Volksmedizin und Volksmittel verschiedener Völkerstämme Russlands

Vorwort.

Der Titel der folgenden Blätter sagt zwar deutlich, dass sie den vorliegenden Gegenstand nur in Skizzen behandeln, allein dennoch will ich für den Beurteiler wiederholen, dass das Gelieferte nur als teilweise Darlegung zu betrachten ist. Mag das dargelegte Material von einer geschickteren Hand, der mehr Zeit und Mittel anheimgefallen sind, zum gerundeten vollendeten Ganzen ausgebaut werden; für mich wird es vollkommen genügen, wenn ich ihr dieses dann erleichtert haben sollte.

Meine ursprüngliche Absicht, in historischer Entwicklung das Keimen und allmähliche Heranwachsen der Volksmedizin hei den verschiedenen Volksstämmen Russlands in allgemeinen und speziellen Umrissen, nach Abstammung, Wohnort, Klima, Lebensweise und Kulturstufe und den dadurch mehr oder weniger bedingten Krankheitszuständen und den sich natürlich darbietenden Hilfsmitteln gegen dieselben, darzulegen, stieß auf zu vielfache Hindernisse, namentlich fehlte mir die Zeit zur Erforschung der dazu unerlässlichen Quellen.

Die mir zur Hand gewesenen Schriften will ich hier anreihen, da sie in der Abhandlung nicht angeführt sind, damit man mich nicht eines böswilligen Stillschweigens anklagen kann. — *P. Gnedisch. Von einigen Arzneimitteln der Russischen Völkerschaften etc. Leipzig, 1778. *H. v. Martins. Russische Volksmittel: Dresdner Zeitschrift Bd. 5. 1827. Archiv des Apothekervereins Bd. III. (24.) *C. Mayer. Volksmittel gegen Wasserscheu: Hufelands Journal Bd. 67. 1828. Abhandl. St. Petersburg Ärzte Sammlung 2. B. Romodanowski, De usu et praestantia remediorum domesticorum. Mosq. 1821. * J. F. Erdmann. Dresdner Zeitschrift f. Nat. und Heilkunde Bd. 1. H. 1. 2. * J. F. Erdmann. Anzeige eines im Innernen Russlands gebräuchlichen Volksmittels: Allgemeine mediz. Annalen. Oktober 1820. W. M. Richter. Geschichte der Medizin Russlands Th. 1. S. 98 f. Russische Samml. für Natur und Heilkunde Bd. 1 und 2. Medizinische Zeitung Russlands 1844 — 1857. R. Krebel. Volksarzneimittel Russlands a. O. 1844. Nr. 5. 1845. Nr. 2 bis 8. 10. 1846. Nr. 10. 1851. Nr. 41. Tilesius. Brandes und Wackenroders Arch. f. Pharm. Bd. 23. C. E. Baer. D. i. medica et morbis inter Esthenos endemicis. Dorpati, 1814. C. E. v. Baer und G. v. Helmersen. Beiträge z. Kenntn. des Russischen Reiches und der angrenzenden Länder Asiens. 19 Bde. St. Petersburg 1848 bis 1856. H. Haurowiz. Topographischmedic. Beobachtungen über den südl. Teil des Saratowschen Gouvernements. St. Petersburg 1836. S. 187. 224. J. W. L. von Luce. Heilmittel der Esten auf der Insel Oesel. Pernan, 1829. J. W. Boeder. Der Esten Aberglauben, Gebräuche, Weisen und Gewohnheiten. Mit Bemerkungen von F. R. Kreutzwald. St. Petersburg 1854. J. P. Falks Beiträge zur Kenntnis des Russischen Reichs. 3 Bde. St. Petersburg 1785. 1786. J. A. Güldenstädt. Reise durch Russland. Von P. S. Pallas. 2 Bde. St. Petersburg 1787. 1791. P. S. Pallas. Reise etc. 3 Bde. St. Petersburg 1773 bis 1801. P. S. Pallas. Sammlung historischen Nachrichten über die Mongolischen Völkerschaften. 2 Th. St. Petersburg 1776.1801. J. G. Georgi. Bemerk, auf einer Reise im Russ. Reiche. 2 Bde. St. Petersburg 1775. *S. Nilsson. Skandinaviska Nordens Urinvanere ett försök i comparativa Ethnographien. Christianstad, 1838. E. Eichwald. Reise auf dem Caspischen Meere und in den Kaukasus, in den Jahren 1825, 1826. 1 Bd. Stuttg. 1837. F. v. Wrangel. Reise längs der Nordküste von Sibirien und auf dem Eismeer, in d. J. 1820 bis 1824. Bearbeitet von G. Engelhardt. Herausgegeben nebst Vorwort von C. Ritter. 2 Th. Berlin, 1839. Alexander Castren. Reiseerinnerungen aus d. J. 1838 bis 1844. Herausgegeben von A. Schiefner. Mit 4 lith. Samojedenportraits. St. Petersburg, 1853. Al. Castren. Reiseberichte und Briefe. Aus d. J. 1845 bis 1849. Herausgegeben von A. Schiefner. Mit 3 lith. Tafeln. St. Petersburg 1856. A. G. Schrenk. Reise durch die Tundern der Samojeden Th. 1. Leop. Schrenk. Mitteilungen vom Amur. — Bullet, phys. math. de l’aead. de St. Petersburg T. XIV. Nr. 1 bis 3. 12 bis 14. T. XV. Nr. 16. C. v. Dittmar. Über die Koräken und Tschuktschen. Bullet, bist, philolog. et polit. de l’acad. de St. P. T. XIII. A. Er man. Archiv f. wissensch. Kunde v. Russland 15 Bde. Berlin, 1841 bis 1856. F. Goebel. Reise in die Steppen d. südl. Russland Th. 2. S. 325 f. Ed. Blaschke. Topographia medica portus Novi-Archangelcensis. Petropoli, 1842. H. S. J. Holmberg. Ethnographische Skizzen über die Volker des Russischen Amerikas 1 Abt. Mit 1 Karte. Helsingfors, 1854. (Aus den Akten der Finnländischen Sozietät der Wissenschaften.)

