Zulassung zu Ämtern

Durch einen plumpen Kunstgriff hat Herr Dr. P. jene Frage so gestellt, dass der Pöbel unter seinen Lesern, auf welchen zu wirken einer seiner Zwecke zu sein scheint, da er ja ganz offen S. 17 und 129 mit Pöbel-Reaktionen droht, glauben muss, es handle sich darum, die Juden mit einem Male in Masse, und zwar Hausierer, Schacherer alle miteinander zu Staatsregierern zu machen; denn auf ein solches Verfahren einzig und allein passen alle seine Argumente. Es ist ein Leichtes, alle seine Widersprüche nacheinander ins klarste Licht zu setzen.

Herr Dr. P. gibt zu, dass Juden, ohne zum Christentum als Religion (seine Theorie vom Übertritt zum Christentum als Nationalsache habe ich weiter unten zu beleuchten) überzutreten, durch Lossagung von allen den Vorurteilen und Eigentümlichkeiten, die seiner ebenfalls weiter unten zu beleuchtenden Meinung nach ihrer Aufnahme im Wege stehen, sich der Aufnahme würdig machen könnten. Das diese Lossagung nicht in Masse geschehen könne, versteht sich nach den Gesetzen jeder menschlichen Entwickelung von selbst; es kann such, wenn man von dem durchaus unbestreitbaren Grundsatz ausgeht, dass die Juden in Allem, was den Staat angeht, eben nichts gemeinsames haben sollen, unmöglich gefordert werden. Wie vertrüge es sich auch mit den ersten Grundsätzen der Gerechtigkeit, dass der Eine um der Fehler und der Vorurteile des Anderen Willen leiden sollte*)? Nun aber schließen alle die Gesetzgebungen, um deren Aufrechthaltung oder Umgestaltung es sich handelt, die Juden nicht unter gewissen Bedingungen aus, und lassen sie unter den entgegengesetzten zu, sondern sie schließen sie unbedingt aus, wenn sie nicht Christen werden. Alle Bedingungen aber, die erforderlich sind, damit irgend ein Individuum die Pflichten, die ein Amt ihm auferlegt, erfüllen, damit er das Vertrauen, das ihm zur Amtsführung Not tut, besitzen könne, verstehen sich in jedem gesetzlich geordneten Staate von selbst; auch würde kein Jude, der Hoffnung hatte, durch eine veränderte Gesetzgebung eine öffentliche Stellung im Staate zu erlangen, wenn es nicht als überflüssig erschiene, etwas dagegen haben, dass diese Bedingungen ausdrücklich festgestellt werden. Dass ein Amt, welches eine sechstägige Arbeit erfordert, Dem nicht gegeben werden kann, der, sei es aus Trägheit, aus Körper. Schwäche, oder wegen seiner religiösen Meinung an einem dieser Tage sich nicht zur Arbeit verstehen kann; dass ein Wahlkollegium einen Deputierten nicht wählen darf, der des öffentlichen Vertrauens aus irgend einem Grunde entbehrt; dass eine Regierung, die im mindesten auf Ehre hält, einen Wucherer nicht zum Richter, einen Mann, dem die Achtung seiner Mitbürger fehlt, nicht zum Beamten wählen wird: das alles versteht sich so ganz und gar von selbst, dass eine Gesetzgebung sich lächerlich machen würde, wenn sie es ausdrücklich ausspräche. Hält sie es aber für nötig, so tue sie es; kein Jude wird etwas dagegen einzuwenden haben. Jeder, der die Verhältnisse, auf welche es hier ankommt, im Leben beobachtet, und sich nicht in seinem Studierzimmer eine Vorstellung davon zusammengeträumt hat, hat die Überzeugung, dass ein Jude, die Gesetzgebung möge noch so liberal sein, das Vertrauen der Regierung wie des Volkes in höherem Grade verdienen, und, was noch mehr sagen will, besitzen müsse, um sich auf eine Stellung im öffentlichen Leben Hoffnung machen zu können**); dass es also von dieser Seite gerade, die Herr Dr. P. für die einzige Seite der Sache hält, nicht die Reichsten, sondern die Besten, Achtungswertesten und Geachtetsten sind, die eine Ausschließung einzig und allein trifft, welche den Übrigen vollkommen gleichgültig sein kann.


*) Treffend sagte darüber der Minister des Innern in der Württembergischen Kammer: „Freilich gibt man nur den fleißigen Schülern Prämien (um mich des Beispiels eines ehrenwerten Mitglieds dieser Kammer zu bedienen) aber in keiner Schule wartet man mit der Prämien-Verteilung, bis alle Schüler fehlerfrei sind.“ M. s. die angeführten Verhandlungen S. 69.

