Die Franzosen

Die Franzosen

In Frankreich herrschten vom. Zeitalter Karls IX bis auf Heinrich IV nicht nur Prachtliebe, grenzenlose Verschwendung, Spielsucht, Meuchelmord, und unersättliche Raubgier unter beiden Geschlechter allgemeiner und in viel höhern Graden als in Deutschland, sondern auch Ehebruch und Unzucht waren hier ohne Vergleichung schamloser. Das Neue und Unerhörte der üppigen Ausschweifungen des französischen Hofes unter Heinrich II, Karl IX, Heinrich III und Heinrich IV bestand gar nicht darin, dass alle Königinnen, Prinzessinnen, und andere vornehme Damen öffentlich ihre Liebhaber hatten und nach Belieben mit ihnen wechselten, dass sie öffentlichen Ehebruch und Unzucht für ehrenvoll, ja selbst für eine Tugend hielten, dass Ehemänner von dem Könige an bis zu den gemeinsten Hofbedienten aus Eigennutz und Hang zur Ungebundenheit ihren Frauen mit der Erlaubnis, die sie sich selbst nahmen, zuvorzukommen suchten, weil sie sich durch diese Nachsicht, anstatt einer Frau, hundert erhielten: sondern das Unterscheidende der französischen Ausgelassenheit bestand vielmehr darin, dass die Weiber die Männer aufsuchten und angriffen, dass Königinnen die ersten und allgemeinen Kupplerinnen waren, und dass die vornehmen Hofdamen es für eine große Gnade schätzten, wenn ihre Gebieterinnen sie als feile Metzen zur Verführung dieses oder jenes wichtigen Mannes brauchen wollten.


Katharina von Medicis hatte stets, besonders wenn sie auf wichtige Negotiationen ausging, eine Schar von gefälligen und schönen Frauen und Mädchen bei sich, um durch die Reize ihrer vornehmen Buhldirnen die Herzen der Männer zu gewinnen. Dieses erhabene Beispiel der Mutter ahmte nachher ihre Tochter, die Königin Margarethe von Navarra, Heinrich des IV Gemahlin, nach. Die Hofdamen der Katharina von Medicis und ihrer Tochter ließen sich in jeder Rücksicht als Lustdirnen brauchen. Wenn der König es verlangte, so warteten sie in männlicher Kleidung, halb nackt und mit fliegenden Haaren, bei Tische auf. Es gingen beiden unaufhörlichen Festen Dinge vor, welche selbst ein Bordell hätte verrufen können. Eben so beispiellos, als die Frechheit der Weiber, war die öffentliche, zärtliche Liebe Heinrichs III. gegen seine Mignons, die man weniger wegen ihrer schändlichen Lüste, als wegen ihres empörenden Stolzes, ihrer Verschwendung und weibischer Weichlichkeit verabscheute. Sie waren sehr oft wie Weiber gekleidet und geschmückt, und verübten allen Mutwillen und alle Bosheiten der ausgelassendsten Pollissons, — das Lustspiel, und besonders die italienische Komödie, war nichts als eine Schule von Unzucht und Ehebrüchen. Das Parlament untersagte sie, als sittenverderbend; der König hingegen befahl ausdrücklich, dass sie in dem hotel de Bourbon fortgegeben werden sollten. Väter schändeten ihre Töchter, und Mütter setzten ihre neugebornen Kinder aus und töteten sie, und das Gefühl der Ehre und Moralität erstarb gänzlich in allen Herzen. Unter allen war Heinrich der IV der größte Verführer der Unschuld, und Zerstörer der ehelichen Treue und Glückseligkeit. Er war unverschämt genug, von seinen treuesten und besten Dienern zu verlangen, dass sie ihn, ihre Weiber oder Geliebten überlassen sollten; und wenn sie sich weigerten, so warf er einen tödlichen Haß auf sie, und überlieferte sie den Händen der Klopffechter und Meuchelmörder. —

