Friedrich Barbarossa und Alexander III.

Während dieser Bedrängnis, die den Selbsterhaltungstrieb der Republik aufs äußerste anspornte, hatte dieselbe mit dem Deutschen Kaiser, Friedrich Barbarossa, wieder Fühlung bekommen, ja sogar gegen die Satzungen des oberitalienischen Städtebundes an dessen Unternehmung gegen Ancona teilgenommen. Der Bund war auch ohne Venedig stark genug, um der kaiserlichen Macht ein Gegengewicht zu bieten, der Kaiser hatte auch seinerseits bereits die zu weit gehenden Ansprüche aufgegeben, so dass Venedig eine neutrale Haltung einnehmen konnte, als der neue Kampf mit Mailand ausbrach. Nach der Schlacht bei Legnano war daher niemand geeigneter, die Vermittelung zwischen dem Papste, dem Kaiser und dem lombardischen Bunde zu übernehmen, als der weise und ehrwürdige Doge Ziani, der mit allen Beteiligten gute Beziehungen pflog und für seinen Staat nichts zu erwerben brauchte. Nach langem widerstreben der Lombarden wurde Venedig zum Kongressorte gewählt und genoss die Auszeichnung, die beiden Häupter der gesamten Christenheit als Gäste in seinem Weichbilde begrüßen zu können.

Eine eigentümliche Wendung war unmittelbar vor dem denkwürdigen Zusammentreffen dadurch eingetreten, dass eine der Regierung feindlich gesinnte Partei der Stadt sich mit dem noch in Chioggia befindlichen Kaiser in Verbindung gesetzt und ihm angeboten hatte, mit ihrer Hilfe sich zum Herrn der Situation zu machen und dem seiner Freiheit beraubten Papste und den Rektoren des lombardischen Bundes, die sich schon in Venedig befanden, den Frieden nach seinem Willen zu diktieren. Am 20. Juli 1177 brach die Empörung aus, die der Doge nicht mehr zu bewältigen vermochte, die Rektoren zogen sich schleunigst nach Treviso zurück, und der Papst war in Gefahr, von den Demokraten gefangen zu werden, als die Abgesandten von Sizilien, die vier Galeeren bei sich hatten, dazwischen traten und den Papst zu entführen drohten. Die Gefahr eines Bruches mit Sizilien, wo sich viele Venezianer aushielten, rief einen Umschwung in der Gesinnung des venezianischen Volkes hervor, die Demokraten sahen ihren Anhang schwinden, und Barbarossa war klug genug, die Veränderung der Verhältnisse rasch zu überblicken und durch Heinrich von Dietz den vom Papste verlangten Eid leisten zu lassen, dass er nach seiner Ankunft in Venedig den von Alexander III. mit den Lombarden vereinbarten Frieden unverändert annehmen und durch zwölf Fürsten beschwören lassen wolle. Am 23. Juli wurde der Kaiser durch den Sohn des Dogen von Chioggia nach S. Ricolo del Lido geleitet, wo er am nächsten Morgen durch eine Anzahl von Kardinälen die Absolution erhielt, nachdem er sich von den schismatischen Päpsten losgesagt hatte. Dann holte der Doge selbst den Kaiser ein und fuhr mit ihm in seiner prächtig geschmückten Gondel zum Markusplatze. Im Dome empfing sie der Papst. Der Kaiser beugte sich vor ihm und küsste ihm freiwillig die Füße, worauf der Papst ihn zu sich emporzog und ihm den Friedenskuss erteilte. Dass Friedrich bei diesem Akte gesagt haben soll. ,,Vor Petrus, nicht vor dir beuge ich mich“ und Alexander III. geantwortet. „Vor mir und Petrus“, ist nicht erwiesen und widerspricht den folgenden Tatsachen, die eine volle und aufrichtige Versöhnung beider bekunden. Am 1. August wurde in feierlichster Weise der Friede beschworen, der mit den Lombarden sechs, mit Sizilien fünfzehn Jahre Geltung haben sollte; der Kaiser blieb jedoch bis zum 18. September, der Papst bis zum 16 Oktober in Venedig, das sie mit Ehren und Vorteilen reichlich bedachten. Mit Zustimmung beider wurden die Sprengel der Patriarchen von Aquileja und Grado neuerlich abgegrenzt, wobei letzterem auch der Primat über das westliche Dalmatien zugesprochen wurde.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Venedig als Weltmacht und Weltstadt