Vorgänge auf dem Festlande

Gleichzeitig begann die Republik aber auch den Vorgängen auf dem Festlande von Oberitalien größere Aufmerksamkeit zu schenken und zu den großen Fragen der europäischen Politik, von welcher alle Geister erfasst, alle leidenschaftlichen Gemüter in Aufregung versetzt wurden, Stellung zu nehmen. Das deutsche Kaisertum und das italienische Papsttum standen im heftigsten Ringen gegeneinander, Feudalismus und Städteverfassungen gerieten in Konflikte, an denen sich die Kraft der großen Rationen zu erproben hatte, die ritterlichen Bauern und die wehrhaften Zünfte bedrohten die Vorrechte des städtischen Patriziates. Kaiser Friedrich Barbarossa aber ging daran, auf dem Boden des alten Langobardenreiches die kaiserlichen Rechte in derselben Weise auszuüben, wie es Karl der Große nach dem Siege über Desiderius getan hatte, er setzte ihm ergebene Grafen über die Marken und ernannte kaiserliche Podestes in den Städten, die, von deutschen Kriegern umgeben, sich ungewohnte Leistungen erzwangen. So wenig Ursache Venedig hatte, dem Sturze Mailands entgegenzuwirken, dessen Macht ihm selbst gefährlich werden konnte, ebensowenig konnte es ruhig zusehen, dass ganz Oberitalien in die Gewalt des Kaisers kam, der seine Eroberungen jedenfalls mit der Bezwingung Venetiens zu krönen versucht haben würden. Es stellte sich daher nach dem Tode des Papstes Hadrian IV. auf die Seite Alexanders III., der schon als Kardinal Roland dem Kaisertum die heftigste Opposition gemacht hatte, und organisierte nach der Zerstörung Mailands durch Barbarossa den Veroneser Bund. Seine Bemühungen waren bald von Erfolg gekrönt, da die kaiserliche Politik durch Rainald von Dassel in ungeschickter Weise vertreten wurde und die Habsucht der täppischen Deutschen, die von ihm zur Förderung der kaiserlichen Macht verwendet werden sollten, selbst die Anhänger derselben erbitterte. Nachdem auch ein Überfall des Patriarchen Udalrich von Aquileja auf Grado vollkommen missglückt war und mit seiner Gefangennahme durch die Venezianer geendet hatte, vermochte der Kaiser die Mark Verona nicht mehr zu behaupten und verlor nach der Einnahme der Burg Rivoli an der Etschklause sogar den Pass von Tirol nach Italien. Dem veronesischen schloss sich 1167 der lombardische Bund an, worauf ganz Oberitalien als „Societas Lombardiae et Marchiae et Romagnolae et Veneciae“ zur Verteidigung seiner Unabhängigkeit gegenüber dem Kaiser geeinigt war. Venedig konnte seine Kraft für die nationale Sache jedoch nicht einsetzen, da es gerade in dieser Zeit in eine höchst gefährliche Verwicklung mit Byzanz geraten war.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Venedig als Weltmacht und Weltstadt