Versteinerte Wälder

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1926
Autor: W. Landgraeber, Erscheinungsjahr: 1926

Exemplar in der Bibliothek ansehen/leihen
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Naturdenkmäler, Erdzeiten, Vulkane, Wald, Wälder, Versteinerung, Verkieselung,
Zu den merkwürdigsten Naturdenkmälern aus einer der ältesten Erdzeiten gehören die versteinerten Wälder Nordamerikas. Die Neue Welt besitzt nicht nur im Napatal bei Calistoga in Kalifornien und in der Apachegrafschaft im Staate Arizona ausgedehnte verkieselte Wälder, auch in dem riesigen Gelände des Yellowstone-Nationalparks, dieses an Seltsamkeiten so reichen Naturschutzgebietes, fehlen ebenfalls versteinerte Baumstammgruppen nicht; und zwar unterscheiden sich diese von den vorgenannten durch die Eigentümlichkeit, dass die Stämme in ihrer ursprünglichen, aufrechten Stellung verkieselt sind, während die Stämme der Arizona-, Calistoga-, wie auch anderer amerikanischer Wälder, nach ihrer Lagerung zu urteilen, angeschwemmt wurden, bevor die Versteinerung vor sich ging. Den versteinerten Baumgruppen des Yellowstoneparks gebührt daher mit vollem Recht die Bezeichnung „versteinerte Wälder“. Es sind allerdings zweiglose Bäume, denn durch die Wucht stürzender vulkanischer Massen wurden die Stämme aller ihrer Äste beraubt. Kahl und verwittert stehen sie da, ein fremdartiges Denkmal längst vergangener Zeiten.

****************************************************
Vor kurzem wurde ein weiterer, sehr ausgedehnter verkieselter Wald im Gallatingebirge in Montana entdeckt. Er grenzt an den Yellowstone-Nationalpark an und umfasst ein Gebiet von fünfunddreißigtausend englischen Morgen. Einige seiner aufrecht stehenden Stämme zählen zu den schönsten, die bis jetzt der Forscherwelt bekannt geworden sind. Wohl der interessanteste der versteinerten Wälder des Yellowstoneparks steht am nordwestlichen Ausgang von Specimen Ridge; er wurde im Jahre 1887 entdeckt. Seine Stämme ragen hoch in die Luft hinein und erreichen die stattliche Höhe von fast zehn Meter. Auffallend schön ist der Stamm einer Nadelholzart, dem noch teilweise die dicke Rinde anhaftet. Ein vor der Verkieselung umgestürzter Stamm zeigt eine freie Länge von zwölf Meter, die auf eine ursprüngliche Höhe von dreißig und mehr Meter schließen lässt. Das erste versteinerte Waldstück, das der Wissenschaft Amerikas zugänglich gemacht wurde, ist Amethyst Mountain, wo die starren Waldungen übereinander auf Anhöhen gelagert sind und den Wanderer wie Säulenreihen uralter Tempelbauten von ferne grüßen. Von den Sümpfen waren viele schon vor der Verkieselung vermorscht, und heute beherbergen sie in ihrem hohlen Innern prächtige Rosetten und Amethystsplitter, die dem Berg wohl den Namenverliehen haben. Die Regierung hat durch Schutzgesetze dem Treiben der Sammler, die ihre Sammlungen auf Kosten der Allgemeinheit eifrig bereicherten, rechtzeitig ein Ende gemacht. Im Lamarflusstal stößt man vielfach auf versteinerte Baumstammgruppen, die in verschiedenen Höhenlagen aus dem senkrechten Felsgemäuer herausragen. Ein Profilschnitt der dortigen Bergkegel würde ganze Schichten übereinander gelagerter verkieselter Wälder bloßlegen, die dadurch entstanden sind, dass der ersten Versteinerung ein Zeitraum ohne vulkanische Ausbrüche folgte und die Bildung eines neuen Waldes über der ersten versteinerten Schicht gestattete, bis auch dieser wieder verkieselt wurde, worauf dann ein dritter Wald emporwuchs. Geologen haben das Vorhandensein von zwölf übereinanderliegenden versteinerten Wäldern, die eine Tiefe von etwa sechshundert Meter erreichen, festgestellt und damit auch eine Handhabe zur Bestimmung des Alters der Wälder gefunden, das auf rund zwölftausend Jahre geschätzt worden ist. Versteinerte Wälder gibt es übrigens nicht nur in Amerika. Auf der ganzen Erde findet man solche Zeugen ihrer Entwicklung.

Steinerner Wald bei Warna am Schwarzen Meer. (Brodt)
Baumstämme im versteinerten Wald von Arizona, von großer Länge und Dicke, aber ohne jeden Überrest ihrer Äste
Die „Brücke“ im versteinerten Wald von Arizona, gebildet durch einen versteinerten, astlosen Baumstamm von fünfunddreißig Meter

Steinerner Wald bei Warna am Schwarzen Meer, Brodt

Steinerner Wald bei Warna am Schwarzen Meer, Brodt

Steinerner Wald, Baumstämme im versteinerten Wald von Arizona, von großer Länge und Dicke, aber ohne jeden Überrest ihrer Äste

Steinerner Wald, Baumstämme im versteinerten Wald von Arizona, von großer Länge und Dicke, aber ohne jeden Überrest ihrer Äste

Steinerner Wald, Die Brücke im versteinerten Wald von Arizona, gebildet durch einen versteinerten, alstlosen Baumstamm von 35 Meter Länge

Steinerner Wald, Die Brücke im versteinerten Wald von Arizona, gebildet durch einen versteinerten, alstlosen Baumstamm von 35 Meter Länge