Senat und Signorie

Der Große Rat und der Senat waren zu zahlreiche Körperschaften, nur mit ihnen alle laufenden Angelegenheiten vornehmen zu können, es wurden daher Ausschüsse eingesetzt, die an ihre Stelle zu treten hatten. Dies waren die weisen (Savii) die ursprünglich nur von Fall zu Fall mit bestimmten Aufträgen eingesetzt wurden, sich jedoch als bleibende Einrichtung einbürgerten, weil ihre Wirksamkeit dem Bedürfnisse entsprach. Zunächst waren es sechs Savii del Consiglio, Delegierte des Großen Rates, die im Senate die Anträge vorzubereiten hatten, dazu kamen dann fünf Savii dagli Ordini, die alle Angelegenheiten der Kriegsflotte als Sachverständige in Vorverhandlung nahmen, und nach 1420 noch fünf Savii di Terra ferma, die sich mit den Angelegenheiten des Staatsgebietes auf dem Festlande beschäftigten. Die Versammlung der Signorie in Verbindung mit diesen 16 Saviis war das Collegio, der geheime Staatsrat, dem der Doge präsidierte und in dem alle öffentlichen Angelegenheiten durchberaten werden mussten, bevor sie zur Verhandlung im Senate kamen. Die Amtsdauer der Savii, Muda genannt, betrug sechs Monate. Die Übernahme dieses Amtes bedeutete eine große Last, da sich jeder Savio, dessen Zeit vielfach in Anspruch genommen war, große Beschränkungen seiner persönlichen Freiheit, namentlich hinsichtlich der Übernahme von Geschäften, gefallen lassen musste. Die Savii grandi - diesen auszeichnenden Titel genossen die Savii del Consiglio - waren mindestens 40 Jahre alt, die Savii di Terra ferma 30 die Savii dagli Ordini 25; letzteren war nach Beendigung einer Muda das Vorrecht eingeräumt, alle Amter verwalten zu dürfen, zu welchen sonst nur Dreißigjährige zugelassen wurden. Das Collegio unterhielt den Verkehr mit den ständigen und außerordentlichen Gesandtschaften fremder Mächte, ihm wurden die Staatsschriften derselben übergeben, es trat während der Festtage, der Sommer- und Herbstferien für den Senat ein und setzte seine Entscheidungen dann an Stelle der Senatsdekrete.

Die Wahlen der Mitglieder für die von Jahrhundert zu Jahrhundert an Zahl zunehmenden Behörden und Ämter, sowie die Entscheidung über Gnadengesuche wurden nicht durch mündliche Stimmenabgabe, sondern durch Kugelung, Ballotierung, vorgenommen; dabei kamen äußerst sinnreich erdachte Methoden zur Anwendung, die den Zweck verfolgten, Intrigen und Fälschungen hintanzuhalten, zu denen die Parteien und Familienverbände häufig gegriffen zu haben scheinen. Es hat gewiss niemals in einem parlamentarisch regierten Staate so umständliche Geschäftsordnungen gegeben als in Venedig, wo es ein ernstliches Studium und ein starkes Gedächtnis erforderte, um für einen völlig ausgebildeten Staatspolitiker gelten zu können. Bei Abstimmungen über Anträge, die zu stellen nicht nur die oberen Räte, sondern auch verschiedene Häupter der höheren Behörden berechtigt waren, kamen stets drei Arten von Kugeln in Verwendung: weiße für die Zustimmung, grüne für die Ablehnung, rote für die Unentschiedenen (non sinceri).


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Venedig als Weltmacht und Weltstadt