Die Österreicher

Die Österreicher

In Wien war die Zahl der öffentlichen Mädchen ungeheuer, und wenige Frauen waren mit einem Manne zufrieden. Fast alle Bürger hielten Trinkstuben, wo sie Saufbrüder und liederliche Dirnen hinliefen. Die Edelleute machten häufige Besuche bei schönen Bürgerfrauen, wurden von den Männern gut bewirtet, und dann mit der Frau allein gelassen. Gefiel irgend einem Bürger dieser Umgang mit seinen Frauen und Töchtern nicht, so wurde er mit Gift oder auf eine andere Art aus dem Wege geräumt.


Wenn die Gerichtsverfassung und die Polizei in den städtischen Republiken besser war als in den fürstlichen Städten, so waren doch die Sitten der Reichsstädter eben so ausgelassen, als die der fürstlichen Untertanen. In allen großen Reichsstädten des südlichen und nördlichen Deutschlands waren bis in die letzte Hälfte des sechszehnten Jahrhundert privilegierte Häuser des öffentlichen Vergnügens, und allenthalben machten öffentliche Weibspersonen eine geduldete und von der Obrigkeit geschützte Klasse von Menschen aus. In Genf, Nürnberg und andern Städten wählten die Dienerinnen der gemeinen Venus jährlich ein Oberhaupt oder eine Vorsteherin, welche den Namen der Bordellkönigin erhielt und der Obrigkeit den Eid der Treue leistete. Selbst in Nürnberg machten sie eine sogenannte ehrbare Gilde aus, welche ein ausschließendes Recht zu Betreibung ihres Gewerbes hatte, und diejenigen als Bönhasen verfolgte, die dasselbe ohne Erlaubnis trieben. Das Besuchen der öffentlichen Häuser und Weiber war so wenig schimpflich, dass sogar in London die Gläubiger von angesehenem Stande, welche ihre Schuldner zum Einlager (Verhaft) brachten, angehalten wurden, diesen wöchentlich zweimal Frauengeld zu reichen.

In allen Städten waren öffentliche Bäder, in welchen beide Geschlechter gemeinschaftlich badeten, und in welchen Weibspersonen zum Vergnügen der Badegäste unterhalten wurden. Die Zügellosigkeit in den Bädern war, nach Paggi, in Baden in der Schweiz so groß, dass Bekannte und Unbekannte jede Frau im Bade besuchen, mit ihr reden, und sie berühren durften, ohne dass Ehemänner oder Andere Eifersucht oder das geringste Ärgernis blicken ließen.

Geistliche hatten nicht bloß so häufig Beischläferinnen, dass alle unechte Kinder den Namen der Pfaffenkinder erhielten, sondern man zwang sie sogar in vielen Gegenden, besonders in Frankreich, in der Schweiz und in Friesland, dass sie Konkubinen halten mußten, damit sie die Frauen und Töchter der Einwohner nicht schänden möchten. Mönche und Nonnen besuchten die öffentlichen Bäder und waren in den scheußlichen der unnatürlichsten Lüsten schamloser und frecher, als die üppigen Kinder der Welt. Die Zahl von öffentlichen Weibern brachte reiche und fromme Menschen auf den Gedanken, Stiftungen zu machen, in welche liederliche Mädchen, wenn sie ihren sträflichen Wandel verlassen wollten, aufgenommen würden, und Buße tun könnten. Daher entstanden die sogenannten Beguinenhäuser, deren Bewohner aber häufig ihr altes Gewerbe fortsetzten, und wenn sie dazu hässlich und alt waren, das Handwerk von Kupplerinnen ergriffen.

Die geringere Geistlichkeit wetteiferte mit der höheren nicht nur in Unwissenheit, sondern auch in Unsittlichkeit, Wirtshäuser halten und besuchen. Saufen, Huren, Ehebrechen, Spielen, Schreien und Schlagen, machten das gewöhnliche Leben der Seelenhirten aus. Viele Pfarrer waren Köche oder Verwalter oder andere Bediente von vornehmen Herren und Frauen; Und wenn einer oder der andere nicht alles mitmachen wollte, was seine übrigen Amtsbrüder taten, so verspottete man solche als Verschnittene oder Sodomiten, Die Sitten der Ordens-Geistlichen, und vorzüglich, der Bettelmönche, waren nicht besser, als die der Weltgeistlichen, und auch unter jenen wurden alle diejenigen, welche fromm, keusch und mäßig leben wollten, Heuchler genannt. Nonnenklöster hielt man so allgemein für Bordelle, dass eine Jungfrau, einkleiden, und ihre Ehre öffentlich Preis geben, als eine und dieselbe Handlung betrachtet wurde.

Selbst die gottesdienstlichen Feste, die mit dem Stempel der rohen Denkart des Zeitalters bezeichnet, arteten in die zügellosesten Ausschweifungen aus. Dahin gehören der geistliche Tanz, das Eselsfest, das Narrenfest u. welche zur Ehre der Religion erfunden, und zur Schande der menschlichen Vernunft und der Gottheit gefeiert wurden. Der Tanz oder eine schnelle Bewegung durch die Luft war bei den alten heidnischen Völkern eben so gut ein Reinigungsmittel, als das Baden im Wasser oder Springen durchs Feuer. Dieser religiöse Tanz wurde von den Christen sehr frühzeitig nachgeahmt. Die Bischöfe und die Geistlichkeit tanzten auf dem Chor, die Gemeine in der Kirche oder auf den Kirchhöfen. Jedes Geheimnis, jeder Festtag hatte seine Tänze. Da die Tänze zum Teil des Nachts gehalten wurden, so verwandelten sie sich bald in die schändlichsten Orgien, und die Kirche mußte sie untersagen. Das Eselsfest war mit gleichen Ausschweifungen verbunden. Das Narrenfest wurde von den Christen statt der römischen Saturnalien eingeführt, und ward vom elften bis in das sechszehnte Jahrhundert durch Spanien, Frankreich, England und einen Teil von Deutschland am Rhein in den ersten Tagen nach Weihnachten gefeiert.

Nicht bloß liederliche und mutwillige Laien, sondern selbst Geistliche tanzten nackt auf den Straßen und in den Kirchen, unter Absingung der schändlichsten Lieder, und mit den üppigsten Stellungen.