Der vierte Kreuzzug

Fünfundzwanzig Jahre später gesellte sich dem diplomatischen Triumphe ein kriegerischer, der alle bisher errungenen in den Schatten stellte und die Lagunenstadt zum Miterben ihrer Lehensherren und Protektoren, der Kaiser von Byzanz, machte. In Frankreich hatten sich mächtige Landherren zu einem neuen, dem vierten, Kreuzzuge vereinigt, sie waren mit nahezu 40.000 Mann in das Gebiet von Venedig gekommen und verlangten, nach Syrien übergeführt zu werden. Man berechnete ihnen die Kosten, die das Unternehmen verursachen werde, auf 85.000 Mark Silber für 4.500 Pferde je 4, zusammen 18.000, für jeden Reiter, Knappen, Fußknecht je 2, nämlich 9.000, 18.000, 40.000 Mark) und verlangte den Erlag der ganzen Summe, war jedoch bereit, außerdem noch 50 Galeeren dem Zwecke zur Verfügung zu stellen. Über dem Verhandeln und Geldsammeln verging ein Jahr, währenddessen der ganze Lido ein Kriegslager war. Als im Jahre l202 noch immer 34.000 Mark fehlten, machten die Venezianer den Kreuzfahrern den Vorschlag, ihnen zuerst bei der Rückeroberung der an die Ungarn verloren gegangenen Stadt Zara behilflich zu sein, weil sie ihre Stadt nicht verlassen könnten, solange sie die dalmatische Küste nicht wieder in ihrer Gewalt hätten. Nach Beendigung dieses Kriegszuges wollten sie gemeinsam nach Palästina segeln. Ein Teil der Kreuzfahrer, an deren Spitze der Markgraf Bonifaz von Montferrat stand, ging auf den Antrag ein. Der Doge Enrico Dandolo, nicht 1172 als Gesandter in Konstantinopel geblendet, wie die Legende erzählt, sondern nur infolge hohen Alters von 90 Jahren schwachsichtig, führte die Flotte von 300 Schiffen, in eigener Person zuerst an den istrischen Städten vorüber, um vor diesen die großartige Macht der Republik zu entfalten und sie in ihrer Treue durch Furcht zu bestärken, und dann vor Zara, das sich nach fünftägiger Bestürmung ergeben musste. Nun erst enthüllten die Leiter des Unternehmens den Kreuzfahrern, dass ihre nächste Aufgabe nicht die Fahrt zum Heiligen Land, sondern die Eroberung von Konstantinopel sein werde.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Venedig als Weltmacht und Weltstadt