Venedigs Stellung zu Friedrich II.

Die politischen Folgen des Anwachsens der venezianischen Macht im Orient konnten auch im Abendlande nicht ausbleiben. Die vier vergoldeten Bronzerosse auf dem Hippodrom von Konstantinopel, die vor der Markuskirche aufgestellt wurden, wandten ihre Häupter nicht umsonst dem Westen, der Terra ferma, zu; die neuentstandene Weltmacht entzog sich nicht länger der Aufgabe, ihre Interessensphäre auf Italien auszudehnen. Es war ein Verhängnis, aber ein unvermeidliches, dass sich die Seestadt nun auch in die Händel der Landmächte hineingezogen sah, die nicht mit jenen Mitteln ausgefochten werden konnten, deren sich das Volk von S. Marco bisher mit so großem Glücke bedient hatte. Noch hielt sie sich zwar von Eroberungen auf dem ihr fremden Elemente zurück, aber sie ließ es geschehen, dass ihre Staatsmänner an die Spitze oberitalischer Kommunen gestellt wurden, und gab ihnen die Richtschnur für ihre politische Haltung. Die Wiederaufnahme der großen Kaiseridee durch Friedrich II. schien ihr noch weitere Verpflichtungen aufzuerlegen. Vergebens bemühte sich der Staufer durch Gnadenbeweise und Handelsvorteile die Republik zur Bundesgenossin zu gewinnen, sie trat mehr und mehr aus ihrer Neutralität hervor, je günstiger sich die Lage des Kaisers gestaltete. Auch dessen Aufenthalt in Venedig 1232 verbesserte seine Beziehungen zu der Republik nicht, der Doge Jacob Tiepolo verhielt sich allen Verheißungen und Anerbietungen gegenüber äußerst kühl, und bald nach Friedrichs Abreise trat er offen für den lombardischen Bund und den Papst auf.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Venedig als Weltmacht und Weltstadt