Bürgerliche Beschäftigung der Juden

Ein dritter Punkt, den Herr Dr. P. vom Standpunkt des öffentlichen Interesse aus gegen die Juden geltend macht, ist die bürgerliche Beschäftigung Vieler von ihnen, der Handel, und die Art, wie sie ihn treiben. Dieser Gegenstand führt, von seinem rechten Standpunkte, von einfachen, den allgemeinen Nutzen im Auge habenden staatswirtschaftlichen Grundsätzen aus betrachtet, zu den allereinfachsten legislativen Resultaten, wird aber leider oft verwirrt durch das Einmischen fremdartiger religiöser (oder, wie Hr. Dr. P. sie genannt haben will, nationaler) Beziehungen, woran sich denn vielfach eine Tendenz anschließt, die das Interesse der Wenigen, die Vorteil davon hoffen, die Juden von der Konkurrenz ausgeschlossen zu halten *), auf Kosten des Nutzens der Gesamtheit der Konsumenten, die von jeder Konkurrenz, da sie unbedingt frei zu wählen befugt sind, Vorteil ziehen, geltend zu machen und diese ihre Absicht unter allerhand Vorspiegelungen zu verhüllen sucht. Um zu der rechten Ansicht zu gelangen, ziehe man vor Allem nicht Theologen, Philosophen und Belletristen, die mit den ersten Grundsätzen des Handels und der Handels-Gesetzgebung unbekannt sind, — solche sind es in der Regel, die die ökonomische Gefährlichkeit her Juden behaupten — sondern praktische und theoretische Kenner statistischer und staats-ökonomischer Verhältnisse zu Rache. Man stelle z. B. den Darstellungen des Hrn., Dr. P. das treffliche Kapitel des trefflichen Rudhardt über die Juden in dessen Bayrischer Statistik gegenüber; man wäge sowohl Autoritär als innere Wahrheit ab und entscheide!

*) Eine Schilderung dieser Tendenz, so grell, dass ich sie, wenigstens was den ehrenwerten Stand der Universitäts-Lehrer betrifft, ungern unterschreiben möchte, findet sich in der kleinen Schrift, von welcher Herr Dr. P. seinen Ausgangs-Punkt nimmt: Ein Wort über die Emanzipation der Bekenner des mosaischen Glaubens in Baden von einem christlichen Badenser. 1831, S.26.


Folgende Bemerkungen mögen jedem redlich Denkenden und Beobachtenden Veranlassung geben, weiter über die Sache nachzudenken, das Wahre vom Falschen zu sondern, und das Resultat für die Gesetzgebung, auf das es hier ankommt, zu gewinnen.

