Elftes Capitel. - Am folgenden Morgen, ganz in der Frühe, begrub man Pauline, fern von den anderen Todten in einer Ecke an der Mauer, auf dem Kirchhofe von Neudorf...

Elftes Capitel. Am folgenden Morgen, ganz in der Frühe, begrub man Pauline, fern von den anderen Todten in einer Ecke an der Mauer, auf dem Kirchhofe von Neudorf. Am Vormittage fuhr der große Reisewagen der gräflich Berka’schen Familie auf den Hof des freiherrlichen Schlosses.

Die Baronin weinte vor Freude, als sie die Eltern wiedersah; aber man fand, daß sie wohl aussehe, daß sie etwas über ihre Jahre Ernstes und eine gebietende Haltung gewonnen habe. Mit großer Genugthuung führte sie ihre Eltern in dem Schlosse, in dem Parke umher, und sie verweilte am Mittage mit ihren Gästen lange auf der Terrasse, damit den Leuten aus dem Dorfe, wenn sie die Eltern ihrer Herrschaft sehen wollten, die Zeit und die Gelegenheit dazu nicht fehle.


Man hatte in dem chinesischen Häuschen am oberen Ende der Terrasse ein Frühstück aufgetragen. Die Diener in ihrer Gala-Livrée standen bereit, es umher zu geben, während die Herrschaften noch auf und nieder gingen. Sie waren schön anzusehen, die vier hohen, stolzen, heiteren Gestalten. Der Graf und der Baron in ihren Sammetröcken, die goldbesetzten dreieckigen Hüte auf den wohlfrisirten Köpfen, die feinen, blanken Gala-Degen an der Seite; die Baronin an dem Arme der Mutter so freundlich plaudernd, die Mutter so voll Zärtlichkeit für ihre Tochter. Die seidenen Schleppkleider schimmerten in so hellen Farben, die kleinen Federhüte saßen so fröhlich auf den hochgetragenen Häuptern. Sie wußten die Fächer so schön zu handhaben, daß die Flittern in der Sonne glänzten. Es sah an ihnen Alles anders aus, als an anderen Leuten, und selbst das kleine Schooßhündchen der Baronin und der dicke Mops der Gräfin gingen hinter den Frauen so bedächtig einher, als wären sie eigens dazu angelernt.

Die Gräfin lobte ihre Tochter, daß sie die Rücksicht für die Leute nehme, ihnen ihre Eltern gleich zu zeigen. Der Graf sagte seinem Schwiegersohne, er müsse seinen Leuten wohl ein guter Herr sein, daß sie so begierig wären, seine Schwiegereltern kennen zu lernen. Es kam allmählich das halbe Dorf zusammen. Die Leute standen unten am Parke, nicht weit vom Flusse. Näher ließ der Gärtner sie nicht heran.

Sollt’s Einer denken, sagte er zum Kämmerer, wie die gnädige Frau hier gestern erst gelegen hat, und was gestern hier passirt ist!

Der Kämmerer zuckte die Schultern. Ihre Schuld war’s nicht, meinte er; und was soll sie machen? Es hängt Keiner gern seinen Schandfleck vor die Thüre.

Das ist schon wahr! rief die Gärtnersfrau; aber daß sie so vergnügt aussehen allesammt, der gnädige Herr sowohl als unsere gnädige Frau, die doch sonst so gut ist! Keine ruhige Stunde könnt’ ich auf der Welt mehr haben, hätt’ ich so etwas auf dem Gewissen!

Es ist ja kein vornehm Fräulein gewesen, sagte der Jäger und lachte spöttisch und bitter; ‘s war ja nur des Jägers Kind! Was macht das solch ‘nem Herrn, und gar der gnädigen Frau! Die wird froh sein, daß sie die Pauline los ist. Ob Unsereiner umkommt oder lebt, wen kümmert das?

Der Gärtner hieß ihn still sein. Der Jäger ging mit einem Fluche davon. Sie sagten, er habe selber ein Auge auf die Pauline gehabt, ehe der Baron sie genommen.

