Wotjäken. Tscheremissen. Tschuwaschen. Mordwinen. Wojulen. Ostjaken.

Sie gehören dem Finnischen Stamme an. Die Wotjäken bewohnen das Land an der Wiatka und zwischen derselben und der oberen Kama, die Mehrzahl im Glasowschen Kreise, dann im Sarapulschen , Malmyschen, Jelabugschen und im Slobodskischen. Ursprünglich befanden sich ihre Wohnsitze an den Ufern der Oka, allein sie flüchteten, nach der Eroberung durch die Küssen, in die Wiätka’schen Wälder. — Die Tschere missen findet man vorzüglich im Urschumschen, Jaranskischen, Malmyschen, Jelabugschen, Sarapulschen und Kotelnitschen Kreise in dem Gouvernement Nishne-Nowgorod, Kasan und Orenburg. Die Wotjäken sind von grösserem Körperbau als die Tscheremissen. Ihr Haar ist immer mehr oder weniger rötlich (Dr. Sengbusch nennt sie nur blond) und nur als Ausnahme findet man schwarzes und braunes Haar, wo dann der Bart rot ist. Ihr Kopf hat eine mehr runde oder dreieckige Form, die Augen sind hellgrau oder hellblau, die Hase stumpf, die Stirn niedrig, die Jochbeine hervortretend, die Augenlid spalte klein und schmal, der Mund groß. Sie sind mager und in ihren Bewegungen liegt Trägheit und Unbeholfenheit; übrigens sind sie friedliebend, sanft, gerecht und einträchtig, wie sich überhaupt im ganzen Leben dieses Volkszweiges die Spuren der Unterjochung von Seiten der Nowgoroder und Tataren deutlich dartun. Der Teufel spielt bei allem häuslichen Unglück die Hauptrolle. Die Nachbarschaft der Tscheremissen und Tataren und der beständige Verkehr mit den Küssen haben in der Bevölkerung der Dörfer, welche an der Straße nach Sibirien liegen, fast alles Eigentümliche verwischt; dagegen sind die Wotjäken im Kreise Sarapul, besonders die von Scharkan noch immer Musterbilder dieses einst zahlreichen Volkszweiges. Die Hautfarbe im Gesicht und am Halse ist rotbraun und diese Teile auch mit Sommersprossen bedeckt. Im Allgemeinen sind sie übrigens lebendiger und nicht so halsstarrig als die Tscheremissen, lieben aber den Branntwein und sind karg. Die Frauen sind klein, hässlicher und schmutziger als die Männer. Die Tscheremissen sind klein von Wuchs und haben ein schwächliches Ansehen und ihre ganze Haltung drückt Furchtsamkeit aus. Die Gesichtsfarbe ist weißer, das Gesicht selbst breit. Sie sind halsstarrig, diebisch und feige. Die Ähnlichkeit mit dem Estnischen Stamme fällt in die Augen. Der noch tiefere Kulturzustand dürfte wesentlich seinen Grund in der späteren Verbreitung des Christentums haben. Trotz der Taufe lebt noch der alte Aberglaube mit seinen Anhängseln in ihnen fort, ganz so wie bei den Ostjaken und Wogulen im Ural und den Tschuden an der Wolga. Sie beschäftigen sich mit Ackerbau, Vieh- und Bienenzucht, scheuen aber jede Neuerung oder Veränderung. Die Dörfer der Wotjäken sind, was Lage und Bauart der Wohnungen anlangt, unregelmäßig und unzweckmäßig. Meist findet man sie an träge fließenden Bächen und in niedrigen sumpfigen Gegenden. Die Wohnungen sind eng und unrein. Die Winterwohnung ist der Russischen ohne Schornstein ähnlich; nur findet man beim Wotjäken meist ein Fenster und Zugöffnungen, welche mittelst Schieber verschlossen werden können. Die Öfen sind den tatarischen ähnlich mit einem Feuerherd, aber ohne Schornstein; dieser wird durch hölzerne Röhren im Dach und einen unter demselben in der Seitenwand befindlichen Ausschnitt ersetzt; allein dadurch füllt sich, während das Feuer brennt, die Hütte mit Rauch. Ein Verschlag in der Nähe des Ofens ist wie bei den Russen. In der Ecke neben der Türe ist eine Bank angebracht, die als Schlafstelle dient; sie wird deshalb auch mit Filzdecken und Kissen belegt. Der Fußboden ist unrein, er wird niemals gewaschen; man begnügt sich mit Abschaben desselben, was man auch mit den von Rauch geschwärzten Wänden vornimmt. Im vorderen Winkel steht ein Tisch mit Brot in ein schmutziges Tuch gehüllt und mit einer hölzernen Kanne, welche mit Sjukas (Dünnbier) gefüllt ist. Im Winter schlafen die Bewohner auf dem Fußboden, auf den den Wänden entlang befindlichen Bänken und auf dem Ofen und zwar in Gemeinschaft mit Schafen, Ziegen, Kälbern und Federvieh. Quer durch die Hütte geht das Vorhaus, an dessen Ende sich eine Abteilung für verschiedenes Hausgerät befindet. Die Sommerwohnungen (Schalaschen) sind ebenso ohne Schornstein. Auf dem Herd derselben wird fortwährend 1 euer unterhalten und sie dienen überhaupt als Küche.