Im Mittelalter und in Deutschland noch bis vor etwa 20 bis 30 Jahren waren die Juden eine Handels-Kaste, in welcher sich dieses einzige Geschäft vom Vater auf den Sohn forterbte. Die Gründe dieser Erscheinung sind nicht schwer aufzufinden, und dürfen in der Tat nicht in einer besonderen Neigung gesucht werden, wenn man bedenkt, dass bis dahin die rechtliche Lage der Juden in ganz Deutschland und fast in ganz Europa diejenige war, die sie in den oben angeführten Nord-Deutschen Staaten noch ist: dass ihnen auf dem Lande jeder Grund-Besitz, in den Städten jeder Zugang zu zünftigen Gewerben versperrt war; dass sie auf einen festen Wohnsitz selten rechnen durften, der Handel allein aber einen solchen entbehren kann; dass man sie endlich zum Kriegsdienst in der Regel nicht verpflichtete. Auch war es in einer Zeit, wo die ganze Gesellschaft in schroff von einander getrennte Stände und Kasten geteilt war, ganz in der Ordnung, dass auch der Handel seine Kaste hatte. Dazu kam das unselige totale Zinsverbot des kanonischen Rechts, welches Zins-Geschäfte mit Solchen, die nach damaliger Weise gegen dieses Verbot, welches halb für ein weltliches, halb für ein geistliches genommen wurde, privilegiert waren, notwendig und doch gehässig machte; so wie der Umstand, dass in einer Zeit, in welcher die Mittel der Verbindung zwischen den verschiedenen Ländern spärlich und schwierig waren, das den Juden durch die Verfolgungen, denen sie preisgegeben waren, aufgenötigte Wanderleben ihnen im Handel Vorteile, besonders durch weite Handels-Verbindungen, gewährte. Der einzige Erwerbzweig, der ihnen außer dem Handel offen stand, war die ausübende Arzneikunde, und diese ist immer von Einzelnen mit Eifer und Auszeichnung betrieben worden. Man würde sehr irren, wenn man glaubte, dass dieses Verhältnis nach den damaligen Zeit-Umständen für ein schädliches gehalten worden, und dass man sich damals der Juden aus Gründen der Staats-Klugheit zu entledigen gesucht hätte. Man braucht nur u. A. die geschichtliche Darstellung in der angeführten Schrift von Dohm S. 65-86 zu lesen, um sich zu überzeugen, dass es vielmehr für ein Privilegium angesehen wurde, Juden halten zu dürfen, um welches zwischen dem Kaiser und den Standen des Reichs gestritten wurde. Die Geschichte der Juden im Mittelalter zeigt den fortwährenden Kampf der von einer fanatischen Geistlichkeit angeregten Pöbelwut mit der Besonnenheit der Regierungen, die die Juden nicht aus Menschlichkeit, sondern teils des eignen, teils des öffentlichen Vorteils wegen beschützten.

Aber Gottlob! alle diese Verhältnisse haben sich durch die Fortschritte der Zivilisation durchaus umgestaltet! Alles Kastenwesen ist bis auf wenige Spuren verschwunden; so haben auch die Juden aufgehört, eine handelnde Kaste zu sein, da wo die Gesetzgebung ihnen andere Erwerb-Zweige eröffnet hat. Das kanonische Zins-Verbot hat einer verständigeren Gesetzgebung Platz gemacht, so dass es jener verderblichen Privilegien nicht mehr bedarf; bei der allgemeinen Leichtigkeit der Verbindungen steht den Juden keinerlei besonderer Vorteil mehr zu Gebote: so dass nach dem Urteile von Sachkennern, da wo ihnen keine andere Erwerbs-Quellen eröffnet werden, eine unnatürliche Verarmung, die, auf einen gewissen Punkt gesteigert, dem Staate sehr lästig werden würde, die unausbleibliche Folge sein muss.

Herr Dr. P. behauptet aber, die Juden hätten von den ihnen dargebotenen Erwerbs-Quellen nirgends Gebrauch gemacht; er behauptet das an vielen Stellen seiner Schrift, ohne aber auch nur den Schatten eines Beleges dafür anzuführen. Ich kann aber zum Beweise des Gegenteils unbestreitbare Fakta anführen. In Preußen ist es aller Welt bekannt, dass die Juden seit dem Gesetz von 1812 zum größeren Teile Ackerbau und Handwerke treiben; die Belege dazu werden von Preußischen Behörden leicht zu erhalten sein. Ein anderer Beleg von einem Staate, der ebenfalls erst seit 1813 den Juden Gewerbe-Freiheit gestattet hat, von Bayern, findet sich in der Schrift von Graser: das Judentum und seine Reform, Baireuth, 1828, einer Schrift, deren Verfasser übrigens von ähnlichen Grundsätzen, wie Hr. Dr. P. ausgeht, aber doch besseren Willen, und wenigstens von dem statistischen Verhältnis der Juden einige Kenntnis hat. Es werden hier S. 192-95 in Bezug auf die zahlreichen Juden im Obermain-Kreise nach amtlichen Berichte folgende Fakta angegeben:

