Kämpfe mit dalmatinischen Slawen und Normannen

In Dalmatien wechselten die Machtverhältnisse ungemein rasch. Die Kroaten hatten zuerst die fränkische Oberhoheit anerkannt, waren dann unter die Herrschaft von Byzanz gekommen, nahmen jedoch unter einzelnen ihrer Zupane wiederholt Anläufe zur Selbständigkeit; die Serben an der Narenta führten in ihren Felsennestern ein unabhängiges Räuberleben und bedrohten ihre Nachbarn zu Land und zur See. Die Städte, meist römischen Ursprungs, waren auf den Seeverkehr angewiesen, außer Ragusa und Cattaro war aber keine von ihnen stark genug, ihre Freiheit dauernd zu erhalten. Venedig bedurfte ihrer, um die Adria zu beherrschen, es fand aber nicht treue Bundesgenossen an ihnen, sondern musste ihnen durch fortgesetzte Kriegszüge seine Macht fühlen lassen. Byzanz sah mit Neid die Entfaltung derselben, aber es vermochte ihr kein ausreichendes Gegengewicht entgegenzuhalten. Als nun auch die Normannen von Sizilien aus sich der dalmatinischen Küste zu bemächtigen suchten, musste das griechische Kaisertum zufrieden sein, dass die Venezianer sich ihnen entgegenwarfen und im Namen ihres Suzeränes den Kampf mit ihnen aufnahmen. Anna Komnena, die Tochter des Basileus Alexius, erzählt in dem von ihr verfassten Geschichtswerke, ihr Vater habe den Beistand der Veneter angerufen, ,,indem er ihnen teils sogleich bedeutende Vorteile zusicherte, teils noch größere für die Zukunft verhieß, wenn sie ihre ganze Seemacht aufböten, um Dyrrhachium (Durazzo) zu entsetzen und überhaupt den Krampf gegen die Normannen auf ihre Schultern nähmen“. Es entspann sich ein gewaltiger Seekrieg, in welchem die Venezianer Flotten von 60-70 Schiffen zur Verwendung brachten. Unter diesen befanden sich Galeonen, hochbordige Galeeren mit Gerüsten um die Mastbäume, von denen aus Bogenschützen und Schleuderer den Feind beschossen. Eine Erweiterung der Seetechnik, in der die Venezianer das Werk der Byzantiner fortsetzten, bestand auch in der Bildung einer Art von festem Wall aus aneinandergeketteten Schiffen, der schwer durchbrochen werden konnte. Von 1082-1085 währte der Krieg, in welchem beide Teile Siege erfochten und Niederlagen erlitten. die Verluste der Venezianer an Schiffen und Mannschaft, die sich an Tapferkeit mit der normannischen messen konnte, was kein geringes Lob bedeutet, waren groß, aber sie wichen nicht und hielten Robert Guiscard bei Korfu, Kephalonia und Durazzo so lange fest, bis ihn eine Seuche dahinraffte. Den beabsichtigten Überfall auf Konstantinopel hatten sie allein fern gehalten. Nach dem Tode des kriegslustigen Herzogs zogen sich die Normannen nach Apulien zurück, die Burg von Durazzo fiel in die Hände der Griechen. Der Erfolg der Venezianer drückt sich zum Teile in dem Inhalte einer Goldbulle aus, die ihnen der Basileus Alexeius ausgestellt hat; Jahresgehalte und Renten wurden dem Dogen, dem Patriarchen von Grado und der Markuskirche ausgesetzt, der Doge wurde mit dem Titel Protosebastos ausgezeichnet, der ihm den ersten Rang nach dem Basileus verlieh; eine große Reihe griechischer Handelsplätze wurde den Venezianern zum zollfreien Verkehr mit allen Waren, die sie kaufen oder verkaufen wollten, eingeräumt, kein griechischer Beamte durfte es wagen, irgendeine Aussicht oder ein Recht über die Venezianer auszuüben, die von dem kaiserlichen Gerichtsbanne vollkommen ausgeschieden wurden. Dem kaufmännischen Sinne der mit solchen Vorrechten ausgestatteten Bundesgenossen der Griechen entsprach es, dass ihr Emporkommen zugleich zur Schädigung ihrer Konkurrenten im Orient, der Handelsleute von Amalsi, ward, denn diese mussten die Abgaben bezahlen, aus welchen die Tribute für Venedig genommen wurden. Die Verbindung zwischen Konstantinopel und Venedig wurde schon damals eine um so innigere, als zwischen den Söhnen der vornehmen Venezianer Familien und Töchtern aus reichen Griechenhäusern häufig Ehen geschlossen wurden, durch welche nicht nur griechisches Kapital, sondern auch byzantinische Kunstwerke aller Art in die Lagunenstadt gelangten. Dies verhinderte aber nicht, dass die Eifersucht der griechischen Regierung gegen die Republik sich sofort wieder regte, als die Gefahr von Seite der Normannen zu schwinden begann. Die Kaiser Johannes, Kalojohannes und Manueln I. versuchten die Machtstellung der Venezianer wieder zu untergraben und ihnen die Hoheit über die dalmatinischen Städte zu entziehen. Es gelang ihnen aber nicht, ihr Einfluss in Dalmatien war bereits gänzlich geschwunden, sie mussten sich begnügen, ihre Rechte auf die Ungarn zu übertragen, die nach dem Tode des Königs Zwonimir im zwölften Jahrhundert ihr Reich bis an die Ufer der Adria ausdehnten. Die Säbel der Ungarn hatten sich mit den Schwertern der Venezianer schon einmal gekreuzt, als sie zur Zeit ihrer Beutezüge bis Mestre gelangt und dort auf den Widerstand der Seevenetier gestoßen waren: nunmehr begannen sie einen wechselvollen Krieg mit der Republik um die Küstenstädte, in dem namentlich Zara wiederholt seine Herren wechselte. Die Flotten von S. Marco hatten häufig in entfernten Gegenden des Mittelmeeres die Interessen der Lagunenstadt zu wahren, während ihrer Abwesenheit errangen die Ungarn wiederholt große Vorteile. Die Landschlacht bei Zara (1118) schien ihren Sieg zu sichern. Endlich aber behielt die große Seemacht der Adria doch die Oberhand an der dalmatinischen Küste, deren Städte mit Ausnahme von Ragusa und Cattaro die Interessengemeinschaft mit ihr anerkannten. Der unnatürlichen Ausdehnung des magyarischen Adelsstaates, in dem das Städtewesen noch gar keine Bedeutung erlangt hatte, wurde hier eine Grenze gesetzt, die italienische Kultur Dalmatiens gerettet und befestigt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Venedig als Weltmacht und Weltstadt