46. Das Brunnenbecken zu St. Ulrich.

Der heilige Ulrich hatte sein kleines Kloster im Möhlingrunde ausgebaut und wünschte nun noch einen steinernen Trog zu dem Brunnen. In dem Grunde selbst konnte er keinen tauglichen Stein auffinden, und anders woher, wegen der Enge des Thalwegs, keinen kommen lassen. Da schlief er eines Abends im Freien ein und erblickte im Traum auf dem Meeresgrund einen runden Sandsteinblock, der zu einer Brunnenschale wie gemacht schien. Als er erwachte, war es Morgen, es kam ein Jäger, sprach mit ihm und erbot sich, nachdem er des Heiligen Traum und sein Verlangen nach dem Steinblock erfahren, diesen noch vor Abend herbeizuschaffen, wenn Ulrich ihm dafür seine Seele verschriebe. Da wußte der letztere, mit wem er es zu thun habe und sagte: „Um neun Uhr will ich Messe lesen und, wenn du den Stein vor der Wandlung zum Kloster schaffst, nach meinem Tode dein eigen sein; bringst du ihn aber erst nach der Wandlung, so gehört er mir, und ich nicht dir.“1) Mit diesem Vorschlag war der Teufel zufrieden und eilte von dannen. Zur festgesetzten Zeit las der Heilige die Messe, worin er Gott um Beistand gegen den Bösen bat. Unterdessen schwebte dieser mit dem Block auf dem Kopfe heran; aber in der Ferne tönte ihm schon das erste Läuten zur Wandlung entgegen, und bei seiner Ankunft auf dem Berg Geiersnest erklang das zweite. Da warf er voll Grimm den Stein in das Thal hinab und fuhr brüllend davon. Mit Freuden sah Ulrich, als er aus der Kirche kam, den Block beim Kloster liegen und ließ aus ihm von seinen Mönchen das kunstreiche Becken mit den Heiligenbildern machen, in welches noch jetzt der Brunnen sich ergießt.





1 Es ist auffallend, daß das katholische Volk einen Heiligen solch sündhaften Vertrag abschließen läßt.