**) Nicht weil er kein Vertrauen erwecken zu können meinte, wie Herr Dr. P. S. 18 sagt, hat Spinoza die Professur in Heidelberg zurückgewiesen — und so tief, um das meinen zu können, hat Spinoza die Christen seiner Zeit nicht verachtet —sondern weil man seine philosophische Lehrfreiheit, wenn auch mit der zartesten Schonung, doch durch eine leise Andeutung beschränken zu wollen schien; wie es allbekannt und u. A. in einem Aufsatz über Spinoza in Herders Adrastea zu lesen ist.


Es scheint unglaublich, dass ein Mann von Ehre dieses sonnenklare Argument dadurch zu entkräften glauben kann, dass er anführt, wie Hr. Dr. P. (S. 17) tut, es sei nicht bloß das Vertrauen, das die Wahlen mache, sondern Einfluss des Geldes und ähnliche. Es ist bekannt, dass ein solcher Grund im Englischen Unterhause geltend gemacht worden; aber man war auch ehrlich und verständig genug, den einzigen Sinn desselben, die Käuflichkeit der Parlaments-Sitze, diesen Schandfleck der Englischen Staats-Verfassung, den zu vertilgen England jetzt alle seine Kräfte aufbietet, offen anzuführen. Wo aber werden in Deutschland Sitze in den gesetzgebenden Versammlungen verschachert? Wo wird gewuchert mit Ämtern und Ehrenstellen? Solche Gründe anführen heißt Deutschlands Fürsten und ihre Räte für Schelme, seine Gemeinden für unmündige Thoren erklären. Wenn es diese Furcht ist, die Euch bestimmt, bei der Ausschließung zu verharren, dann fürwahr hat Herr Dr. P. recht, wenn er meint, dass sie uns nicht zur Unehre gereicht; aber Euch wird sie zur ewigen, zur unauslöschlichen Schande gereichen: denn die Furcht vor der eignen Schlechtigkeit, das offene Bekenntnis, dass Ihr unfähig, mithin unwürdig seid, Eure Vertreter und Beamte zuwählen, gehörte zu den Grundlagen Eurer Gesetzgebung!

Noch klarer tritt der innere Widerspruch, das lügenhafte in der Argumentation des Verfassers von einer anderen Seite hervor. Einer seiner Haupt-Gründe gegen die Zulassung der Juden zu öffentlichen Ämtern ist der Unwille, den dieselbe beim Volke erregen würde: ja er treibt es S. 17 bis zu der wahnsinnigen Voraussicht, dass sie ein unaufhaltsamer Aufruf zu Mord und Vertreibung gegen die Juden werden würde! Und doch fürchtet er auf derselben S. 17, dass dasselbe Volk, das so eben durch die ihm gestattete Befugnis, Juden zu seinen Vertretern und Beamten zu wählen, in blinde Wut versetzt worden, von eben dieser Befugnis einen ihm selbst nachteiligen Gebrauch zu machen sich verleiten lasse! Zeigt nicht Der, der sich zweier solcher einander vernichtenden Argumente zugleich bedient, deutlich genug, dass er an der inneren Wahrheit seiner Sache selbst verzweifelt, und zu den Künsten der Lüge seine Zuflucht genommen? Solche Argumentationen würden wir, da Herr Dr. P. ein Christ ist, christliche zu nennen berechtigt sein, wenn wir roh genug waren, um dieses Wort in dem Sinne gebrauchen zu wollen, wie der Pöbel und Hr. Dr. P. das Wort „jüdisch“ so gerne zu gebrauchen pflegen. Es ist zu hoffen, dass jeder ehrliche Badische Landmann, dessen einfacher Sinn nicht durch Spitzfindigkeiten verwirrt ist, diese einfache Sache richtiger auffassen wird; er wird zu seiner Regierung das Zutrauen haben, dass sie ihm keinen seines Vertrauens unwürdigen Beamten von irgend einer Konfession aufdringen wird; er wird es nicht für eine Kränkung seiner Rechte halten, wenn man ihm die Befugnis gibt, einen Juden zu seinem Vertreter oder Gemeinde-Beamten zu wählen; bei der Wahl selbst aber wird er den nach seiner Meinung Tüchtigsten, den seines Vertrauens Würdigsten wählen: wenn man gleich für das nächste Jahrzehnt wohl annehmen muss, dass er im Fall der Konkurrenz bei gleicher Tüchtigkeit den Juden nicht wählen wird.

