Neueste Forschungen darüber
Die Wichtigkeit der neuen Einrichtung erwies sich bei der nächsten großen Verschwörung, die sich in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts abspielte. Sie steht an politischer Bedeutung weit hinter der des Geschlechterbundes Quirini-Tiepolo zurück, aber sie hat sich der geschichtlichen Überlieferung durch die im Mittelpunkte stehende Person des Dogen Marino Faliero weit auffallender eingeprägt. Durch seine Abstammung gehörte dieser, dessen Geburt nach neuesten Forschungen in das Jahr 1278 verlegt wird, den ersten, wenn auch nicht reichsten Familien der Republik an, durch Verstand, Einsicht in das Weltgetriebe, Geschicklichkeit im Umgange mit geistlichen und weltlichen Machthabern war er einer ihrer verdientesten Staatsmänner geworden. Sein Haus bei der Brücke von SS. Apostoli, das aus der alten Zeit nur mehr zwei byzantinisch stilisierte Erker aufweist, trägt heute noch das Wappen der Falieri. Er hatte wiederholt noch in jungen Jahren dem Rate der Zehn angehört, war einer ihrer Capi und mit Andrea Michiel beauftragt gewesen, den Bajamonte Tiepolo und Pietro Quirini aus dem Wege räumen zu lassen, wozu ihnen ein unbedingter Kredit von 12.000 Dukaten eingeräumt worden war. Dann war er in der Beamtenlaufbahn von Stufe zu Stufe gestiegen, war Kapitän und Bailo von Negroponte, Podestà von Lesina und Brazza, von Chioggia und Treviso, ja über Wunsch der Herren von Carrara und der Bürgerschaft, auch von Padua gewesen; 1344 trat er seine erste Gesandtschaftsreise mit Andrea Corner zum Papste Clemens VI. nach Avignon an. 1349 war er mit Giustiniano Giustiniani beim Kardinal von Montfort, 1350 in Genua, 1351 und 1363 bei den Verhandlungen mit Ungarn in Zengg, im letztgenannten Jahre auch in Prag bei Kaiser Karl IV., der ihn zum Ritter schlug und zu seinem Rate ernannte. Auch Kriegsdienste hatte er geleistet und war der Stellvertreter des Ricolò Pisani gewesen, dabei hatte er aber nie aufgehört, auch seine Handelsgeschäfte im Auge zu behalten und sein Vermögen zu vermehren. Als der Doge Andrea Dandolo (Abb. 33) der Geschichtsschreiber, am 7. September 1354 gestorben war, fiel die Wahl des Nachfolgers, die schon am 11. September eingeleitet wurde, schon bei der ersten Ballotierung auf ihn, der eben von einer neuen Sendung nach Avignon zurückzukehren im Begriffe war. Während er durch den Giudecakanal einfuhr, lagerte dichter Nebel über der Lagune; statt an der Riva della Paglia landete man vorher an der Riva S. Marco und führte den Dogen inmitten der zwei Säulen, die damals schon den Eingang zur Piazzetta kennzeichneten. Zwischen ihnen wurden auch die Galgen errichtet. Nach dem gewaltsamen Tode Falieros erinnerte sich das Volk des Umstandes, dass er bei seinem Einzuge diese Stelle überschritten hatte, und dies galt von da an als ein böses Omen. Venezianer meiden noch heute diesen Durchgang.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Venedig als Weltmacht und Weltstadt