„Man kann annehmen, dass nun die gesamte männliche Jugend, mit Ausnahme weniger Individuen, welche ihren gebrechlichen Ältern zur Unterstützung im Handel, ohne große Härte, belassen werden mussten, der Erlernung der Künste, Wissenschaften, der Gewerbe und des Ackerbaues obliegt. Vor sieben Jahren *) wurden schon über 300 jüdische Lehrjungen und über 50 Gesellen im Obermain-Kreis gezählt. Im Obermain-Kreis gibt es nicht allein jüdische Metzger, Tuchmacher und Schneider, sondern auch Weber, Strumpfwürker, Färber, Buchbinder, Glaser, Kirschner, Seifensieder, Lebküchner, Porzellanmaler, Uhrmacher, Kammmacher, Lohnrößler. Wahrend vor Eintritt jenes Edikts beinahe alle Juden, welche im Obermain-Kreis gegen 1.400 Familien zählen, vom Schacher lebten, hat sich ihre Zahl bereits nach und nach bis auf ungefähr 280 gemindert.

*) Also höchstens 8 Jahre nach dem Edikt von 1813.

Auch in Württemberg ist schon vor dem neuen Gesetze von 1323, nach dem Zeugnisse des Ministers des Inneren und anderer höherer Beamten *) in dieser Beziehung geschehen, was ohne das erst durch dieses Gesetz gestattete Übersiedlungs-Recht geschehen konnte. —

*) M. s. die Verhandlungen S. 50. und an anderen Orten.

Jeder billige Mensch wird zugestehen, dass solche Resultate einer z. B. in Baiern erst 15jährigen Umgestaltung, wenn auch von redlichen Bemühungen der Behörden unterstützt, nach der Angewöhnung vieler Jahrhunderte Achtung und Anerkennung verdienen, und dass solchen augenscheinlichen Erfahrungen gegenüber die unüberwindliche Abneigung der Juden gegen jeden Erwerb außer dem Handel als Fabel und Lüge erscheint, selbst wenn an anderen Orten, wozu übrigens Herr Dr. P., wie gesagt, keinerlei Belege angeführt hat, die Resultate viel weniger günstig sein sollten.

Aber lächerlich ist es, wenn man den richtigen Satz, dass es unseren Verhältnissen höchst unangemessen und in manchen Beziehungen schädlich sein würde, wenn die Juden in der ihnen ehemals aufgenötigten Stellung einer Handels-Kaste, da wo ihnen andere Erwerbs-Quellen eröffnet werden, verharren wollten, so dreht, als wenn der Handel derjenigen Juden, die einen gesetzlich Jedem erlaubten Handel — denn für den unerlaubten sind Straf-Gesetze da, die auf Juden, wie auf Christen anwendbar sind — treiben, etwas besonderes und besonders schädliches sei. Herr Dr. P. spricht hier von Dingen, von denen er einmal von ferne hat reden hören, ohne einen deutlichen Begriff damit zu verbinden. Er weiß offenbar nicht, wovon er spricht, wenn er z. B. S. 40 das Abschließen von Geschäften zwischen Käufern und Verkäufern, das Makler-Geschäft, als etwas verderbliches, den Juden ganz eigentümliches darstellt. Jeder, der den Gang kaufmännischer Geschäfte in Handels-Städten nur wenige Augenblicke beobachtet hat, hätte ihm sagen können, dass dort alle Handels-Geschäfte durch Makler abgeschlossen werden, und dass z. B. in Paris der Stand der Waren- und Wechselmakler (courtiers cle commerce, agens de change) ein sehr geachteter ist.