Es kommt Ihnen doch einmal zu Haus und Dach! wandte Einer ein, der des Jägers Freund war.

Verbrennt Euch den Mund nicht! warnte drohend der Gärtner. Seine Frau aber meinte, so reich und so vornehm zu sein und Alles vollauf zu haben, ohne daß man seine Finger rühre, das sei doch das wahre Glück.

Und auch der Graf und seine Frau priesen in ihrem Innern das Loos ihrer Kinder, wennschon es ihnen als ein ganz natürliches erschien. Der Graf dachte, daß er sich nicht getäuscht habe, als er seiner Tochter die Herrschaft in der Ehe vorausgesagt, die Gräfin gestand sich mit Genugthuung, daß die Besorgniß, welche sie für Angelika’s Zukunft bei deren Abreise aus der Heimath gehegt hatte, eine ungegründete gewesen sei. Die Anhänglichkeit, die Zärtlichkeit der Eheleute ließ nichts zu wünschen übrig, der Baron zeigte eine wahre Anbetung für seine Frau. Man sah es ihm allerdings noch an, daß seine Gesundheit gelitten hatte, aber er und Angelika versicherten beide, daß er sich auf dem Wege völliger Genesung befinde, und seine freundliche Zuvorkommenheit, seine sichtliche Zufriedenheit bestätigten die Aussage.

Man machte und empfing viele Besuche, das alte Leben kehrte nach Schloß Richten wieder zurück. Daß die Baronin sich Abends bisweilen früher als die Anderen in ihre Zimmer verfügte, daß sie am Morgen stets eine Stunde mit dem Caplan allein blieb, war dabei nicht auffallend. Eine Herrschaft wie Richten legt ihren Besitzern mancherlei Sorgen und Verpflichtungen auf; das wußten Angelika’s Eltern, und sie freuten sich daran, wie sehr die junge Herrin ihrem Berufe entsprach, wie ruhig und klar sie aussah, wenn sie von der Arbeit kam, wie achtungsvoll und väterlich zugleich der Freund des Hauses, der Caplan, der offenbar ihr Helfer und ihr Beistand war, sich gegen sie bezeigte. Nur Eines machte die Eltern Angelika’s besorgt: es war die Hinneigung zum Katholicismus, welche man an ihr zu bemerken glaubte. Aber man mochte dies nicht gegen sie aussprechen, um nicht in ihr wach zu rufen und zum Bewußtsein zu bringen, was man zu verhindern wünschte, und Graf und Gräfin Berka verließen nach einem vierzehntägigen Besuche ihre Tochter mit dem festen Glauben, daß das Glück derselben ein wohlbegründetes sei und auch ein dauerndes zu bleiben verspreche.

Der Baron begleitete seine Schwiegereltern zu Pferde bis an die Grenze seiner Besitzungen. Es war seit langer Zeit das erste Mal, daß er ein Pferd bestieg. Angelika stand in ihrem Zimmer am Fenster und sah ihnen nach; der Caplan war bei ihr. Als der letzte Wagen um die Ecke gebogen war, wendete sie sich zu dem Geistlichen in das Zimmer zurück.

Das ist vollbracht, sagte sie, nun helfen Sie mir weiter! Sie setzte sich dabei nieder, als wenn sie müde, sehr müde sei.

Gott hat bis hieher geholfen, Gott wird weiter helfen! ermuthigte der Caplan.

Ja, das hat er und das wird er! rief die Baronin. Und ernte ich nicht schon jetzt die Früchte der Selbstüberwindung in der Ruhe, die aus meines Gatten Mienen zu mir spricht? Fühle ich nicht schon jetzt die Befreiung, die mir geworden ist, seit ich Ihnen mein ganzes Herz enthüllte, seit Sie mir klar gemacht haben, auf welchem Leidenspfade Gott mich suchen gekommen ist, und daß er den züchtigt mit seiner strengen Hand, den er einst zu sich zu rufen und zu erlösen gedenkt durch seine Gnade?