Bei der ethnographischen Abteilung habe ich mich bemüht, die noch vorhandenen Eigentümlichkeiten der verschiedenen Völkerstämme hervorzuheben, denn durch die Beziehung, worin dieselben zur Volksmedizin und deren Mitteln stehen, gewinnt man so leichter das eigentliche Verständnis der letzteren.

Bei dem angebahnten regeren Verkehr mit vielen, früher mehr abgeschlossenen Stämmen, bei den notwendig darnach folgenden fremden Eindrücken auf alle Lebensverhältnisse und den daraus hervorwachsenden Kulturelementen, liegt die Vermutung nicht fern, dass die Eigentümlichkeit vieler Volksstämme und Zweige, bei fortschreitender Kultur, teils gänzlich erlöschen, teils aber auch durch die fremden Impulse so umgewandelt und verwischt werden wird, dass dann in späterer Zeit die einzelnen nachbleibenden Spuren schwer zu einem klar verständlichen Ganzen zu einigen sein dürften. Dieses hat man aber bei den meisten Stämmen um so mehr vorauszusetzen, als sie nach allen Richtungen hin nicht die Mittel zu einer selbständigen Kulturfortbildung besitzen, sondern von den fremden Einflüssen vollkommen absorbiert werden müssen.

Immer ist die nähere Kenntnis der Volksmedizin mit ihren verschiedenen Hilfsmitteln schon dadurch von hohem Interesse, als sie uns zeigt, wie sie sich überall aus der Notwendigkeit, nach dem geistigen Anschauungs- und Erkenntnisvermögen des Volks und nach dem von der Naturumgebung Dargebotenen herausgebildet hat, wie die Grundtypen überall ein und dieselben waren und nur durch obige Faktoren ihre verschiedene Abstufung und Färbung erhielten.

Bei der Aufzählung der einzelnen Mittel für verschiedene Krankheiten ist durch die Zusammenstellung der verschiedenen Volksstämme mit den unter ihnen gebräuchlichen Mitteln bei ein und demselben Krankheitszustand die Übersicht und Beurteilung erleichtert; auch werden auf diese Weise Wiederholungen vermieden. In der ethnographischen Abteilung ist auf die am häufigsten vorkommenden Krankheiten hingewiesen.

Da ein weiteres Eingehen bei den meisten der einzelnen Mittel ohne Nutzen sein würde, so habe ich mich bei der Aufzählung derselben der Kürze befleißigt. Wollte man übrigens auch bei jedem einzelnen den Nachweis über die erste ursprüngliche Anwendung und wie sie später weiter ausgebeutet wurde, führen, so dürfte sich dieses als kaum möglich herausstellen. Bei einzelnen wichtigeren ist dieses übrigens geschehen.

Alles was in Bezug auf Volksmedizin in Aberglauben und Wahn wurzelt, ist fast ausschließlich in der ethnographischen Abteilung besprochen worden.

Von den angezeigten Schriften sind mir die mit einem bezeichneten nicht zur Hand gewesen, ich habe sie aber als zur Literatur des Gegenstandes gehörig mit aufgezählt.

St. Petersburg.
D. V.