Ihre Kleidung ist die des Russischen Bauers. Die Hauptnahrung besteht in ungesäuertem, schlecht ausgebackenen Roggenbrote, Rettig, saurer Milch, Gänsefleischpulver und Eichhörnchen. Zum Getränke dient Sjukas und an Feiertagen Bier und Branntwein.


Zu den vorzüglichsten Krankheiten, die teils das Klima, teils die Lebensweise veranlasst, gehören: chronische Augenleiden in ganz ungemeiner Ausdehnung; Scropheln, Syphilis, Anschoppungen in den Unterleibsorganen , Bandwurm , Hydrops, Entzündungen edler Organe, Säuferwahnsinn und Typhus. Die Niederkunft wird meist in der Badestube abgemacht. Ungemein häufig kommen bei Kindern Konvulsionen vor, wodurch viele hinsterben. Eines Teils die unzweckmäßige Ernährung der Kinder mittelst Saughorn und Milchtrank , so wie auch das frühzeitige Füttern mit gekautem Schwarzbrot, andern Teils, dass man gegen Durchfälle unzweckmäßige Mittel z. B. den Aufguss von Prunus padus mit Rotwein anwendet, sind hier anzuklagen, jedoch auch ebenso der Genuss von vielen nicht immer reifen Beeren, Pilzen, Unreinlichkeit in Wäsche und Kleidern und Erkältungen durch das Dampfbad veranlasst.

Die Tschuwaschen findet man an beiden Seiten der Wolga im Nishne-Nowgorodschen, im Kasanschen, Simbirskischen und im Orenburger Gouvernement. Aus Nomaden wurden auch sie Ackerbauer. Die Simbirskischen sind die ärmsten, daher auch roher. Ihre Größe ist verschieden, sie sind aber in der Regel mager. Lebensweise, Kleidung sowie ihr früherer Götzendienst sind nicht verschieden von denen der Tscheremissen. Sie sind zwar alle getauft, allein doch klebt noch viel vom alten Aberglauben an ihnen. Sie verehren unter andern einen besonderen Gott der Gesundheit „Irich.“ Seine aus Zinn gegossenen mehr als zollgroßen Bilder, mit Füssen, Händen und Augen, haben Ähnlichkeit mit kleinen finnischen Idolen. Man hängt sie in kleinen Behältern an einen Zweig einer Eberesche, der jedes Neujahr gewechselt wird. Als Opfergabe bringt man Irich dem säuerlichen Mehlbrei und Pfannkuchen dar. Seine Hilfe wird besonders bei Augen-, Ohren- und Zahnschmerzen und bei Hautausschlägen angerufen. Hat der Tschuwasche aus einem Brunnen getrunken und fühlt er sich dann unwohl, so nimmt er Geld, Brod, Eier und wirft sie in das Wasser, um so den vermeintlich beleidigten Geist zu versöhnen und vom Unwohlsein befreit zu werden. Die Frauen kommen in der Regel leicht nieder und verrichten gleich nach der Niederkunft die gewöhnlichen häuslichen Arbeiten.

Die Mordwinen leben in denselben Gouvernements an der Wolga und Oka. Sie unterscheiden sich nur wenig von den Russen und zerfallen in zwei Zweige: in Mokschaner und Ersaner. Sie besitzen eine blühendere Gesichtsfarbe und kräftigeren Körperbau als die übrigen Finnischen Stämme. Noch immer zeigen sie Abscheu gegen das Schlachten von Tieren. Es dürfte dieses ein Nachklang des mongolischen Einflusses sein , unter deren Herrschaft sie lange blieben. Obgleich sie getauft sind, so waltet doch noch Viel unter ihnen vom alten Aberglauben, ebenso findet man auch bei ihnen einige alte Gewohnheiten beibehalten.

Die Wojulen findet man jetzt im östlichen Ural. Sie bilden geschiedene Nomadenfamilien. Viel des alten Götzendienstes hat sich erhalten und ihre Hauptbeschäftigung ist die Jagd in den Wäldern. Die, welche an die Ostjaken grenzen, sind von dunkler Hautfarbe, haben schwarzes, seltener lichtes Haar mit rötlichem Bart, der überhaupt bei ihnen sparsam ist. In der Gesichtsbildung spricht sich der mongolische Typus aus. Das Gesicht ist rund, die Backenknochen hervorstehend, der Ausdruck ist trotzig, jedoch sind die Züge bei Frauen hübscher. Sie verändern ihre Wohnplätze nur um das Wild zu schonen und man findet nur 5 Jurten beisammen, während die einzelnen Wohnstellen in weiter Entfernung (bis 15 Werst) von einander liegen. Die Bauart der Jurten ist die der Ostjaken. Das Rentier dient ihnen als gezähmtes Haus und Zugtier. Ihre Hauptbeschäftigung ist die Jagd und um dieser obzuliegen wiederholen sie jährlich weite Wanderungen nach Osten. Im Sommer ruhen sie und zehren von der im Winter gemachten Beute. Obgleich die Ausbreitung der Russischen Kirche unter ihnen fortschreitet, so ist doch in ihnen der alte Aberglaube lebendig geblieben. Die Nichtgetauften bekennen sich zum Schamanentum. Der Verstorbene wird mit seinem Bettgerät und Schmuck begraben.