Der Caplan hörte ihr ernst und schweigend zu. Es ist ein großes Glück, sagte er endlich, einen Irrenden auf den rechten Pfad zu leiten. Man nennt dies Christenpflicht, und sollte es eine Gnade Gottes heißen, die uns zu Theil wird. Ich danke ihm, daß er sie mir vergönnt hat. Und nun ich Sie, meine Freundin, auf dem Wege sehe, der Sie zu Ihrem Ziele führen wird, nun lassen Sie uns darauf sinnen, wie wir dem Freiherrn zu der völligen Beruhigung verhelfen, deren er benöthigt ist. Seine Phantasie ist immer noch erregt, er bedarf der Ableitung von dem, was ihn gepeinigt hat, er bedarf einer neuen Idee, die ihn beschäftigt. Die Erinnerung an die Unglückliche muß ihm von außen her lebendig vor Augen gehalten werden, um ihre Schrecken für seinen Geist zu verlieren. In seiner inneren Zerrissenheit und Verzagtheit hat er das kleine Haus abbrechen lassen, welches sie einst bewohnte. Das war nicht wohlgethan. Es hätte erhalten, aber einer anderen Bestimmung gewidmet werden müssen. Man hätte dort ....

Eine Capelle gründen sollen, rief die Baronin, und das müßte man noch thun! Dort eine Capelle zu erbauen, das würde dem Sinne des Barons entsprechen, würde seine Thätigkeit in Anspruch nehmen ....

Der Caplan unterbrach sie. Sie vergessen, gnädige Frau, daß die Provinz nicht mehr zu den katholischen gehört, daß wir uns in einer protestantischen Provinz, unter einem protestantischen Volke, in ecclesia pressa, befinden. Die Freiherren von Arten haben sich deßhalb, seit die Reformation die Gotteshäuser unserer Kirche hier in der Provinz zerstörte, stets nur mit einer Capelle in ihrem Schlosse genügen lassen, um keinen Anstoß zu erregen.

Anstoß? fragte Angelika, die jung genug war, alle Hindernisse und Bedenken gering zu schätzen, wo es von ihr auf eine geistige Befriedigung abgesehen war. Haben die Leute doch ihren Gottesdienst, ihre Kirchen nach ihrer Lehre und nach ihrem Glauben. Wer kann uns hindern, Gott anzubeten nach unserer Weise und ihm eine Capelle zu erbauen, in der wir ihm dienen können nach unserer Ueberzeugung?

Wir? fragte der Caplan. Sie sind nicht katholisch, Frau Baronin, und mich will bedünken, als würden ihre Eltern, als würden der Herr Graf und die Frau Gräfin einem Wechsel Ihres Glaubensbekenntnisses nicht ruhigen Herzens zuzusehen vermögen.

Angelika zögerte zu antworten. Dann sagte sie: Was Sie mir einwenden, ist richtig, mein verehrter Freund! Meine Mutter und mein Vater haben Andeutungen gegen mich fallen lassen, die mir, wennschon sehr vorsichtig, ihre Besorgniß in dem Punkte verriethen. Aber die Schicksale der Menschen sind verschieden. Gott hat meiner Eltern Leben so geführt, daß sie nicht Gelegenheit hatten, ihre Unzulänglichkeit und die Schwäche unserer Natur kennen zu lernen. Sie hatten ihm nur zu danken für seine Huld und Gnade, und ich will hoffen, daß er es ihnen so vergönnen werde, bis er sie einst abruft. Mir ist das nicht zu Theil geworden.

