Rechtlicher Standpunkt

Verzeihlich für einen Theologen, aber durchaus unverzeihlich, wissenschaftlich und moralisch, für einen Schriftsteller, der einen Gegenstand dieser Art mit der Absicht behandelt, auf die Beratungen gesetzgebender Versammlungen, die in diesem Augenblick in vier Deutschen Staaten, in Baden, Kurhessen, Hannover und Braunschweig auf denselben hingeleitet sind, unmittelbar einzuwirken, ist die tiefe Unwissenheit, in welcher sich Hr. Dr. P. über den rechtlichen Zustand der Juden in den verschiedenen Deutschen Staaten befindet, und die ihn zu der Behauptung verleitet, es käme bei der ganzen Sache bloß darauf an, den Juden zum Regieren über die Christen zu verhelfen, da ihnen alles Übrige, das Recht, Handwerke und Ackerbau zu treiben (S. 169), Rechts-Beistände zu werden, (S. 90-91 in der Note) allenthalben zustände. Diese Unwissenheit ist um so unverzeihlicher, da mich Hr. Dr. P. hier geradezu einer Lüge anklagt, ohne sich die geringe Mühe gegeben zu haben, einige sehr leichte Erkundigungen darüber einzuziehen. Es ist daher nötig, den Zustand der Dinge, wie er in verschiedenen Deutschen Staaten noch ist, in einigen Zügen näher zu bezeichnen. In Hamburg, wo eine Juden-Gemeinde von gegen l0.000 Seelen ist, kann es ein Jude, in einem zünftigen Handwerk, wie das des Schneiders, Schusters, Zimmermanns, ohne Christ zu werden, nicht bis zum Lehrburschen bringen. Eben so ist es, mit Ausnahme einzelner besonderer Konzessionen, in Hannover, in Braunschweig, in Sachsen, jedoch hier nach einem Gesetz von 1819 mit der Modifikation, dass sie Lehrburschen und Gesellen, aber nicht Meister werden können; so war es bis vor ganz kurzem in Mecklenburg. Ferner dürfen die Juden in allen jenen Staaten keinerlei Grundbesitz haben, ohne welches Recht es den Umständen nach unmöglich ist, dass sie Landbau treiben. Die Gründe aber, mit welchen man in diesen Staaten die Verbesserungen, die die Meinung aller Verständigen dringend fordert, bestreitet, sind ganz genau dieselben, mit denen Hr. Dr. P. für die Staaten, die etwas weiter fortgeschritten sind, weitere Verbesserungen bekämpft. Was Beschränkungen anderer Art betrifft, so bemerke ich, dass in Frankfurt a. M. die jährlichen Heiraten auf eine gewisse Zahl beschränkt sind, eine Bestimmung, von der es Mühe kostet, zu glauben, dass sie dem Jahr 1823 ihre Entstehung verdankt; dass auf ähnliche Weise in Bayern die Zahl der an jedem Orte zur Ansässigkeit befugten Familien auf eine bestimmte Zahl beschränkt ist, mit dem Unterschiede, dass die Regierung hier dazu befugt ist, über die Zahl hinaus zuzulassen, was bei nicht Handel treibenden oft, aber keinesweges immer und, nach einer festen Regel geschieht. Von der Advokatur sind Juden in Hamburg, Mecklenburg, Sachsen durchaus ausgeschlossen, wovon in Mecklenburg eine einzige Ausnahme nach jahrelangen vergeblichen Bemühungen durch besondere höchst verdiente Begünstigung gemacht worden; in Holstein und in Hannover werden sie nur durch eine besondere Dispensation vom Justiz-Ministerium, die nach Belieben erteilt oder versagt werden kann, zugelassen. Auch in ganz Alt-Preußen kann kein Jude, ohne zum Christentum überzutreten, als Rechts-Beistand fungieren, da dort bekanntlich die Geschäfte der Rechts-Beistände, von sogenannten Justiz-Kommissarien verwaltet werden, die einer Anstellung von der Regierung bedürfen, diese aber, obgleich es ihr gesetzlich frei stände, den Grundsatz hat, keine Juden anzustellen. Eben so hat in ganz Deutschland, außer in Württemberg, kein Jude, der Beruf fühlt, sich dem akademischen Lehrfach zu widmen, Aussicht, je ein Lehramt zu erhalten, er mag sich auch noch so sehr dazu befähigen; ja auf vielen Universitäten darf er nicht hoffen, als Privat-Dozent zugelassen zu werden, besonders seitdem man auf mehreren die kostbare ehemals jedem Graduierten gestattete Lehrfreiheit, die uns andere Nationen, besonders die Franzosen, lange beneidet haben, aus verschiedenen Gründen überhaupt zu beschränken angefangen hat. —