Der Wojule in den Wäldern kennt nur Fleisch, Zedernnüsse und wilde Beeren, genießt Alles ohne Salz und hauset in morastig-kalten Gegenden, ohne Kenntnis der heilsamen Kräuter, gelangt jedoch, obgleich im Allgemeinen gesund, zu keinem hohen Alter.

Ostjaken. Man findet sie zahlreich im Tobolskischen Gouvernement bis zum Ob-Busen, nach Norden bis zu den Flüssen Djemjanka und Wasjugan, in Süden am oberen und untern Ob und am Irtysch. Am untern Ob und am Irtysch grenzen sie in Westen an die Wogulen, in Süden an die Tataren; am oberen Ob berühren sie im Korden, Süden und Osten die Samojeden. Überhaupt finden wir sie in der westlichen Hälfte Nordwest-Sibiriens mit Wogulen. Die Grenzen sind im Westen der Ural, im Osten der Irtysch und der untere Ob. Außerdem leben Verzweigungen in der Barabinzensteppe nördlich an den Flüssen Djemjanka und Wasjugan, längs des ganzen Laufs des Ob unterhalb des Tym, an allen Nebenflüssen, welche unterhalb des letzteren in den Ob fallen und am Fluss Kadyn. Am Irtysch haben die Ostjaken, von Russen und Tataren umgeben, ihre Eigentümlichkeit fast bis auf die Sprache verloren, sind aber allen übrigen Ostjaken-Zweigen in Hinsicht des Kulturfortschritts überlegen; dagegen ist sie bei dem überwiegenden Russischen Einfluss doch auf einer tieferen Stufe als die des Russen stehen geblieben. Er baut seine Jurte nach Russischem Muster, allein sie ist nicht nur unvollkommener, sondern auch voller Schmutz und Ungeziefer. Sie haben angefangen Viehzucht und im Süden sogar Ackerbau zu betreiben. Auch heim Fischfang ist ihnen der Russe, was Betriebsamkeit und Geschick anlangt, überlegen. Die Jagd wird nur nebenbei betrieben. Die Jurte hat rings an den Wänden Bänke, die auf jeder Seite mit einem breiten Gestell, als Schlafstellen, enden. Der Ofen ist der Russische mit Rauchrohre, verbunden mit einem kleineren für die Bereitung der Speisen. Es befindet sich an demselben oben ein Loch für den Kessel, der immer mit Speisen (Fleischbrühe, Fleischsuppe, Milchbrei etc.) gefüllt ist. Die Jurte hat Fenster mit Scheiben, die die Winkel, wo die Götzenbilder aufgestellt sind, umschließen.

Die Frauen fertigen aus der Brennnessel vorzügliches Zeug zu Hemden. Sie lieben Stickerei und Schmuck, werden aber leider von Seiten des Mannes als Lasttier betrachtet und unterliegen der rohen Behandlung, die eine solche Stellung nach sich zieht.

Am Irtysch ist die Kulturstufe die höhere, am Ob die niedrigere; die ersteren sind getauft, die letzteren größten Teils nicht und versunken in alten Götzendienst und Aberglauben.

Der Ostjake ist von kleiner, verkümmerter Statur mit breiten Schultern, dünnen Beinen, hervorstehenden Backenknochen, tiefgewölbten Augenhöhlen, schwarzem struppigem Haar und schwerfälliger ungelenker Haltung. Im Charakter liegt List und Verschlossenheit , und findet man ihn auch einfach , dienstfertig, wohlwollend, ehrlich, redlich bei gemütlichem Humor, so zeigt er sich doch auch mürrisch, hartnäckig, faul und geneigt zum Trunk.

In den jüngeren Jahren und im rüstigen Mannesalter sind die Ostjaken meist gesund; dagegen werden sie im Alter, bei Schwäche, leicht scorbutisch, leiden an Unterleibskrankheiten und Gicht und werden dann, zumal wenn sie ihren Beschäftigungen nicht weiter obliegen können, durch diese leicht dem Tode zugeführt.

Die verderblichste Krankheit für sie waren die natürlichen Blattern. Die Syphilis ist bei ihnen nicht selten, doch soll sie nicht ansteckend sein, selbst wenn sie in hohem Grade besteht und keinerlei Vorsicht im Umgang beobachtet wird. Ihre Volksmedizin besteht bei Rheumatismen, Geschwülsten und Entzündungen in Schröpfen und Moxen. Gegen Verstopfung gebrauchen sie Tran. Getrocknete Bärengalle dient ihnen bei Unterleibsbeschwerden, Kinderkrankheiten und selbst in der Syphilis. Auch bedienen sie sich der Brechnuss in gefährlichen Krankheiten.