Herr Dr. P. spricht auch sehr viel vom „Schacher“, und besinnt ihn S. 47 als einen „wegen eines unbestimmten „wucherlichen Gewinns mit jedem schnell zu erhaschenden Gegenstande getriebener Zwischenhandel.“ Ich will es praktischen Staatsmännern überlassen, zu entscheiden, ob dieser Begriff die nötige Bestimmtheit hat, um zur Grundlage eines Gesetzes zu dienen. Aber vor Allem ist hier die einfache Frage zu stellen, die allein zu einem Resultate führen kann, und über welche Herr Dr. P. nirgends eine rechte Auskunft gibt, und dadurch die Sache in ein verwirrendes Helldunkel bringt: ist die hier bezeichnete Art des Handels, für Juden und Christen, erlaubt oder verboten? Denn das muss vorausgesetzt werden, dass die Gesetzgebung keines zivilisierten*) Staats mehr den ersteren etwas erlaubt, was sie den zweiten verbietet: und sollte so etwas noch irgendwo existieren, so wäre es die Aufgabe der Gesetzgebung, dergleichen Unkraut sofort mit der Wurzel auszureißen. — Ist sie nun erlaubt, und halten Die, die sie treiben, sich in den Kränzen des gesetzlich erlaubten, so ist es Unsinn, es gegen sie geltend zu machen, dass sie sich eines ihnen gesetzlich freistehenden Erwerbs bedienen. Ist sie aber verboten, wie es allenthalben der Wucher, wie es in manchen Ländern, für Juden und Christen, der Hausierhandel ist, so dass Diejenigen, die sie treiben, sich der Übertretung eines Gesetzes schuldig machen, nun so bestrafe man sie dafür mit der gesetzlichen Strafe, lasse aber ihr Vergehen Die nicht entgelten, die nichts gemein damit haben. Lauheit in der Anwendung der bestehenden Gesetze, Nachlässigkeit der Richter und Beamten und daraus hervorgehende Straflosigkeit der wirklichen Übertreter wird doch wohl eine Gesetzgebung, die auf Ehre hält, nicht als einen legislativen Grund geltend machen wollen? Und wo eine solche Lauheit und Nachlässigkeit gegen gewisse Vergehungen Statt findet, wird sie da nicht mindestens auf gleiche Weise gegen Christen wie gegen Juden geübt? Ist nicht, wo jüdischer Wucher straflos ist, mit dem christlichen dasselbe der Fall?

*) Ein Staat, in dem sich dergleichen fände, müsste sofort aus der Reihe der zivilisierten gestrichen werden.

Die Bestimmung aber, wie weit die Gesetzgebung in die Sphäre des Handels eingreifen, was sie verbieten und was sie gestatten solle, hat die Theorie der Handels- Gesetzgebung*)

*) Ganz so verhält es sich auch mit dem Handel mit Staats-Papieren, dessen Herr Dr. P. S. 65, erwähnt. So lange die Regierungen auf dem Finanz-System beharren, durch Abschließung von Anleihen unter dem Nominal-Wert, die Hoffnung des Gewinns am Kapital als Supplement des Zinsfußes zu gewähren; so lange man überhaupt dem Staats-Kredit keine solidere Grundlage zu geben vermag, die dem Schwanken der Kurse ein Ende macht, so lange wird jener Handel seine jetzige Gestalt behalten; und es ist eine plumpe Lüge, mit welcher man höchstens Dummköpfen Sand in die Augen zu streuen hoffen kann, dass die Juden jenen Handel auf eine schädlichere Weise betrieben, als Andere. Es ist im höchsten Grade gewissenlos, solche Behauptungen ohne Belege und ohne Sachkenntnis; in die Welt zu schicken. In Leipzig, wo bekanntlich beinahe sämtliche Bankiers vor einigen Jahren in Folge von Geschäften in Staatspapieren ihre Zahlungen einstellten, ist kein einziges Jüdisches Haus. In Wien und Berlin sind sehr viele Staatspapierhändler von der jüdischen zur christlichen Religion übergetreten, und es ist noch Niemand verrückt genug gewesen, zu behaupten, dass die Art ihres Geschäfts-Betriebs durch das Heraustreten aus dem nationalen Zusammenhange, wie Herr Dr. P. es nennt, eine andere geworden. Es ist bekannt wie die Pariser Oppositions-Journale seit vielen Jahren gegen die agiotage und ihre Begünstigung durch das herrschende Finanz-System eifern. Aber nie ist es einem derselben eingefallen, den Juden als solchen einen Anteil daran beizumessen, obgleich es in Paris, wie in den Deutschen Handels-Städten Juden und Christen sind, die das Geschäft treiben. Noch bemerke ich gegen die witzige Antithese auf S. 17. von Verdiensten um den Staat und um die Staats-Papiere, dass unter Verdiensten um die Staats-Papiere Niemand, der weiß, wovon er spricht, etwas anderes verstehen kann, als Verdienste um Hebung des Staats-Kredits, und dass diese allerdings bei dem herrschenden Kredit-System Verdienste um den Staat sind.


