11. Geist zur Ruhe gebracht.

Zu Wellendingen war ein lediger Schuhflicker bei seinem Bruder gestorben, welcher für blutarm gegolten hatte. In der Nacht nach seiner Beerdigung erschien er seiner Schwägerin und sprach zu ihr: „Ich habe mir bei meinen Lebzeiten ein paar hundert Gulden in Gold erspart, die ich in einem angebundenen Beutel auf der bloßen Brust zu tragen pflegte; dieses Geld, von dem niemand wußte, ist mit mir begraben worden, und ich habe nun keine Ruhe, bis es von euch geholt wird.“ Am Morgen erzählte die Frau ihrem Manne die Erscheinung, der dieselbe anfänglich für einen Traum hielt, aber, als sie in der folgenden Nacht sich wiederholt hatte, den Pfarrer darüber um Rath fragte. Dieser hieß ihn und die Frau in der nächsten Nacht wach bleiben und, wenn der Geist nochmals komme, dessen Begehren erfüllen. Um Mitternacht, als der Mann und die Frau hell wachten, erschien der Schuhflicker wieder und erneuerte seine Bitte; aber nur von der Frau konnte er gesehen und gehört werden. Da ging der Mann in der andern Nacht mit einem Bekannten auf den Kirchhof, öffnete Grab und Sarg, und fand auf der Brust des Leichnams den Beutel mit dem Gelde. Denselben nahm er zu sich, machte Sarg und Grab wieder zu und brachte so seinen Bruder zur Ruhe.