Unbegreiflich ist es endlich, wie ein Mann, der auf Erfahrung Anspruch macht, bei einer so ganz praktischen Frage die aller Welt vorliegende von Niemanden in Zweifel gezogene Erfahrung größerer und kleinerer Staaten übersehen konnte. Frankreich und die Niederlande haben seit 40, Württemberg hat seit 3 Jahren die Juden in ihren Staaten für zulässig zu allen Ämtern und Würden erklärt, ohne andere Bedingungen, als die sich nach der Natur der Sache von selbst verstehen. Und in allen jenen Ländern wird über die Folgen jener Zulassung auch nicht die allermindeste Klage geführt. In Frankreich gaben vor Kurzem die Verhandlungen der Kammern über die Besoldung der jüdischen Geistlichen Veranlassung, die Verhältnisse der Juden von allen Seiten zu beleuchten; und, wahrend sich auch nicht eine einzige Stimme erhob, um etwas, was einer Klage ähnlich sähe, vorzubringen, vereinigten sich alle, um die segensreichsten Wirkungen der vollsten bürgerlichen Gleichstellung zu bezeugen. So sagte der Minister Mérilhou in der Rede, mit welcher er den Entwurf der Pairs-Kammer überreichte: „dans les fonctions publiques, où ils ont été appelés, sous les drapeaux de nos phalanges immortelles, dans les lettres, les arts. les sciences, l’industrie ils ont en un quart de sieècle donné parmi nous le plus noble démenti aux calomnies de leurs adversaires.“ Auch die Wenigen, die aus Gründen ganz anderer Art gegen das Gesetz sprachen*), — selbst der Einzige unter so Vielen, der unter allgemeinem Widerspruch die Meinung äußerte, dass noch nicht alle Spuren von den üblen Folgen des früheren bürgerlichen Missverhältnisses verwischt seien — suchten vor allem den Schein, dass sie der bürgerlichen Gleichheit entgegen seien, wie etwas Gehässiges und Unwürdiges von sich abzuwenden. Und wo sind denn in Württemberg die schrecklichen Folgen der Zulässigkeit der Juden zu allen Arten öffentlicher Ämter sichtbar? Hat dort der Volks-Unwille die Juden gemordet und vertrieben? Hört man davon, dass die Juden sich dort für Geld Ämter erschleichen, und zum Schaden ihrer Untergebenen verwalten? Die erste — ich weiß nicht, ob bis jetzt die einzige — Anwendung, die die Regierung von der ihr zugestandenen Befugnis machte, war die, dass sie den in der juristischen Literatur rühmlich bekannten Herrn Dr. Maier als Professor der Rechte nach Tübingen berief. Dieser Mann hatte vor dem neuen Gesetz, obgleich er unter den Württembergischen Juristen seines Alters am meisten Ruf hatte, nicht einmal zur Advokatur gelangen können, wäre also ohne dasselbe nie im Stande gewesen, von seinen trefflichen Kräften zum Nutzen seiner Mitbürger Gebrauch zu machen. — Übrigens sind auch in mehreren anderen Deutschen Staaten, in Preußen, Bayern, Hessen-Darmstadt die Juden zu Gemeinde-Ämtern, die das Vertrauen der Beteiligten besetzt, längst wählbar. In allen diesen Staaten haben einzelne Gemeinden davon Gebrauch gemacht, und nirgends ist eine üble Folge davon bemerkbar.

*) Die Minorität bei der Abstimmung war in der Deputiertenkammer von 71 gegen 212.

Diese unbestreitbare Erfahrung aller der Staaten, die den Schritt, welchen Herr Dr. P. seinen Landsleuten abrät, zum Teil unter viel ungünstigeren Umständen getan haben, da wo sie hingehören, mit Stillschweigen zu übergehen, ist gewissenlos; lächerlich ist es, wenn der Verf. dieser Einwendung an einer Stelle, wo von etwas ganz anderem die Rede ist (S. 143) in einer Note erwähnt, und sie durch die Bemerkungen beseitigen will, dass in Nord-Amerika eine Öffentlichkeit herrsche, die noch nicht Europäisch geworden, und dass auch dort und in Holland die Exempel selten seien, dass Juden in öffentliche Ämter kommen. Was den ersten Punkt betrifft, so fehlt in Deutschland die nötige Öffentlichkeit, damit sich eine Meinung über Beamte und ihre Verwaltung bilden und aussprechen könne, hoffentlich nirgends; jedenfalls wird sie nicht lange mehr fehlen, am wenigsten in Baden nach den neuesten ständischen Verhandlungen über Pressefreiheit, die in ganz Deutschland wiederhallten. In Beziehung auf den zweiten Punkt ist es unbegreiflich, wie Herr Dr. P. die geringe Anzahl von Beamten für sich geltend machen kann, da er ja gerade von ihrem Zunehmen, von dem Missbrauch der Freiheit die größte Gefahr fürchtet! Übrigens ist in Frankreich und Holland die Anzahl der Staatsdiener gerade, wie es sich erwarten lässt, weder sehr bedeutend, noch sehr geringe, sondern ziemlich verhältnismäßig. In Frankreich sind u. A. zwei Generale mosaischen Glaubens und eine beträchtliche Anzahl von Beamten. In Holland war der berühmte Meyer lange Präsident eines Tribunals; der bekannte Assur bekleidete eine der ersten Stellen im Justiz-Ministerium, und hat bekanntlich nach dem interimistischen Rücktritte van Maanen’s im vorigen Jahre eine kurze Zeit an dessen Spitze gestanden.