprechen, Muth und Begeisterung sind etwas sehr Erhabenes, und es ist eine schöne Eigenschaft der Frauen, daß sie derselben in so hohem Grade fähig sind. Indeß oftmals – und dieses Mal, beste Angelika, befindest Du Dich wohl in solchem Falle – haben die Frauen es leichter als wir, ihren Muth und ihre Begeisterung zu behaupten, weil die Unkenntniß der technischen und materiellen Hindernisse ihnen das Muthigbleiben sehr erleichtert.

Das mag wohl wahr sein, versetzte die Baronin anscheinend gelassen, aber von einem Muthe und einer Begeisterung, welche den Menschen über die Schranken verständiger Erwägung fortreißen könnten, ist ja in unserm Falle, wie mich dünkt, nicht die Rede. Wir haben, ich muß das wiederholen, ein Gelöbniß, eine heilige Pflicht zu erfüllen; das ist eben so unabweislich, und unabweislicher, als sein Wort einzulösen, wenn man es in einer Ehrensache einmal verpfändet hat.

Gewiß, rief der Freiherr, auch handelt es sich nicht um den Bau, sondern nur um den zweckmäßigsten Platz für denselben.

Und der Caplan, welcher eben so wie der Freiherr von Anfang an aus doppelten Gründen gegen den Kirchenbau in Rothenfeld und ganz besonders gegen den Bau auf der Stätte von Paulinen’s Hause gewesen war, ergriff diese Gelegenheit, sich lebhaft zu Gunsten der Bauverlegung auszusprechen. Da der Baron es aber weder jetzt noch früher bekennen mochte, daß es ihm quälend dünke, künftig zum Gottesdienst nach Rothenfeld zu fahren, welches er jetzt geflissentlich vermied, und da der Caplan mit seinen oft wiederholten Ermahnungen, nicht eben dort die Stätte weihen zu lassen, bei der Baronin nie Gehör gefunden hatte, so bewegte die ganze Berathung sich in halben Andeutungen, welche den Architekten die wahre Lage der Sache nicht erkennen und ihn sowohl als die Herzogin und den Marquis doch vermuthen ließen, man müsse hierbei irgend etwas im Sinne haben, was man verbergen wolle. Das machte Herbert ungeduldig, und weil er ohnehin entschlossen war, seine Stellung zu behaupten, so sagte er plötzlich: Es giebt nur Einen Fall, in welchem der Platz in Rothenfeld nicht aufgegeben werden müßte!

Und welcher wäre das? fragte die Baronin.

Wenn sich eben dort dasjenige ereignet hätte, welches die Herrschaften zu dem Gelöbniß des Kirchenbaues bestimmt hat! antwortete er.

Des Freiherrn ganze Züge veränderten sich plötzlich, und die Baronin, deren Gesicht von einer flammenden Röthe überzogen wurde, sagte mit unverkennbarer Selbstüberwindung: Sie haben das Richtige getroffen, mein Herr! und Sie werden es also begreifen, daß hier von bloßen Schönheits- und Zweckmäßigkeits-Rücksichten nicht die Rede sein darf. – Sie hielt danach inne, als müsse sie sich erholen, als habe sie Alles geleistet, was in ihren Kräften gestanden. Die ganze Tischgesellschaft verstummte. Der Freiherr schien in unbegreiflicher Weise verletzt, auch dem Caplan konnte man es ansehen, daß die gewissensstrenge Aeußerung der jungen Herrin ihm wenigstens in diesem Augenblicke nicht angemessen däuchte, und trotz ihrer Weltgewandtheit wagte die Herzogin selbst es nicht, die Unterhaltung mit einem gleichgültigen Worte wieder in Gang zu bringen, weil eben die Gemüthsbewegung der Eheleute gar zu unverkennbar war. Es hatte sie schon oft bedünken wollen, als habe die große Gewalt Angelika’s über den Baron noch andere Gründe, als die Macht, welche ihre Schönheit und ihre übrigen Vorzüge ihr über ihren Gatten natürlich sichern mußten, und klug und herzenskundig begriff die Herzogin, daß sie eben jetzt vor dem Punkte stehe, der ihr in dem Leben ihrer Gastfreunde bisher ein Räthsel geblieben war.

Während sie noch mit sich zu Rathe ging, ob es klüger sei, ihnen in der augenblicklichen Verlegenheit zu Hülfe zu kommen oder nicht, hatte die Baronin ihren Entschluß bereits gefaßt, und sich gegen ihren Gatten wendend, sagte sie, indem sie ihm die Hand reichte und in völlig verändertem Tone zu ihm sprach: Gewiß, Bester, Du wirst mich noch böse machen und es dahin bringen, daß man mich für eigensinnig hält. Aber Du weißt es ja, wie meine ganze Seele an der Erfüllung unseres Gelöbnisses hängt, und wie sehnlich ich danach verlange, mich dereinst im Gebet in unserer Kirche vor dem Allmächtigen zu demüthigen, der auch mich zu finden gewußt hat. Ich werde nicht eher ruhig sein, bis dort die ewige Lampe über dem Altare brennt und die Messen dort gelesen werden. Wie kannst Du Deine Stirn denn verdüstern lassen durch den Hinweis auf eine Mehrausgabe, die nicht unerschwinglich, und auf Schwierigkeiten und Mühen, die nicht unbesiegbar sein können? Und auch Sie, Hochwürden, fügte sie hinzu, wie können Sie mich grade in diesem Falle im Stiche lassen?

Sie hob mit diesen freundlich gesprochenen Worten die Tafel auf. Der Baron, sehr zufrieden, von dem Gespräche loszukommen, begab sich mit dem Marquis in das Billardzimmer und lud Herbert ein, ihnen dahin zu folgen. Indeß diesem war die Lust an der freiherrlichen Gesellschaft vergangen. Er sprach davon, das schöne Wetter benutzen zu wollen, und der Baron schlug ihm darauf vor, einen Ritt durch die Gegend zu machen, was Herbert dankbar annahm.