Sie machte eine Pause, ihre Lippen zitterten leise von unterdrücktem Schmerze; aber sie überwand sich und fuhr gefaßt und ruhig also zu sprechen fort: Gott hat mich einem von mir sehr geliebten Manne zur Gattin gegeben, dessen Leben nicht frei von Irrthum und von Schuld geblieben, dessen Sinn vom Glauben zum Aberglauben abgeirrt, dessen Gewissen schwer belastet ist, und der fast die Kraft verloren hatte zu der Umkehr, die ihm Genesung seines Herzens bringen soll. Er bedarf meiner, ich muß Eins mit ihm werden auch im Glauben, denn Mann und Weib sollen Eins sein; und schwach und sündhaft, wie wir Irrenden es sind, haben wir nach meiner festesten Ueberzeugung eines sichtbaren Vermittlers, einer sichtbaren Kirche, haben wir der Zeichen und Symbole nöthig, uns täglich daran zu mahnen, was zu thun uns obliegt. Daß Sie, Hochwürden, das tiefste Innere unserer Herzen kennen, Sie, dessen Verschwiegenheit unverbrüchlich ist; Sie, den kein anderes Interesse an uns bindet, als die Liebe, deren Verkünder Sie sind, daß Sie uns rathen, uns zurechtweisen, das ist ein Bedürfniß für uns. Es ist ein Bedürfniß für uns, körperlich und geistig uns zu demüthigen, uns Bußen aufzuerlegen, denn das zerknirschte Herz verlangt seine Strafe, um sich mit dem Bewußtsein, gelitten zu haben, weil es leiden machte, wieder erheben zu können. Und daß ich weiß, durch sichtbare Zeichen weiß und es erfahren habe, wie die edelsten der Frauen unseres Hauses, wie meines Gatten früh verklärte Schwester und die fromme Tante Esther mir im Geiste nahe, wie sie meine Fürbitterinnen und Helferinnen sind bei dem Werke der Bekehrung, das mir an mir selbst und an meinem Gatten zu vollziehen obliegt, das ist mein Trost und meine Hoffnung. Ich ....

In dem Augenblicke hörte man das Pferd des Freiherrn in dem Hofe. Angelika trat an das Fenster, grüßte ihren Gatten freundlich mit der Hand, und sich dann zu dem Geistlichen wendend, sagte sie schneller, als sie vorhin gesprochen: Ich gehöre zu meinem Manne, ich gehöre in dieses Haus. Die Freiherren von Arten sind katholisch und sollen es bleiben durch alle Zeit, denn der Katholicismus bietet uns die göttliche, durch den Priester vermittelte Hülfe in unserer Sündhaftigkeit, in unserem Streben nach Erhebung viel erfaßlicher und tröstlicher, als ich es bisher gekannt habe. Der Mensch hat des sichtbaren Helfers nöthig, um zu seinem unsichtbaren Helfer und Erlöser durchzudringen. In wenig Tagen hoffe ich mein Glaubensbekenntniß in Ihre Hände ablegen zu können und so Gott will, werden mein Mann und ich vereint in nicht ferner Zeit unsere Gebete um Vergebung an derselben Stelle zum Himmel emporschicken, an welcher so Schweres verschuldet und gelitten worden ist.

Das walte Gott! sagte der Caplan. Angelika knieete vor ihm nieder, er segnete sie. Die Saat, die er behutsam und liebevoll aus fester Ueberzeugung ausgestreut, war durch die Gunst der Verhältnisse weit schneller und weit vollständiger zur Reife gekommen, als er es hatte hoffen und erwarten können. Er fühlte sich dadurch erhoben, stark und mächtig. Er genoß den Lohn für die Beschränkung, in welcher er sein Leben zugebracht hatte, er empfand den Segen der einst Geliebten, die er in seinem Herzen als Heilige und als seinen Schutzgeist ehrte, als sein unverlierbares Glück.

Der Baron fand Angelika noch auf ihren Knieen. Bei seinem Eintritte erhob sie sich und warf sich an seine Brust.