Bei dem Einzug Ludwigs XI im Jahre 1461, suchten die Einwohner von Paris die schönsten Mädchen ihrer Stadt aus, und ließen diese ganz entkleidet, als Sirenen allerlei Schäferstücke zur Ergötzung des Königs singen. — Bei der Ankunft der Prinzessin Anne von Bretagne trieb man die Aufmerksamkeit so weit, dass man in gewissen Entfernungen Personen mit Nachttöpfen hinstellte, die den Damen der Königin bei Eintretung eines dringenden Bedürfnisses zu Befehl stehen sollten. — Man trug lange zerhauene Hosen, oder solche Beinkleider, die auf die unehrbarste Art aufgeschlitzt waren, und das entblößten, was Adam schon im Paradiese bedeckte, und die überdies noch mit Priapen verziert waren. Wenn den kirchlichen Festen die unzüchtigsten Gebräuche sich beigesellten, so kann man sich leicht denken, wie es bei den öffentlichen und häuslichen, bürgerlichen Feierlichkeiten zuging; die Ausgelassenheit grenzte hier an morgenländische Schamlosigkeit. Es galt für einen sehr verzeihlichen Ausbruch von Munterkeit, ein Mädchen mit Fleiß so fallen zu lassen, dass sie ganz entblößt wurde. Man trieb die Polissionerie endlich so weit, dass man alle Kleider abwarf, und nackt tanzte. Ungeachtet sich die jungen Ritter bei ihrer Aufnahme durch einen Schwur verbinden mußten, gegen das schöne Geschlecht hilfsreich und ehrerbietig zu sein; ungeachtet sie in Gefahr waren, wegen Beleidigungen, die sie Frauen und Jungfrauen zugefügt hatten, auf das schimpflichste von den Turnieren abgewiesen zu werden; ungeachtet sie den Damen bei allen öffentlichen Festen und Ritterspielen die schmeichelhaftesten Ehrenbezeugungen erwiesen, und oft in den Regionen metaphysischer Liebe schwärmten, so war doch nirgends wahre Liebe und Achtung der weiblichen Ehre zu finden. Das Ganze bestand in einem lächerlichen und übertriebenen Prunk, in leerem Wortgepränge. Es war unter allen Mitgliedern der Ritterschaft nichts gemeiner, als Coneubinat und Vielweiberei, Ehebruch und Blutschande. Man betete aus Gewohnheit das schöne Geschlecht an; man verführte und verachtete und kämpfte aus Eitelkeit bis auf den Tod für die Ehre einer Dame, von der die ganze Welt wußte, dass sie keine mehr zu verlieren hatte. Schon im zwölften Jahrhundert brachte die mit der Ritterschaft und den Turnieren entstandene Galanterie gegen die Damen die geschäftslose Muse und häufigen Feste der Fürsten, Herren und Ritter, und besonders die Erfindsamkeit der Troubadours, die sogenannt ten Gerichtshöfe der Liebe (Cours d’amour, Parlements d’amours, de courtoise et gentillesse) hervor. Diese Gerichtshöfe hatten nicht bloß Präsidenten, welche fast immer Könige, Fürsten, oder berühmte Prinzessinnen waren, sondern sie waren überhaupt, wie die ersten Parlementer der Nation organisiert. Ihrer ursprünglichen Bestimmung nach sollten sie eigentlich nur über die Proben der Liebe sprechen, die sich Liebende einander aufgelegt hatten. Aber ihre Gerichtsbarkeit erweiterte sich allmählich so weit, dass sie über die Rechte der Männer und Weiber entschieden, neue Gewohnheiten einführten. Und andere als Missbräuche abschafften; insbesondere aber beschäftigten sie sich damit, die Natur und das Wesen der Liebe, die Vollkommenheiten und Gebrechen der Schönen, die Rechte, Verbindlichkeiten und Aufopferungen der Liebenden mit einer Spitzfindigkeit und Feinheit zu untersuchen, die selbst den geübtesten Dialetikern Ehre gemacht hätten und die als eine Wirkung der scholastischen Philosophie angesehen werden kann. Die Fragen, die in dieser Absicht aufgeworfen wurden, nannte man Tenson oder Tenzen, und die darüber entstandenen Prozesse jeux-mi-partis. Als Beispiel einer solchen Untersuchung kann der Streit angeführt werden, der darüber entstand: ob ein eifersüchtiger Liebhaber, der durch den geringsten Anlaß beunruhigt wird, oder ein zuversichtlicher, der gar kein Misstrauen in seine Geliebte setzt, eine wärmere Liebe gegen diese hege?— Die Aussprüche dieser Gerichtshöfe wurden Arrets d’amour oder Arresta Amorum genannt, und hatten das verdiente Glück, im sechzehnten Jahrhundert von berühmten Rechtsgelehrten mit der größten Ernsthaftigkeit kommentiert zu werden. Eine Nachahmung von diesen Couris d’amour war die vom Kardinal Richelieu errichtete Akademie der Liebe, deren lächerliche Beschäftigungen und abgeschmackte Weisheit, so wie jene, bald unter der Geißel der Satyre von selbst aufhörten. — Je mehr man in diesem Zeitalter von Liebe schwatzte, und je pomphafter man darüber stritt, desto weniger wahre Liebe wurde empfunden; und St. Palais sagt, dass die Verliebten ihre Sprache und ihren Witz weniger aus dem Plato, als aus der Schule des Scotus genommen hätten, und dass Ehebruch und unsinnlicher Umgang mit Frauen und Jungfrauen unter den Rittern eben so gemein, und wohl noch häufiger als bei den andern gewesen wäre.