ohne Beziehung auf den Unterschied zwischen Juden und Christen, Schutz- und Staats - Bürgern, Autochthonen und Eingebürgerten fremder Abkunft zu entscheiden, und es ist sinnlos und sinnverwirrend, sie mit der Zulassung der Juden zu öffentlichen Ämtern oder zum Staats-Bürgerrecht in Verbindung zu bringen. Es ist um so mehr nötig, sie nach einfachen Grundsätzen, ohne Beimischung fremdartiger Elemente zu beurteilen, da bekanntlich mehrere der gründlichsten Kenner der Verhältnisse des National-Wohlstandes eine von der gewöhnlichen sehr abweichende Ansicht darüber haben. Gerade jener viel verschrieene wandernde Handel mit den allergeringfügigsten Gegenständen, der ja Denen, die ihn treiben, eine so kümmerliche Existenz gewährt, dass sie ihn gerne mit einer anderen Erwerbs-Art vertauschen, wenn sie können, ist in neuerer Zeit von gewichtigen Stimmen z. B. von Rudhardt in seiner Statistik von Bayern, von mehreren der kenntnisreichsten Abgeordneten in der Württembergischen Kammer, für etwas höchst unschädliches, sogar auf seine Weise für die Käufer auf dem Lande, denen er alle ihre Bedürfnisse in möglichst kleinen Dosen möglichst nahe bringt, sehr nützliches erklärt, es ist von vielen Sachkennern behauptet worden, dass die Einwendungen, die man gegen diesen Betrieb vorbringt, nicht, wie man vorgibt, auf dem allgemeinen Interesse der Konsumenten, der Käufer, sondern vielmehr auf dem Privat-Interesse des angesessenen städtischen Krämers beruhen, der das Privilegium haben will, den Bauern, die zu ihm kommen müssen, nach Belieben die Preise zu bestimmen. Eine genauere Erörterung dieses Gegenstandes, dessen Beurteilung verwickelter dadurch wird, dass allerdings der städtische Krämer seine Abgaben-Wichtigkeit zu seinem Vorteil gegen den Hausierer geltend machen kann, gehört nicht hierher. Darauf aber ist es wichtig, aufmerksam zu machen, dass unter den Klagen, die man hier und da über die Einwirkung der Juden auf den Handel hört, fast nie eine ist, die von dem Interesse der Käufer ausgeht, sondern dass man immer nur andere Verkäufer über die Konkurrenz der Juden klagen hört, dass sie sich mit einem geringeren Gewinn begnügten, daher die Preise herunterbrächten, u. w. dgl. m. Dass aber diese Folgen der Konkurrenz das Wohl des Ganzen mehr fördern, als beeinträchtigen, liegt am Tage. Es ist auch in der Tat nicht abzusehen, wie bei ganz freier Konkurrenz, bei der vollkommnen Unabhängigkeit des Käufers vom Verkäufer, wie sie beim Warenhandel durchweg Statt findet, irgend ein dauernder Nachteil für den Käufer, der ja nicht wieder von Dem kaufen würde, der ihn einmal betrogen hätte, entstehen könnte. Der Kanzler von Autenrieth hat den einfachen Gedanken, auf den hier alles ankommt, nicht minder wahr als geistreich ausgedrückt, als er eine Rede in der Württembergischen Kammer mit den scherzhaften Worten schloss: „er selbst habe schon mehrere Male in einer so gefährlichen Lage geschwebt, dass ein Jude ihn gefragt habe „nichts zu handeln?“„aber mit der einfachen Antwort nein war die ganze Gefahr verschwunden.“