Du Theurer! rief sie, ich danke Dir, daß Du meinen Eltern so gute, schöne, herzerquickende Stunden in unserem Hause bereitet hast. Und nun wir Eins sind, nun wir einander ganz und ungetheilt besitzen, nun laß uns vorwärts gehen auf dem Wege, den unser Freund, sie reichte dem Caplan ihre Hand, uns führen wird. Er hat es ausgesprochen: Es giebt nichts, was nicht durch thätige Reue zu sühnen wäre, nichts, wofür die Kirche aus dem reichen Schatze ihrer Gnade nicht die Vergebung spenden könne. Wir wollen sie erringen, erringen mit einander, und ....

Wie verdiene ich Dich? rief der Baron, und schloß sie mit Zärtlichkeit und Freude an sein Herz. Wie verdiene ich Dich?

Sehen Sie den Besitz dieses schönen Herzens, sagte der Caplan mit feierlichem Ernste, als ein Geschenk des Himmels, als ein Pfand der Gnade an, und überlassen Sie sich ihm, damit Sie und Ihr Haus sich im wahren und im neuen Sinne auferbauen.

Das will, das werde ich! betheuerte der Baron, und sein Auge leuchtete heller, sein Kopf hob sich freier und leichter, als es seit langer Zeit geschehen war.

Und nicht nur im Innern wollen wir uns auferbauen, rief Angelika, auch ein äußeres Zeichen unserer inneren Bekehrung, ein Zeichen der Reue, der Buße, der Versöhnung muß errichtet und hingestellt werden für alle Zeit. Daran hängt mein Herz, darauf richten sich meine schönsten Hoffnungen. Versprich mir, daß Du mir gewähren willst, was ich von Dir erbitte.

Sie strahlte in wahrer Begeisterung bei den Worten. Der Freiherr blickte sie mit Bewunderung an. Sage, was Du begehrst, Geliebte! es soll Alles, Alles geschehen! sprach er zärtlich und bestimmt,

Angelika’s Mienen wurden ernsthaft, und ruhiger als vorher sagte sie: Du hast das Haus in Rothenfeld zerstören und niederreißen lassen, als Du noch glaubtest, Dir selbst entfliehen zu können. Nun Du einkehrst in Dich selber, nun wir gemeinsam die Einkehr in das Vaterhaus im Himmel suchen, richte dort in Rothenfeld eine Capelle auf, in der wir uns erinnern mögen, daß der Mensch ein Sünder, und daß Gott dem Sünder gnädig ist. Dort will ich mit Dir knieen, mit Dir beten, und dort wollen wir einst bei einander ruhen, wenn der Herr uns abruft!

Es lag etwas Unwiderstehliches in ihren Worten, in ihrer ganzen Erscheinung, denn Selbstüberwindung und Liebe haben eine verklärende Gewalt. Sie umleuchten den Menschen wie ein Heiligenschein. Der Freiherr war hingerissen von der Seelengröße, von der Liebe seiner Frau, der Caplan selbst war durch sie gerührt. So verschieden die drei Menschen waren, so verschieden sie auch in diesem Augenblicke empfanden, sie fühlten sich eng verbunden in einer gemeinsamen Idee, und grade die Hindernisse und Schwierigkeiten, welche der Gründung einer katholischen Capelle mitten in dem protestantischen Lande im Wege stehen konnten, reizten den Baron zunächst. Es begann mit diesem Plane ein neues Leben für ihn, weil sich ihm mit demselben wenigstens für einige Zeit eine lebhafte und vielseitige Thätigkeit darbot.

Die Bedenken der Behörden, die bittenden Einwendungen seines protestantischen Pastors regten seine angeborne Herrschsucht auf, und es galt endlich, vor Allem dem Zorne und der Betrübniß seiner Schwiegereltern zu widerstehen, die von einem Religionswechsel ihrer Tochter nicht reden hören wollten. Aber alle diese Hindernisse führten Mann und Frau nur näher zu einander und steigerten den Eifer der Neubekehrten. Angelika war eine starke enthusiastische Natur. Sie wuchs mit jedem Tage mächtiger zur Selbstbestimmung heran, sie stand bald neben ihrem Gatten, als wäre sie ihm gleich an Jahren und Erfahrung, und ihr fester Sinn fing an, ihn zu beherrschen, ohne daß er es gewahrte, ohne daß sie sich dessen klar bewußt war.

