Konkurrenz mit Amalfi und Pisa

Auf dem Boden des Orients traten die Bestrebungen und Ansprüche Amalfis, Pisas und Genuas mit denen der Venezianer in einen Gegensatz, der nur mit Waffengewalt überwunden werden konnte. Das heilige Feuer religiöser Begeisterung erlosch in der Seele des Kaufmannes, wenn er den Gewinn seiner Anstrengungen mit anderen teilen sollte, das erhabene Ziel der Befreiung Jerusalems und der den Christen geheiligten Orte in Palästina wurde außer acht gelassen, als die Handelseifersucht zur Leidenschaft gesteigert war. Das vergaß Molmenti, als er in seinem Essay „Venetia e le republiche marinare“ die Politik der italienischen Seestaateu im Mittelalter zu rechtfertigen unternahm und dabei zu einer Parallele zwischen englischen Missionären und den kreuzfahrenden Venezianern seine Zuflucht nahm. Man kann ihm gern zugeben, dass auch der Engländer, der mit der Bibel in der Hand für seinen Glauben zu sterben bereit ist, nach überwundener Gefahr aus einem Evangelisten zum Handelsmanne wird und in Baumwollzeug und Brandy „machte“; wer will den Italienern einen Vorwurf daraus machen, dass sie sich und ihren Waren Eingang in die Basare von Damaskus und Antiochia zu verschaffen suchten, nachdem sie mitgewirkt hatten, die Bollwerke Syriens zu bewältigen? Dass sie aber angesichts des gemeinsamen Feindes unter sich selbst Vernichtungskämpfe ausführten und die fassen, die zur Bekämpfung der Heiden geweiht waren, mit Begier in das Blut der eigenen Landsleute tauchten, das wird von gar keinem ethischen, am wenigsten aber vom nationalen Standpunkte aus zu rechtfertigen sein.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Venedig als Weltmacht und Weltstadt