Von der anderen Seite machen die Gegner der bürgerlichen Gleichstellung der Juden, besonders in den Ländern, wo es sich noch um Gewerbefreiheit handelt, gar kein Geheimnis daraus, dass sie die ausschließenden Gesetze als ein Mittel der Hemmung der Konkurrenz betrachten *)! Es ist eine traurige, in Deutschland allein heimische Erscheinung, dass bei der Beurteilung einer Frage, die die edelste Freiheit, die höchsten moralischen Interessen der Menschheit angeht, so erbärmliche Rücksichten einzuwirken im Stande sind. Nie hat ein Britte, nie hat ein Franzose es gewagt, in einer solchen Sache solche Argumente geltend zu machen: und fürwahr nie würde es ein Deutscher gewagt haben, wenn Deutschland eine Gesetzgebung hätte! Nur in den engen Kreisen der allerkleinsten Staaten haben solche Rücksichten je auch nur einen Augenblick das Übergewicht gewinnen können.

*) Ich habe schon früher den Württembergischen Apotheker angeführt, der den Juden vor allem untersagt wissen wollte, Apotheker zu werden. Mit siegender Kraft ist jener Charakter der Opposition überhaupt von dem Minister des Innern in der Württembergischen Kammer bezeichnet worden. Man vergleiche die angeführten, Handlungen S. 45—46.

Die wahre Aufgabe für die Gesetzgebung ist nach allem dem eine sehr einfache. Sie verbiete unbedingt das, was sie als schädlich erkannt hat, und sorge, dass die exekutive Gewalt über die Aufrechthaltung ihrer Verbote wache. Hält sie einen bestimmten Erwerbzweig, ohne dass sie ihn verbieten zu können meint, für unverträglich mit den höheren Befugnissen des Bürgerrechts, so knüpfe sie die Ausschließung an diesen Erwerbzweig, wie es die Württembergische Gesetzgebung getan hat*). In keinem Falle aber lasse sie einen Zustand der Dinge bestehen, der, selbst wenn alle die Voraussetzungen des Hrn. Dr. P. so richtig wären, als sie falsch sind, doch, anstatt dem Übel abzuhelfen, nicht etwa nur den Unschuldigen mit dem Schuldigen, sondern den Unschuldigen ganz allein bestrafen würde. Denn Demjenigen, der sich dem Handel mit Leib und Seele hingegeben hat, wird das Fortbestehen der bisherigen Gesetze wenig Kummer machen; Dem wird wenig daran liegen, ob Der, der sich den Wissenschaften gewidmet, der sich das Vertrauen seiner Mitbürger erworben hat, zu einer würdigen Stellung gelangen kann; dieser Letztere allein, Der allein, den ein höheres Streben beseelt, der dem Staate mit allen seinen Kräften angehören und nützlich sein kann und will, wird sich dadurch beengt und gekrankt fühlen.

*) Es ist hier zu bemerken, dass das Ausschließen der Schacher Treibenden von den Rechten des neuen Gesetzes in Württemberg seine reelle Bedeutung nur in der Beziehung auf das Übersiedlungs-Recht hat: wo es sich bloß um Zulassung zu Ämtern handelt, wäre eine solche ausdrückliche Ausschließung lächerlich.
Riesser, Gabriel Dr. (1806-1863) Rechtsanwalt, Notar, Politiker, Journalist, Publizist, ab 1859 erster jüdischer Richter in Deutschland

Riesser, Gabriel Dr. (1806-1863) Rechtsanwalt, Notar, Politiker, Journalist, Publizist, ab 1859 erster jüdischer Richter in Deutschland

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