In Thätigkeit, in Liebe, in religiösen Uebungen kam der Herbst heran, und mit ihm der Jahrestag ihrer Hochzeit, der von dem Freiherrn und von Angelika zu einer dreifachen Feier ausersehen war.

Der Baron hatte die Wochen vor demselben theils in der Hauptstadt, theils in der Kreisstadt der angrenzenden katholischen Provinz, in welcher der Fürstbischof residirte, zugebracht. Er kehrte mit der frohen Nachricht heim, daß der Bau der Capelle zugestanden sei und daß der Fürstbischof selbst sich habe bereit finden lassen, der Weihung des Platzes und der Grundsteinlegung beizuwohnen. Weil man es wußte, wie wenig die Gutsleute dem Capellenbaue geneigt waren, hatte der Freiherr für die Einsenkung des Grundsteins einen Maurer mit seinen Gehülfen aus der Stadt nach Richten beordert.

Der Freiherr hatte viel zu melden von seinen Mühen und Erlebnissen, der Caplan wies mit Freude die Documente vor, welche man in das Fundament der Capelle zu versenken beabsichtigte. Es waren die Geschlechtstafeln der Herren von Arten und eine Chronik über das Geschlecht, die er während des Sommers ausgearbeitet hatte. Man beschäftigte sich lange damit, Angelika war von ganzer Seele dabei.

Und hast Du mir nichts Neues mitzutheilen? fragte er endlich die Baronin, nachdem die Männer ihre Angelegenheiten durchgesprochen hatten.

Nichts als diesen Brief und die Versicherung, daß ich ruhig bin in meinem Gewissen wie in meinem Herzen.

Sie reichte ihm den Brief; er war von dem Grafen, ihrem Vater, und von ihrer Mutter geschrieben. Die Mutter beschwor die Tochter noch einmal mit den dringendsten Bitten und Vorstellungen, nicht abzufallen von dem rechten Glauben. Was die Mutterliebe Zärtliches, was die religiöse Ueberzeugung Eifriges und Flehendes einem Kinde sagen konnten, war in dem Briefe enthalten. Der Graf hatte nichts als seinen Zorn. Er drohte der Tochter mit völliger Verstoßung, er erklärte, ihr soweit als möglich ihr Erbe entziehen zu wollen, wenn sie sich beikommen lasse, sich von dem protestantischen Bekenntnisse abzuwenden. Er wolle seine Enkel nicht als Pfaffenknechte sehen, schrieb er; er habe das Vermögen seines Hauses davor zu wahren, daß es durch sie nicht etwa einmal ein Raub der ultramontanen Kirche werde. Er sei ein Protestant, er könne nur eine Protestantin seine Tochter nennen, die Katholikin sei sein Kind nicht mehr.

Der Freiherr las das Schreiben und blickte Angelika voll Besorgniß an. Er wußte, mit welcher Liebe sie an ihren Eltern gehangen hatte, und war also bekümmert um den Eindruck, welchen das Schreiben auf sie gemacht haben würde. Aber sie ließ seiner Sorge keinen Raum.

Sei ohne Furcht für mich, sagte sie. Es steht geschrieben, das Weib soll Vater und Mutter verlassen und dem Manne folgen. Meine Eltern haben mich Dir gegeben, daß ich Dir folge in Deine irdische, vergängliche Heimath, wie sollte ich anstehen, Dir in die wahre, ewige Heimath zu folgen? Und habe ich nicht Vater, nicht Mutter mehr auf dieser Welt – ihre Stimme zitterte, in ihren Augen perlten Thränen –, so habe ich Dich und habe unsern Heiland, und werde, so Gott will, auch bald das Kind haben, es zu ihm hinzuführen. Ich bin nicht allein, nicht verzagt; ich bin glücklicher, als ich je zu werden glauben konnte.